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Von Soldaten in Flip-Flops und dem gestorbenen Meer - Mindener Tageblatt

Von Soldaten in Flip-Flops und dem gestorbenen Meer

Eine ehemalige MT-Volotärin über eine Rucksackreise durch Israel und das Westjordanland

Jerusalem (mt). Ihr Gewehr hängt lässig wie eine Handtasche über ihre Schulter. Die Soldatin neben mir an der Bushaltestelle unterhält sich lachend mit einem Kameraden. Sie trägt eine olivfarbene Uniform und rosa Flip-Flops. Reisen in Israel ist alles, nur nicht langweilig.

Auf dem ersten Blick scheinen die Worte "Urlaub" und "Naher Osten" nicht recht zusammenzupassen. Medienberichte über Israel handeln oft von Qassam-Raketen, Attentaten und Unruhen. Muss man also verrückt sein, wenn man nach Israel reist? Sicher nicht. Nicht mal besonders abenteuerlustig, denn Israel ist ein ausgezeichnetes Reiseland, für jedes Alter und jedes Budget, geeignet für Alleinstehende ebenso wie für Familien, für individual reisende Rucksacktouristen und für jene, die es vorziehen mit dem Rollkoffer pauschal eine Busrundreise zu buchen. Dass über diese Seite Israels weit weniger häufig zu lesen ist, liegt in der Natur der Sache.

In den Nachrichten ist nur selten Platz für Dinge, die anderswo normal sind. Beschrieben wird in der Regel eher das Außergewöhnliche und Attentate sind eben auch für die israelische Bevölkerung außergewöhnlich. Doch wer eine Reise nach Israel antritt, wird schnell merken, dass auch der normale Alltag in Israel verglichen mit dem Deutschen durchaus erzählens- und erlebenswert ist. Denn zum israelischen Alltag gehören nicht nur zahlreiche Soldaten, die im ganzen Land präsent sind und nach Dienstschluss ihre Uniform mit modischen Accessoires kombinieren, sondern auch gutes Essen, Gastfreundschaft, orientalische Gerüche und die abwechslungsreiche Landschaft.

Reiseland Israel – ein Muss für Naturfreunde

Die Entfernungen von einem Ort zum anderen sind nicht groß, sodass es möglich ist, in wenigen Tagen fast das ganze Land zu erkunden. Auf meiner Reise habe ich Gelegenheit, an kilometerlangen Sandstränden entlang der Mittelmeerküste zu spazieren aber auch im Roten Meer zu tauchen und dort, nur wenige Meter vom Ufer entfernt, bunte Fische und Korallenriffs zu bestaunen.

Im Toten Meer, einem Salzsee im Landesinneren, erlebe ich das Gefühl von Schwerelosigkeit. Der Salzgehalt ist hier zehnmal höher, als in anderen Gewässern, was dazuführt, dass der Badegast nicht untergeht, sondern sitzend auf dem Wasser treibt. Der Weg von einem Meer zum anderen führt vorbei an Bananenplantagen, Zitronen- und Olivenbäumen, aber auch durch skurrile Wüstenlandschaften. Auf Zwischenstopps warten Kamele, die gestreichelt und Wasserfälle, die fotografiert werden wollen. Auf den Spuren von Jesus durchs heilige Land Doch Israel ist nicht nur interessant für Naturliebhaber. Auf dem heutigen Gebiet von Israel befinden sich die heiligsten Stätten der drei großen Religionen: Sowohl Juden, Christen und Muslime leben hier und haben im Laufe der Zeit unübersehbare Spuren hinterlassen. Bei einem einzigen Stadtspaziergang durch Jerusalem kann man mehr lernen, als in fünf Jahren Geschichtsunterricht. Er führt in wenigen Stunden durch verschiedene Zeitalter und Religionen.Noch heute ist es, als wandert man durch verschiedene Welten: Während in einem Stadtviertel das Straßenbild geprägt ist von schwarz gekleideten, orthodoxen Juden, unter deren Hüten sorgsam geschwungene Schläfenlocken herausragen, sitzen in einem anderen Stadtviertel muslimische Frauen auf einer Bank und lachen.

Während sich die Juden auf Hebräisch unterhalten, sprechen die Muslime Arabisch. Die Religiösen in der heiligen Stadt leben nebeneinander, nicht miteinander. Zu ihnen gesellen sich Christen, die nicht müde werden, an Jesus zu erinnern. Pilger aus aller Welt fluten die Via Dolorosa, wo sie den Leidensweg von Jesus nachempfinden können, den er kurz vor seiner Kreuzigung zurückgelegt haben soll.

