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Einst die Königsklasse, nun in der Krise

Die wirtschaftliche Lage der größten Motorsportklasse der Welt.

Für wen lohnt sich der Rennzirkus noch? – Wir bringen Sie auf den neusten Stand

Faszination Motorsport in der größten und schnellsten Rennserie der Welt. Das war einer der Slogans mit dem die Formel 1 lange warb. Doch nun, kurz bevor Sie in Ihre 56. Runde startet, stehen gerade hinter Ihrer Zukunft einige Fragezeichen. Eine Ungleiche Verteilung der Gelder, Streit ums Reglement, der drohende Bankrott kleinerer Teams und die schwindenden Zuschauerzahlen an der Strecke und vor den Bildschirmen, sorgen dafür, dass die Formel 1 mit tiefen Sorgenfalten in die neue Saison startet. 

Viele beklagen eine ungleiche Verteilung der Gelder

Sorgen gerade finanzieller Natur haben vor allem die kleineren Teams. Davon kann bei den Top-Teams nicht die Rede sein. Zumeist mit großen Automobilkonzernen, oder auch Red Bull im Rücken, haben die etablierten Teams finanziell einen komplett anderen Spielraum. Und den brauchen sie auch. Denn die Reglement-Änderungen der letzten Jahre waren durchaus teuer. Spätestens seit der Einführung des V6 Hybrid 1,6 Liter Motors 2014 sind die Kosten allein für die Motorisierung explodiert. Der Rennstall Sauber spricht sogar davon, dass 80% ihrer Einnahmen auf den Antrieb entfallen. Einen Nachteil, den die Werksteams so nicht haben. Durch die Unterstützung der Autobauer, welche eben selbst Motoren bauen, ist der Ankauf im Vergleich zu den kleineren Teams günstiger. Diese hingegen müssen sich die Motoren teuer bei den Spitzenteams beschaffen. Nun soll der Billigmotor kommen. Ab 2017 so heißt es, könnten sich die Kosten für den Antrieb fast ein Drittel reduzieren. Der kolportierte 2,2 Liter Bi-Turbo-Motor würde damit zunächst Druck von den kleineren Teams nehmen. Ein anderes Problem löst er allerdings nicht. Denn auch wenn die Werbeeinnahmen der Formel 1 in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind, kam bei den kleineren Teams davon wenig bis gar nichts an. Preisgelder und Vermarktungsanteile sind stark abhängig vom Erfolg des jeweiligen Teams. Da Erfolg aber immer an einen größeren finanziellen Aufwand gebunden ist, gelingt es den kleineren Teams seit Jahren nicht, die Vorherrschaft der etablierten Teams zu brechen – ein Teufelskreis. Diese Ungerechtigkeit wollen sich vor allem die Teams Force India und Sauber nicht mehr bieten lassen, und legten deshalb sogar Beschwerde bei der EU-Kommission ein. 

Der Mythos Formel 1 bröckelt

Aber nicht nur bei den Teams stößt die seit einiger Zeit gefahrene Politik auf Unmut. Trotz wiederholter Reglement-Änderungen, um die Spannung zu erhöhen, verliert die Rennserie zunehmend Zuschauer. Obwohl der Rennkalender dieses Jahr mit 22 Rennen so viele wie noch nie aufweist, sind die Zuschauerzahlen an der Strecke und vor den Fernsehgeräten so gering wie schon lange nicht mehr. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich die Formel 1 immer mehr von ihren Fans wegbewegt. Zahlreiche Traditionsstrecken mussten in den letzten Jahren weichen, meist zu Gunsten finanziell attraktiverer Standorte wie Russland, Dubai oder Katar. Ein weiterer Grund sind die enorm hohen Ticketpreise für ein Wochenende. War die Formel 1 früher eine Familienangelegenheit, kann es sich heute kaum jemand leisten ein gesamtes Rennwochenende mit Frau und Kindern an der Strecke zu verbringen. Aber auch die schlechte Social-Media-Vermarktung ist ein Grund dafür, dass gerade zu jüngeren Zuschauern, die Bindung zu fehlen scheint. Und das hat auch Auswirkungen auf das Sponsoring der Formel 1. Seit der Weltwirtschafskrise 2008 sind der Formel 1 zahlreiche große Sponsoren weggebrochen. Potente Geldgeber wie Vodafone, sahen durch das sinkende Interesse an der Königsklasse des Motorsports, ihre Interessen nicht mehr vollständig erfüllt. Und auch hierzulande möchte RTL in Zukunft weitaus weniger für die TV-Rechte bezahlen. Waren es 2015 noch rund 50 Millionen Euro für eine Saison, möchte man in Zukunft nur noch zwischen 20 und 30 Millionen bieten. Doch nicht nur das sinkende Interesse scheint ausschlaggebend für das schlechter werdende Image der Formel 1 zu sein. Formel 1 Chef Bernie Ecclestone, einst unumstrittene Manager-Ikone, geriet in den letzten Jahren immer wieder ins Fadenkreuz der Justiz. 2014 kaufte er sich gar für knapp 100 Millionen Dollar vom Vorwurf der Bestechung frei. Und auch Aussagen von 2015, wonach Bernie Ecclestone selbst nie mit seiner Familie zur Formel 1 gehen würde, weil die Rennklasse nicht mehr spannend wäre, werden nicht nur von McLaren-Teamchef Ron Dennis als geschäftsschädigend verurteilt. Passend dazu auch ein Bericht von Jean Marc Huet, dem ehemaligen Finanzchef des Unilever Konzerns. Er kommt in seinem Bericht über die Formel 1 zu einem vernichtenden Urteil. Er spricht von „stagnierender Rentabilität“, „mangelnden Sponsoreneinnahmen“ und sieht Probleme bei „Schlüsselpersonen“. Ein wohl bewusst nicht allzu gut versteckter Seitenhieb gegen Bernie Ecclestone, den Mann, der die Formel 1 einst groß machte. 

