Pittermanns Kollektion ist Teil einer Ausstellung zum Thema nachhaltige Mode, die das Evangelisch-lutherische Missionswerk in Niedersachsen zusammen mit der hannoverschen Hochschule entwickelt hat. "Die Gesellschaft muss sensibilisiert werden, nicht mehr alles zu kaufen", sagt der theologische Referent des Missionswerks in Hermannsburg bei Celle, Waldemar Rausch.
Juliane Pittermanns Herausforderung besteht darin, für jedes ausgeschnittene Stück Stoff eine andere Verwendung am Outfit zu finden. Die beiden Kreise, die beim Ausschneiden von Armlöchern in einem Oberteil entstehen, verwertet sie als Aufnäher für die Ellenbogen. Besonders lange überlegt sie bei den Textilresten eines T-Shirts. Die zwei Stoffbahnen, die übrig bleiben, will sie zuerst zu einem Beutel zusammennähen. "Aber wer trägt schon immer eine Stofftasche mit sich herum?" Schließlich schneidert sie den vermeintlichen Verschnitt zu einer Weste.
"Die Leute müssen begreifen, dass ihr T-Shirt etwas mit Gerechtigkeit zu tun hat", kritisiert Rausch. Wer Billig-Jeans bei Discountern kaufe, unterstütze nicht nur menschenunwürdige Arbeitsbedingungen für Näherinnen in Dritte-Welt-Ländern, sondern auch umweltschädliche Herstellungsprozesse mit Chemikalien oder knappen Rohstoffen wie Baumwolle. "Die Kunden bestimmen, was erfolgreich wird."
Pittermann zeigt auf ein grobmaschiges, türkis-orangenes Häkelkleid mit einer langen Schleppe. "Das ist aus Sockenbündchen gemacht, die bei der maschinellen Anfertigung von Strümpfen normalerweise im Abfall landen", erläutert sie. Währenddessen bügelt sie für die Ausstellung das Kleid einer Mitstudentin auf, das aus alten Jeans-Hemden angefertigt ist. Sie habe einen Schnitt konstruiert, der auf jedes Kleidungsstück angewandt werden könne. Dies ermögliche die serielle Wiederverwertung von Altkleidern.
"Als Designer haben wir die Produktionsprozesse in der Hand", betont Pittermann. Modedesigner könnten schon bei den Entwürfen für Pullover, Hosen und Kleider die Weichen für nachhaltige Herstellungsschritte stellen. "Es gibt immer einen anderen Weg."
Für ihre Kollektionen experimentieren die Studenten deshalb mit regionalen Fasern wie dem Schaffell der Heidschnucke, färben Textilien mit pflanzlichen Mitteln wie Kurkuma und Henna und probieren kreative, neue Recycling-Verfahren von ausgemusterter Kleidung aus. "Wir wollen zeigen, dass nachhaltige Mode nicht langweilig ist", sagt Pittermann. Es sei ein Klischee, dass faire Kleidung weit und schlabberig sei.
Für sich selbst kauft Juliane Pittermann selten nachhaltige Mode, die durch Label und Qualitätssiegel geprüft und gekennzeichnet ist. Viel eher setzt sie darauf, ihre Kleidung wirklich aufzutragen. Jeder Deutsche erwerbe durchschnittlich rund 60 Kleidungsstücke pro Jahr - dabei brauche er insgesamt nur etwa 30, erläutert sie. "Ich trage meine Kleidung oft jahrelang. Wenn sie kaputt geht, stopfe ich sie eben."
Ästhetische Mode zu kreieren, ist auch nach Ansicht der Leiterin des Studiengangs Modedesign, Martina Glomb, die wichtigste Aufgabe von Designern, die sich mit nachhaltiger Mode auseinandersetzen. "Ein Teil, das politisch korrekt ist, aber blöd aussieht, kauft sich keiner." (1057/11.03.15)
Von Katharina Hamel (epd)