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Plakate in Lichterfelder Rewe-Filiale spielen Corona-Gefahr herunter

Der 27. September ist ein Sonntag, trotzdem hat der REWE-Markt in Sulzfeld geöffnet. Der eigentliche Ruhetag ist in diesem Teil Baden-Württembergs am Ende des Monats September verkaufsoffen. Von 13 bis 18 Uhr hat der lokale Supermarkt in der kleinen Gemeinde zwischen Karlsruhe und Sinsheim seine Tore geöffnet. Das macht sich auch Friedemann Mack zu Nutze.

Mack ist Buchautor, Geschäftsführer einer Energie-Firma und nebenbei eine der prominentesten Vertreter der amerikanischen Verschwörungsideologie "QAnon" im Schwabenland.

Bei "Querdenken 621", dem Mannheimer Ableger der Corona-Skeptiker tritt er regelmäßig als Redner und Moderator auf Kundgebungen auf. Über seinen YouTube-Kanal verbreitet er regelmäßig krude Verschwörungstheorien. Dazu gehört die Annahme, dass dieses Jahr 2020 das letzte in der Geschichte der Bundesrepublik sein wird.

Andere Clips lassen vermuten, dass Mack der Reichsbürgerideologie und dem Glauben nahesteht, dass Deutschland immer noch besetzt sei und nur durch einen Friedensvertrag mit den Alliierten Souveränität erlangen könnte. Am vergangenen Wochenende beleidigte und bedrängte Mack ein Kamerateam des SWR bei einer "Querdenken"-Veranstaltung in Konstanz. Er bezeichnete die Fernsehcrew als "Mörder" und "Pädophile".

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Am verkaufsoffenen Sonntag in Sulzfeld geht Mack mit zwei Mitstreitern bei REWE einkaufen. Im Nachhinein veröffentlicht er ein Video von der Situation. Das Besondere: alle drei tragen keine Maske im Markt.

In dem knapp einminütigen Clip lässt Mack von sich verlauten: "Hier darf man jetzt ohne Maske einkaufen. Es ist sogar so: man braucht ein Codewort, weil die Maskenträger, die Corona-Gläubigen dürfen heute nicht rein." Und tatsächlich ist auch im Hintergrund eine weitere Frau ohne Mund-Nasen-Schutz beim Einkaufen zu sehen.

Um welchen REWE-Markt es sich handelt, möchte Mack aus Angst vor dem "Denunziantentum" nicht sagen. Er zolle aber dem Inhaber des Marktes seinen "größten Respekt". Am Ende des Videos wird schließlich die aktuelle Situation in der Bundesrepublik mit der im Zweiten Weltkrieg verglichen.

Auf dem Messengerdienst Telegram findet der Clip schnell sein Publikum. Tausendfach wird das Video in den sozialen Netzwerken geteilt. Viele User sind begeistert, kommentieren: "Wo ist das?" und "Da würde ich auch jeden Tag einkaufen gehen."

Atteste sind oft gefälscht und selbst ausgedruckt

Doch gibt es wirklich einen REWE-Markt im beschaulichen Ländle, der Maskenträgern zu bestimmten Zeiten den Zutritt verwehrt und stattdessen lediglich Personen ohne Mund-Nasen-Schutz den Einlass gewährt? Nein, sagt ein REWE-Sprecher. Bei dem geteilten Video soll es sich um "Fakenews" handeln.

Auch am 27. September habe im Sulzfelder Markt die Maskenpflicht gegolten, so der Konzern. Einzig Kunden, die mit einem ärztlichen Attest von der Maskenpflicht entbunden sind, dürften die Märkte der REWE-Group betreten.

Der Konzern hat das Video mittlerweile bei Facebook als Falschnachricht gemeldet. Dennoch steht die Frage im Raum, wie es sein kann, dass mindestens vier Kunden gleichzeitig ein Attest vorlegen und dann ohne Maske einkaufen gehen. Schließlich sind die angeblichen ärztlichen Atteste nicht selten gefälscht und schlicht aus dem Internet ausgedruckt.

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Ähnliche Fragen wirft ein Vorfall in einem Berliner REWE-Markt auf. Der Supermarkt in der Lausanner Straße in Lichterfelde hat im Zuge der Corona-Pandemie die nötigen Schutzmaßnahmen ergriffen. Wie in jedem größeren Einkaufsladen werden die Kunden durch Plexiglasscheiben von den Angestellten im Kasssenbereich getrennt.

Schwer vorstellbar, dass die Filialleitung diese Aushänge übersehen haben will.

Ironischerweise wurden in Lichterfelde aber eben diese Schutzmaßnahmen dazu missbraucht, um Propaganda von "Coronaleugnern" zu verbreiten. In der vergangenen Woche tauchten diverse, auf den Trennscheiben aufgeklebte Poster und Plakate auf, welche die Gefährlichkeit des Corona-Virus herunterspielen und gleichzeitig gegen die in Supermärkten allgemein gültige Maskenpflicht wettern.

"Warum tragt ihr eine Maske, wo auf der Verpackung steht, dass sie nicht vor Viren schützt?", heißt es da unter anderem. Wer die Plakate an den Plexiglastrennern angebracht hat, ist unklar. Kaum vorstellbar aber, dass dies von der Marktleitung unbemerkt blieb.

Auch Plexiglasscheiben halten die Verfasser der Zettel für unnütz. Foto: Privat

Am Montag waren die Botschaften dann plötzlich verschwunden. Der Marktleiter beantwortete eine Anfrage des Tagesspiegels zu dem Vorfall schlicht mit "Kein Kommentar". Der Pressestelle der zweitgrößten Einzelhandelskette Deutschlands ist auch dieser Vorfall bekannt: „Im Berliner Markt sind Aufkleber von Masken-Verweigerern im öffentlich zugänglichen Bereich gefunden und sofort entfernt worden", heißt es vonseiten der Unternehmenskommunikation. Wie es dazu kommen konnte, soll nun geprüft werden.

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