Graue Online-Eminenz mit 18 Jahren
Wenn Happee heute am Computer sitzt, fliegen seine Finger nicht mehr so schnell über die Tastatur und auch der Mauszeiger bewegt sich um einiges langsamer als noch vor einem Jahr. Dafür ist er konzentrierter. Mit 18 Jahren ist er die graue Eminenz von Starcraf 2 und blickt vom Feldherrnhügel hinab auf die Schlacht. Wobei sein Hügel das heimische Zimmer im Haus seiner Eltern in Pankow ist. Hier taucht er neben dem Praktikum bei einem Berliner Radiosender in die Onlineschlachten zwischen Terranern und Co ein.
Im e-Sport ist der Zenit meist mit 21 Jahren erreicht. Dann, wenn die
Reaktionsfähigkeit unter 200 actions per minutes fällt, müssen sie dich
Athleten neue Aufgaben suchen. Happee hatte frühzeitig einen Plan B in der
Tasche. Er wollte nie durch das Zocken berühmt werden. Das ist auch der Grund,
warum er nur Onlineturniere spielt und bei Fans des Sports unbekannt ist. Dafür
umso bekannter bei den Spielern. Diese wissen allerdings nicht, dass er sie
zwischen Muttis Knödeln und Mathehausaufgaben weghaut.
Happee spielt in der Grandmaster-Liga. Von den weltweit 300.000 aktiven Starcraft
2 Spielern die es bis in eine Liga schafften, spielen dort gerade mal 1200.
Diese ist auf sechs Territorialligen unterteilt, wobei alleine vier auf Asien
fallen. Bleibt noch Nordamerika und Europa. Er gehört also zu den Top 400 Gamern
der westlichen Hemisphäre. In der Europaliga, in der zwischen den vorderen
Rängen und dem Hauptfeld nur wenige Punkte liegen, ist er derzeit auf Platz
143. Und das, obwohl er im eigentlichen Sinne nicht mehr aktiv ist.
Vor sechs Jahren lockten ihn neu beschaffte PCs in einem Jugendzentrum das
erste Mal vor den Bildschirm. Die Betreuer ließen ihn nur stundenweise ran. Also
wurden die Eltern für einen eigenen Rechner bequatscht. Kurze Zeit später
mussten selbige ihn und den Rechner von Turnier zu Turnier kutschieren. Das Zocken
wird von seinen Eltern nur als Hobby gesehen. Er verkauft es ihnen nämlich als
genau das. Für sie ist er einfach nur der Sohn der wie andere Kinder gern am
Computer spielt. Nur das er nervös in den Knödeln stochert, weil er in zwei
Minuten in seinem Zimmer ein Finale spielen muss. Die Frage kommt auf, ob
Turniere in Verzug kamen, weil einer der Spieler noch den Abwasch machen
musste?
Neben seiner Rolle als Onlinekriegsfürst ist er ein normaler achtzehnjähriger,
der auch Konzerte geht, völlig unnerdmäßig Sport macht und sich mit Freunden im
Park trifft.
Während seine Freunde zum Taschengeld
aufbessern Pizza und Zeitungen lieferten, erkannte Happee, dass schnelle
Mausklicks ein paar Hundert Euro im Monat wert sind.
Die Sommerferien vorm Abitur verbrachte er damit sich aus der Diamond Liga zum
Master zu spielen. Das wäre übrigens so, als wenn du dich aus der Regionalliga
in die Bundesliga kickst. Nun begann er die Taktiken zu analysieren und
Gegenstrategien zu entwickeln. Seinen ersten Grandmaster besiegte er, wie er
sagt mit „Bad Manners“. Also nicht auf die feine englische Art, aber effektiv.
Sein
Spielstil ist aggressiv. An vielen Orten gleichzeitig mit kleinen Gruppen
angreifen. Hit and Run. Gleichzeitig am Resourcen Mining des Gegners dessen
Taktik erahnen und Gegenstrateigien entwickeln. Er sieht das Ganze irgendwo
zwischen Schach und Papier, Stein und Schere.
Zehn Wochen nachdem er seinen ersten Grandmaster geschlagen hatte, war er selbst in die höchste Liga aufgestiegen. Jetzt wollte er damit Geld verdienen. Seine Freunde begannen nach dem Abi, kleinbürgerlich ihr Unglück in einer Lehre zu suchen.
Die Preisgelder in Millionenhöhe gibt es leider nur auf den großen, von Asiaten dominierten Events. Die reellen Chancen standen also schlecht. Auch weil er nur Onlineturniere spielt. - Als neuer unter 200 war Eigeninitiative gefragt.
Also schrieb er kurzerhand Mouz, einen großen e-Sport Clan, an um dort Mitglied zu werden. Mouz wollten ihn für seine Dreistigkeit den Wölfen, in Form ihrer Top 3 Spieler, zum Fraß vor werfen. Nachdem er zwei besiegt hatte, kam er zwar nicht in den Clan, aber wurde ernst genommen. So etwas spricht sich halt rum. In etwa das Prinzip eines Schulwechsels. Dem größten Kind einfach mal auf die Fresse hauen, dann ist für den Rest des Schuljahres Ruhe.
Im XMG Team, ein Hardware Hersteller, bestritt er dann bis zu 25 Turniere und Showmatches monatlich und verdiente damit bis zu 4000 Euro. Wirklich wertvoll war seine Fähigkeit Spieler und vor allem Karten zu analysieren, die neuesten Patches auf strategische Vor und Nachteile zu durchkämmen. So wurde er irgendwann von Blizzard, dem Entwickler von Starcraft, eingeladen, um Vorabversionen zu prüfen. Während sich in den unteren Ligen gefreut wird, dass man einen Betazugang bekommt, saß er mit einer Handvoll anderer Spieler im Firmensitz und wurde dafür bezahlt, dem Entwicklerteam Fehler vorzuhalten.
Heute sind die Turniere die er spielt,
weniger geworden. Für ihn sind es Übungskämpfe in denen er seine neuen Taktiken
ausprobiert. Natürlich verliert man so auch mal eine Schlacht. Aber seine
Erfahrungen fliesen in seine neue Aufgabe ein. Er coachet andere Spieler,
verfeinert deren Stil und bereitet sie auf die nächst höhere Liga oder Turniere
vor. Dabei findet er auch mal ein Talent, das er an einen Clan vermittelt.
Hauptsächlich steht er derzeit bei einem amerikanischen Getränkehersteller
unter Vertrag und promotet dessen e-Sport Events. Dabei schaut er sich die
spiele auch als Schiedsrichter und Observer an und passt auf das niemand
beispielsweise mit Maphacking schummelt. Damit verdient er zwar nicht mehr ganz
soviel wie als aktiver Spieler, hat aber auch weniger Stress.
Freie Zeit kann er demnächst gebrauchen. Im April, nach Beendigung seines
Praktikums, geht es für einige Monate nach Korea um sich vor Ort die Ligen und
Spieler anzuschauen. Zum Sommersemester wird er dann wieder zurück sein, um zurück
in Berlin Literaturwissenschaften zu studieren. Sein nächstes Ziel: In Europas
wachsender e-Sportszene fundierten Journalismus mit aufzubauen, Analysen und
Insiderwissen zu liefern. Die Chancen stehen nicht schlecht, wenn man mit 18
Jahren eines der gefragtesten Thinktanks eines Millionenspiels ist.