Von Karin Willen
Achtung, Verwässerungsgefahr: Wenn die Kosmetikerin eine Algenpackung aufträgt oder man sich in der Badewanne mit Meersalz aalt, tut das zwar auch gut. Den Namen Thalassotherapie - Meeresheilkunde - verdient aber nur der ganzheitliche Ansatz, der maximal 300 Meter vom Meer entfernt alle Elemente des Meeresmilieus unter ärztlicher Kontrolle vereint. Denn die Stärke der Kur mit dem Salzwasser liegt in der Kombination der modernen, physikalischen Therapie mit den Heilkräften des Meeres: also mit Mineralien und Spurenelementen aus Salz und Schlick sowie der Extradosis Vitamine aus Algen.
Das Zusammenspiel von Sonne, Strand und Salzwasser in dem gesunden Reizklima regt Stoffwechsel und Immunsystem an, stärkt die Muskeln, führt zu einem klareren Hautbild und fördert die Heilung von Erkrankungen der Haut und Atemwege.
Im 18. Jahrhundert wurde die Thalassotherapie als eine Abfolge von Bädern und Wasserdruck-Massagen, Algen- und Schlickpackungen, Unterwasserübungen, Dampfbädern und manuellen Massagen zuerst in Frankreich eingeführt. Natürlich war die Heilkraft des Meeres damals keine Neuentdeckung: Schon vor 5000 Jahren sollen die Chinesen auf Algen gesetzt haben und auch Hippokrates behandelte im antiken Griechenland Patienten mit Meerwasserwickeln.
Weltweit gibt es über 1200 Thalassozentren, die meisten davon in Frankreich. Was das Preis-Leistungs-Verhältnis angeht, führen international die Tunesier. Doch auch deutsche Seebäder haben die Thalassotherapie in ihr Kurkonzept integriert. Sie pumpen das Meerwasser 500 Meter vor der Küste aus der Tiefe so in Pool und Wannen, dass das Meerwasser sauber bleibt und möglichst viele Wirkstoffe erhalten werden. Badeärzte und Therapeuten arbeiten eng zusammen beim individuellen Kurplan.
Die klassische Thalassotherapie dauert sechs Tage, ein Kur-Tag beginnt meist mit Aqua-Fitness, das ist gelenkschonendes 30-minütiges Krafttraining gegen den Wasserwiderstand im warmen Pool. Später blubbern in der Wanne warmes Algenwasser und Luft aus mehr als 170 Düsen und sorgen dafür, dass die Wirkstoffe gut in die Haut eindringen.
Schon diese beiden Behandlungen machen angenehm müde. Da tut es gut, dass Ruhezeiten mit Algen- oder Kräutertees fest eingeplant sind. Und wer mit fast heißem Algenbrei eingecremt und in Folie und Decke gewickelt eine halbe Stunde vor sich hin gedöst hat, kann sich nach dem Abduschen über seine wunderbar weiche Haut freuen. Wenn dann noch die Rücken- und Nackenmuskeln ölig durchgeknetet werden, darf man sich der schaumgeborenen Göttin Aphrodite ganz nah fühlen.
Beliebt ist auch die sogenannte Vichy-Dusche, bei der Hände sanft die Muskeln kneten, während von oben Meerwasser auf die Liege herabsprüht. Den Stoffwechsel so richtig auf Trab bringt die Jet-Dusche, bei der Beine, Arme und Rücken mit einem festen Meerwasser-Strahl behandelt und massiert werden.
Und sonst? Ein halber Tag besteht aus Anwendungen, der Rest ist Freizeit. Da kann man etwa seiner Haut eine Beauty-Behandlung gönnen und sie mit Meereskosmetik und Algenmasken verwöhnen. Gut für Körper und Seele ist auch das Barfußwandern direkt in der Brandungszone. Das stärkt bis in die kleinsten Fußmuskeln. Und die vielen Aerosole in der Luft - winzige Tröpfchen mit Mineralien und Spurenelementen - wirken unmittelbar schleimlösend und befreiend auf die Atemwege.
Wo kuren? Das Reizklima der Nordsee ist besonders intensiv zwischen Herbst und Frühjahr. Das raue Klima stärkt das Immunsystem und trainiert Herz und Kreislauf. Allergiker und Menschen mit Lungenerkrankungen profitieren von der feuchten, salzhaltigen, staub- und allergenarmen Luft, die auf den Inseln am reinsten ist. Das abgeschwächte Reizklima der Ostsee mit weniger Wind, Salz und Jod, dafür aber im Schnitt mit mehr Wärme eignet sich dagegen auch für Menschen mit Herz- und Kreislauf-Problemen, mit Bluthochdruck, Gefäßverengungen oder einer Schilddrüsen-Überfunktion.
Internet-Tipp: www.thalasso-verband.de
Hier gibt es Thalassokuren und Schnupperangebote:
Grand Spa Resort AROSA, Travemünde (Ostsee)
Das elegante 5-Sterne-Superior-Hotel bietet im 4500 qm großen Spa Thalassokuren mit den Schwerpunkten „Vital & entspannt", „Schlank & straff" oder „Rheuma & Arthrose". Zudem gibt es Thalasso-Kennenlerntage, an denen man Meerespeeling oder Jet- und Vichydusche ausprobieren kann. Ein breites Bewegungsangebot und eine Ernährungsberatung ergänzen das Programm.
418 Betten, an der Strandpromenade, beheizter Meerwasserinnen- und -außenpool, Entspannungspool mit Liquid-Sound-System, Saunawelt, Massagen, Kosmetik. www.a-rosa.de
Thalasso-Intensivkuren und einzelne Schnuppertage bietet das 5-Sterne-Hotel Neptun. Im 2400 qm großen Spa des 19-stöckigen Betongebäudes kann man im Meerwasserpool baden und sich mit Algen- und Schlickpackungen verwöhnen lassen. Mehr als 30 Bewegungs- und Entspannungsangebote gehören zum Wochenprogramm, darunter viele direkt am Strand.
576 Betten, zentral am Strand, jedes Zimmer hat Meerblick, beheizter Meerwasserpool, Saunawelt, Massagen, Kosmetik, Fitness. www.hotel-neptun.de
bade:haus, Norderney (Nordsee)
Auf Norderney gibt es keine klassische Thalassotherapie mit Arztkonsultation, aber das größte öffentliche Thalassozentrum im 8000 qm großen bade:haus. Im Haus, das auch ambulante Badekuren durchführt, stehen Bewegungsbad, Heißbad, Kaltbad, Wasserfallduschen, Außenbecken, Wellenbad, Meerwasserdampfbad und Salzbad für das einwöchige Thalasso-Spa-Arrangement oder verschiedene Tagesangebote bereit.
11 Appartements mit Wasserbetten, etwa 5 Minuten vom Strand entfernt, Massagen, Kosmetik, Fitness. www.badehaus-norderney.de