Karl Grünberg

Reportagenschreiber: Gesellschaft, Umwelt und Natur, Nachrufe, Gericht, Berlin

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Reportage

Unter Tieren

Zeit Green, 2022 / Foto: © Magdalena Stengel

Küken schlüpfen, Kühe sterben: Im Bauernhofkindergarten lernen Kinder, was Leben und Tod ist. Zwischen den Tieren sollen sie ein natürliches Sozialverhalten entwickeln. Eine Reportage von Karl Grünberg.

Das Mädchen steht im Heuhaufen und schaut auf die Kuh. Konzentriert, neugierig. Die Kuh kaut und schaut gleichmütig zurück. Dann hält das Mädchen der Kuh ihre Hand hin, direkt vors Maul. Eine Sekunde vergeht, zwei Sekunden, drei. Plötzlich streckt die Kuh ihre Zunge raus. Lang wird sie und länger. Von oben bis unten leckt die Kuh die Hand ab. Feucht ist das und rau. „Das kitzelt“, sagt das Mädchen und lacht.

Lucy heißt das Mädchen, sie ist fünf Jahre alt und geht zusammen mit 24 anderen Kindern in einen Bauernhofkindergarten: mit Kühen, Schafen, Hühnern und einem echten Bauern in Gummistiefeln und einem Trecker. Hier erleben die Kinder jeden Tag das, was viele andere nur aus Bilderbüchern kennen: Küken, die aus dem Ei schlüpfen. Kälber, die von ihren Müttern gesäugt werden. Kartoffeln, die sie selbst aus der Erde pulen dürfen. Enten, die vom Fuchs geholt werden. Eine Kuh, die eingeschläfert werden muss.

Säen, wachsen und ernten. Auf die Welt kommen, groß werden, sterben. Die Kinder bekommen hier die großen Themen des Lebens direkt mit. Was macht das mit ihnen? Und was erhofft sich der Bauer davon?

Der Bauernhofkindergarten Walletal liegt zwischen den Gemeinden Ottersberg und Fischerhude in Niedersachsen bei Bremen. Es ist kurz vor acht Uhr. Etwas über null Grad. Nebel liegt auf den Stoppelfeldern, die Luft ist feucht, der Boden matschig. Wie das Wetter denn gerade ist, das werden die Kinder im Morgenkreis gefragt. Davon hängt ab, was sie anziehen, wenn es rausgeht. Und raus geht es immer. Zu den Tieren, in den Garten, in den Wald, aufs Feld, zum Fluss – so weit, wie die kleinen Kinderbeine sie tragen.

Doch noch ist es nicht so weit. Der Tag geht gerade erst los. Ein Hund steht an der Eingangstür und freut sich über jedes Kind, das da hereinkommt. Schwanzwedeln. Hinterherlaufen. Benji heißt er. Ist etwas moppelig, sehr sanftmütig und riecht sehr stark – so, wie Hunde eben riechen.

Mehr gibt es hier: https://reportagenschreiber.com/2022/05/21/unter-tieren/