Schöner Überfluss waren Coffeetable-Books schon immer. Sie behandeln und präsentieren Themen und Dinge, die so vielleicht in kein anderes Format passen würden. Doch auch unter den Bilderbüchern für Erwachsene gibt es Exoten. Druckerzeugnisse, die zu speziell waren, um es in eine einzelne Empfehlung zu schaffen. Sechs davon haben wir in diesem Jahr ausgewählt. Bücher, die allein schon durch ihre Machart etwas Besonderes sind, die zwischen den Buchdeckeln etwas hergeben und auch auf dem Beistelltisch etwas hermachen.
Alltagspoesie thailändischer Telefonzellen: Unter diesem Motto lässt sich mühelos eine ganze Fotoserie und somit auch ein Fotobuch bestreiten, wie Frank Hallam Day mit "Bangkok - Call Waiting" belegt. Days Telefonzellen sind Zeichen des rapide voranschreitenden Verfalls und Gucklöcher in die tropische Metropole: Vor den feuchtigkeits- und staubverschmierten Fenstern entfalten sich Dioramen aus vergessenen Blumensträußen, Sex-Anzeigen und politischen Protestslogans vor gelb-grünen Telefonhörern, die schon lange niemand mehr abgehoben hat.
Karl Lagerfeld ist bekanntlich ein Freund der schönen Menschen und Dinge. Unter dem Namen L.S.D., kurz für "Lagerfeld. Steidl. Druckerei." hat sich der kreative Tausendsassa mit der Göttinger Druckerkoryphäe Gerhard Steidl zusammengetan, um Bücher und Papier-Editionen ganz nach seinem Geschmack herauszubringen - von der Kunst des Mittagsschlafs bis zum kompletten Re-Print seiner eigenen Plakatesammlung.
Daneben veröffentlicht der Verlag Karl-Bücher im regulären Programm: 2018 erschien so zum Beispiel "Cassina as seen by Karl". In dem 64-seitigen Band präsentiert Lagerfeld seine Lieblingsmöbel aus dem Programm des legendären italienischen Herstellers, seine Hochglanz-Fotografien wurden per Hand in die Seiten eingesetzt.
Ein Klotz von einem Buch: Rem Koolhaas' Architektur-Buch ist kein gefälliger Bildband geworden, sondern ein wuchtiges Mammutwerk, die Zusammenfassung seiner Ausstellung auf der Architektur-Biennale 2014. 2528 wunderbar von Irma Boom gestaltete Seiten brauchen Rem Koolhaas, Stephan Trüby, Stephan Petermann und James Westcott für ihre Baugeschichte. Vom Boden über die Fassade bis zum Dach, dieses Nachschlagewerk zerlegt Architektur in ihre Bestandteile. Sogar am Beispiel der Toilette wird die Wirkung der einzelnen Teile auf das Gesamtensemble durchexerziert. "Elements of Architecture" liefert dafür zahlreiche Gebäudebeispiele auf der ganzen Welt. Kein Wohnporno, sondern ein Buch für Menschen, die Architektur verstehen lernen möchten.
Noch ein Buch, das die Niederländerin Irma Boom designt hat, diesmal für den britischen Verlag Phaidon: Mit "Viktor&Rolf: Cover Cover" hat die Typografin dem niederländischen Designerduo einen großformatigen Bildband quasi auf den Leib geschneidert. Wie ein Leporello entfaltet sich dieses Mode-Buch hinter seinem pinken Plastikumschlag und führt so vor, woran dicke Bildbände manchmal kranken: Zur Mitte des Buches wird der Falz so tief, dass die Bilder ihre Wirkung nicht voll entfalten können. Das passiert hier nicht. Seite für Seite führt das Buch tiefer in die Welt von Viktor Horsting und Rolf Soeren. Und das buchstäblich: Skizzen, Text und Fotografien starten auf feinem Papier, das mit fortschreitender Seitenzahl dicker und gehaltvoller wird.
Bildbände kaufen ist irgendwie immer auch Ersatzhandlung: Für all die Häuser, in die man niemals ziehen, all die Möbel, auf denen man niemals sitzen und Orte, die man so niemals bereisen können wird. Für wen und was dieses ultimative, Buch gewordene Fetischobjekt zum Anschaffungspreis eines Mittelklassewagens wohl Ersatz sein mag? Taschens handgefertigte und ledergebundene Giganto-Ferrari-Bibel ist jedenfalls in der 25.000-Euro-Luxusversion laut Verlag schon nahezu ausverkauft: Die 250 Exemplare sind signiert von Sergio Marchionne, John Elkann und Piero Ferrari. Als Buchständer dient ein "skulpturales Designobjekt" des Designers Marc Newson, das an den Zwölfzylinder-Motor der roten Renner erinnern soll. Laut Verlags-FAQ nur anzufassen mit den beigefügten Handschuhen. Sollte die "Art Edition" schon vergriffen sein, gibt es noch die normale Sammlerausgabe, zwar ohne Skulptur und Unterschriften, aber dafür auch schon für schlappe 5000 Euro.
Anna dello Russo, kurz AdR, ist eine der bekanntesten und beliebtesten Erscheinungen der Modewelt: Während andere durch strenge Arroganz und spitze Gemeinheiten von sich reden machen, strahlt die Chefin der japanischen "Vogue" eine ansteckend-fröhliche Exzentrik aus. Wie wenige andere versteht es die Italienerin, sich selbst zur Marke zu machen - das "AdR Book", eine Art Fanzine von und über dello Russo, ist der beste Beweis dafür. Ein Buch zum Ausklappen, Briefe verschicken (mit Anna-Briefmarken), Ausschneiden (von Anna-Anziehpuppen), Kleben (im Anna-Sammelalbum) und allem, was das Papierformat sonst noch hergibt. Als Buch vermutlich wenig alltagstauglich, aber zum Herumliegen in Wartezimmern und Hotellobbys ist diese grelle Hommage ja auch nicht gedacht.