Obwohl Israel auf den ersten Blick wenig mit Deutschland zu tun hat, obwohl es vier Flugstunden von Deutschland entfernt liegt und hier weder Sprache noch Klima Ähnlichkeiten mit Deutschland besitzen, liegt hier der Ursprung unser Kultur. Wir feiern Ostern, um der Kreuzigung Jesu in Jerusalem zu gedenken. Wir feiern Weihnachten, um an seine Geburt in Betlehem zu erinnern.

Crashkurs in Sachen Nahost-Konflikt

Betlehem ist nur einen Katzensprung von Jerusalem entfernt. Wer diesen so historisch bedeutsamen Ort heute besichtigen möchte, bekommt ganz nebenbei, ob er will oder nicht, einen Crashkurs in Sachen Nahost-Konflikt. Denn während Jerusalem sich im israelischen Kernland befindet, liegt Betlehem in den umstrittenen palästinensischen Gebieten, genauer im Westjordanland.

Im Westjordanland leben Palästinenser. Sie setzen sich seit Jahrzehnten für einen eigenen Staat ein. Bislang erfolglos. Reisen ins Westjordanland sind in der Regel für Touristen aus Deutschland kein Problem. Man sollte dennoch vorher beim Auswärtigen Amt nach Reisewarnungen schauen. Wenn, wie bei meiner Reise, die Lage ruhig ist, erhält man auf dem Weg von Jerusalem nach Betlehem Eindrücke, die schwer zu vergessen sind. Beispielsweise, das Gefühl, 23 Jahre nach dem Fall der innerdeutschen Grenze wieder vor einer Mauer stehen zu müssen. Vor einer Mauer, die gerade erst gebaut wird. Sie soll Israelis und Palästinenser voneinander trennen.

Die Israelis sagen: Sie dient der Sicherheit vor Terroristen, die Palästinenser sagen, sie dient dazu, ein ganzes Volk einzusperren. Die acht Meter hohe Mauer aus Beton befindet sich samt Stacheldraht und Grenzkontrollen auf dem Weg von Jerusalem nach Betlehem. Sie zerstört die Bibelromantik und holt Zeitreisende in die Realität der Gegenwart zurück.

Mehr als 2000 Jahre nach Christi Geburt ist auf dieser Welt alles andere als Frieden eingekehrt. Nirgendwo wird das spürbarer als im Heiligen Land selbst. Israel ist ein Land voller Gegensätze. Die Gesellschaft ist in sich tief gespalten und in der Luft liegt eine Atmosphäre, die nur schwer greifbar ist. Man taumelt von einem Gefühl ins nächste, findet ständig Dinge, die man nicht gesucht hat und kehrt zurück mit vielen Antworten und noch mehr Fragen.

Dokumenten Information Copyright © Mindener Tageblatt 2014 Dokument erstellt am 20.01.2012 um 18:59:01 Uhr


Der Nahostkonflikt

Der Konflikt zwischen den jüdischen Israelis und den palästinensischen Arabern dreht sich in erster Linie um Land, Religion, Macht und darum, welche Wahrheit sich durchsetzen kann. Der Konflikt zwischen beiden Völkern ist ein asymmetrischer Konflikt – denn während die Israelis einen etablierten und anerkannten Staat ihr eigen nennen können, kämpfen die Palästinenser seit Jahrzehnten um einen eigenen Staat. Palästinenser leben in zwei miteinander nicht verbundenen Gebieten: dem Gazastreifen an der Mittelmeerküste und dem Westjordanland am Ufer des Jordan-Flusses. Beide Seiten beanspruchen dasselbe Gebiet. Israelis begründen ihr Recht auf das Land mit der Bibel, Palästinenser damit, dass sie schon immer dort gelebt haben. Bei dem Konflikt stehen sich aber nicht nur zwei verschiedene Völker gegenüber. Auch innerhalb der beiden Gesellschaften sind die Gräben tief. Sowohl auf israelischer als auch auf palästinensischer Seite sind jene Stimmen, die den Konflikt verschärfen, lauter, als jene, die ihn beenden wollen. Wissenschaftler stufen den Nahostkonflikt mittlerweile als unlösbar ein. Denn auch die Nachbarstaaten sind in den Konflikt involviert.

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