Aller Anfang ist schwer – Ecclestone setzt die entscheidenden Impulse

Denn seit der ersten Formel 1 Saison ist gerade in finanzieller Hinsicht viel passiert. Als 1950 alles begann, waren die Autos noch pfeilförmig, die Rennen extrem gefährlich und die Gehälter überschaubar. Doch als Bernie 1970 beschließt, all seine Arbeitskraft künftig in die Vermarktung der Formel 1 zu stecken, erlebt die Formel 1 fortan einen Boom. Die Umsätze explodieren und aus Millionen werden später Milliarden. Allein zwischen 2000 und 2015 sollen über 15 Milliarden Dollar Umsatz erzielt worden sein, so schätzt das Wirtschaftsmagazin Forbes.  Ein Potenzial das CVC, Finanzinvestor und größter Teilhaber der Formel 1, angeblich schon zweimal an die Börse bringen wollte. Beim letzten Anlauf 2013 soll man versucht haben ein Anteilspaket von 63% zu verkaufen. Berichten zufolge soll da Anteilspaket dabei eine Bewertung von 9,1 Milliarden Dollar erhalten haben. Seitdem hat sich allerdings wenig getan, und die Anteile sind weiterhin nicht verkauft. Dass der Deal in Kürze über die Bühne gehen könnte scheint aber weiterhin nicht ausgeschlossen. 

Das Potenzial ist ungebrochen groß

Denn die nach wie vor hohe Attraktivität der Formel 1 lässt sich nicht bestreiten. Immerhin sorgt US Unternehmer und Milliardär Gene Haas dafür, dass nach 30 Jahren wieder ein US-amerikanisches Team in der Formel 1 startet. Mit technischer Unterstützung von Ferrari, startet das neu gegründete Team Haas-Ferrari mit großen Erwartungen in die Formel 1 Saison. Schließlich ist Gene Haas bereits seit 2002 mit einem eigenen Team in der amerikanischen Nascar-Serie unterwegs. Vielleicht auch ein Anreiz für den ein oder anderen US-Bürger die sonst in den letzten Jahren so ungeliebte Formel 1 dieses Jahr zu verfolgen. Und es ist auch ein Versuch das Potenzial wieder richtig auszuschöpfen, und das nicht nur in den Vereinigten Staaten von Amerika. Bekanntermaßen wird die Eliteklasse des Rennsports eines immer haben: Technologie affine Zuschauer. Und auf diesem Weg muss die Formel 1 wieder ihre Rolle des Motors für Innovationen einnehmen. Unzählige Errungenschaften der Automobilindustrie sind mit auf die rasante Entwicklung der Technik in der Formel 1 zurückzuführen. Das Energierückgewinnungssystem KERS, welches die Reichweite von Elektroautos durch die Rückgewinnung von Strom bei Bremsmanövern erhöht, ist nur ein Beispiel von vielen. Und auch die Automobilkonzerne selbst profitierten in der Vergangenheit stark vom Prestige eines erfolgreichen Rennstalls. Nicht von ungefähr wird Mercedes Benz bis heute mit den legendären „Silberpfeilen“ von 1934 identifiziert. Und trotzdem bleibt es bei all der Imagepflege selbst für die großen Teams auch in Zukunft ein „Nullsummenspiel“. Große Gewinne wird es weiterhin nur bei den Fahrern und sonstigen Akteuren auf privater Seite geben. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass die Formel 1 ihre Probleme verstanden hat, und aus einem leichten Durchhänger kein dauerhafter Abwärtstrend entsteht. Ansonsten wird die Formel 1 sich nicht mehr lange, die „Königsklasse des Motorsports“, nennen dürfen.