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Säule mit angeblicher Holocaust-Asche: Jetzt spricht ein Aktivist über den Abriss-Versuch

Sie kamen, um abzureißen: Am Sonntag hat die Aktionsgruppe AKK versucht, das Denkmal mit angeblicher Holocaust-Asche vorm Reichstag zu entfernen. Wochenlang hatten Kritiker gefordert, die Säule der Gruppe Zentrum für Politische Schönheit, kurz ZPS, zu entfernen. Der Vorwurf: Das ZPS habe damit gegen das jüdische Gebot der Totenruhe verstoßen und das Leid der im Holocaust ermordeten Juden für Publicity-Zwecke missbraucht.

Doch das AKK, das mit vollem Namen Aktionskünstler-Komitee heißt und sich extra für die Aktion vor zwei Wochen gründete, konnte seinen Plan nicht umsetzen: Die Säule steht noch immer. Die etwa 20 Mitglieder rückten mit Vorschlaghammer, Flex-Sägen und anderen Geräten an - doch die Säule ließ sich einfach nicht abreißen. Dieses Video zeigt den versuchten Abbau:

Spätestens als nach 40 Minuten die Polizei anrückte, war klar: Die Säule fällt an diesem Tag nicht mehr. Doch obwohl die Aktivisten ihre Werkzeuge niederlegen mussten, zeugte ihr Transparent noch von ihrer Protestaktion: " Wer Leid konsumierbar macht, ist Teil des Problems", lautete die Botschaft darauf. Eine klare Kritik am ZPS.


Im Gespräch mit NOIZZ verrät AKK-Aktivist Eliyah Havemann, der auch im Video zu sehen ist, wie es zu der Aktion kam. "Als ich mitbekommen habe, dass es diese Säule gibt und dort die Asche von Opfern des Holocaust drin sein soll, war ich wirklich angewidert", sagt er. Havemann, Autor und Sohn des bekannten Liedermachers Wolf Biermann, lebt eigentlich in Israel und kam unter anderem für die Aktion nach Berlin.


"Ich war zuerst erleichtert, als das Bezirksamt Berlin Mitte entschied, dass die Säule bis zum 20. Dezember entfernt werden muss", sagt er weiter. Doch das ZPS legte Widerspruch ein, das Datum verstrich und es passierte - nichts. "Dann sind einige Leute von Twitter und ich auf die Idee gekommen: Das kann so nicht stehen bleiben", sagt Havemann. "Das ZPS hatte vorher schon bekannt gegeben, dass es gegen jeglichen Abbau der Säule vorgehen würde - auch, wenn das Bezirksamt ihn vornehme. Deshalb haben wir das Ganze als Künstlergruppe intern geplant und es nicht an die große Glocke gehängt. Wir wollten diesen Überraschungseffekt. Nur die Presse und wir Mitglieder des AKK waren eingeweiht."

Eine halbe Stunde vor Start habe die Gruppe sich dann am Berliner Hauptbahnhof getroffen - im Schlepptau nicht nur die Werkzeuge, sondern sogar ein großer Laster, um die abgesägte Säule hinterher wegzutransportieren. Dann legten sie los.


Während Havemann mit seiner Gruppe dabei war, an der Säule zu sägen, rief er auch noch Philipp Ruch, den Gründer des ZPS an. "Das war ein sehr - interessantes Gespräch", sagt Havemann über das Telefonat. "Interessanterweise wusste er sofort, wer ich war und machte mir das unmissverständlich klar, indem er auf einen angeblichen gemeinsamen Freund hinwies. Als ich aber sagte, dass wir gerade dabei seien, die Säule abzubauen, tat er plötzlich, als könne er mich akustisch schlecht verstehen." Plötzliches Funkloch oder doch eher Unsicherheit über die Legitimität der eigenen Aktion? Das wird sich noch zeigen.

Ebenso offen ist die Zukunft der viel kritisierten Säule. "Es haben zwar nur noch zehn Zentimeter gefehlt, als die Polizei kam. Wir als AKK planen aber keine weiteren Aktionen, um die Säule zu entfernen. Wir sind der Meinung, dass das ZPS die Säule eigenhändig abbauen muss", so Havemann. Die Position des ZPS jedoch könnte nicht gegensätzlicher sein: Die Gruppe will die Säule auf Kosten des, zum Teil jüdischen AKK, reparieren lassen. Aus dem Kreise des ZPS liegt laut Polizei sogar eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen das AKK vor.


Zehn fehlende Zentimeter, ein Polizeieinsatz und eine Anzeige - auf den ersten Blick wirkt es, als sei die Aktion des AKK fehlgeschlagen. Stimmt das?

"Nein. Zum einen war die Aktion schon deshalb erfolgreich, weil wir mit ihr gezeigt haben, wie sehr wir diese Säule ablehnen", so Havemann. "Zum anderen ging es bei der Aktion auch darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen - und das haben wir geschafft. Vor allem wollten wir die Aufmerksamkeit auf das zurücklenken, was die Säule ursprünglich einmal ausdrücken sollte: nämlich die Warnung vor der AfD. In den vergangenen Wochen hat sich die Diskussion verschoben - nämlich von der Warnung vor einer Koalition mit der AfD hin zur gestörten Totenruhe. Wir vom AKK haben es als einzige Lösung für dieses Problem gesehen, die Säule zu entfernen."

"So lange die Säule dort steht, wird sich die Diskussion immer weiter nur um die Totenruhe drehen."

Ein realpolitisches Zeichen gegen ein Bündnis mit der AfD setzen, anstatt Debatten an der Politik vorbeizuführen - das AKK fordert, was das ZPS mit der Holocaust-Säule eigentlich selbst erreichen wollte. Doch schaut man auf Twitter, sieht man leider: Der Einzige, der das noch nicht verstanden haben, ist das ZPS selbst.


Quelle: Noizz.de

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