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Wenn Radfahren zur Gefahr wird

Sonnenschein, freie Radwege am Rhein, unverstellter Blick auf den Dom – Köln scheint für Freizeitradler ein wahres Paradies zu sein, wenn man dem aktuellen Imagefilm der Stadt zum Thema Radfahren glaubt. Dort reist eine Familie mit dem Zug nach Köln, um eine Radtour vom Hauptbahnhof zum Zoo zu machen. Durch die ganze Innenstadt führt die Route der Familie, ohne jede Komplikation.

In Wirklichkeit sieht die Situation auf den Kölner Straßen ganz anders aus. Die Bedingungen für Fahrradfahrer sind bei Weitem nicht so gut, wie der Imagefilm behauptet. Im Fahrradklimatest 2014 des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), der alle zwei Jahre die Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte misst, liegt Köln bei den 39 deutschen Städten mit über 200.000 Einwohnern auf Platz 36. Sogar Stuttgart, wohl der deutsche Inbegriff einer Autostadt, steht in der Tabelle vor Köln.

Doch kein Zweifel, auch in Köln gibt es schöne Radwege: entlang des Rheins, ebenso in den Grüngürteln und den Parks. Die Stadt schlägt auf der Internetseite Radtouren vor, mit denen sich alle Stadtbezirke und sogar die preußische Geschichte Kölns erkunden lassen. Aber selbst auf den Radwegen sind die Bedingungen nicht immer gut. Die Hohenzollernbrücke, die die Innenstadt und das „Kolntriangle“-Hochhaus mit der bei Touristen beliebten Aussichtsplattform verbindet, müssen sich Radfahrer mit Fußgängern teilen. Das sorgt immer wieder fur Ärger. Radfahrer stört es, wenn Fußgänger nebeneinander laufen und den ganzen Weg blockieren oder unvermittelt stehen bleiben, um die Liebesschlösser an der Brücke zu betrachten. Fußgänger hingegen geraten in Gefahrensituationen, wenn Radfahrer riskant und mit hoher Geschwindigkeit fahren. Ähnliche Probleme gibt es an allen viel genutzten Wegen, besonders am Rheinufer. „Diese nutzen Radfahrer häufig, weil es keine Ampeln und keinen Autoverkehr gibt“, sagt Stadt-Sprecher Jürgen Müllenberg. Dafür ist es dort meist sehr eng.

Deshalb schiebt der passionierte Radfahrer Wolfgang Henert sein Rad an den Wochenenden über die Hohenzollernbrücke. Er ist insgesamt unzufrieden mit der Radwegsituation in Köln. „Das ganze Netz ist unzulänglich“, sagt er. Vor allem Autos hätten zu viel Platz, Radfahrer zu wenig. Er erinnert sich besonders an einen Unfall, bei dem eine Radfahrerin gegen eine unvorsichtig geöffnete Autotür fuhr, stürzte und mit dem Rettungswagen abtransportiert werden musste. Trotzdem lasse er sich den Spaß am Fahrradfahren nicht nehmen. „Das ist hier einfach gefährlich, damit muss man rechnen“, sagt Henert. Andere Kölner sind da vorsichtiger: „Mit unseren Kindern machen wir nur ganz selten Radtouren“, sagt etwa Alexandra Bernd. Die Kölnerin nutzt das Fahrrad allerdings als Verkehrsmittel zur Arbeit. In der Freizeit gerade mit Kindern Fahrrad zu fahren mache jedoch wenig Spaß, weil man oft in Gefahr gerate, sagt Bernd.

Rund 1.470 Radfahrer sind in Köln 2015 laut Zahlen der Polizei verunglückt, fünf davon tödlich. Die Tendenz ist leicht rücklaufig, aber besonders in der Innenstadt bleibt die Unfallquote hoch. „Wir haben einfach eine sehr dicht bebaute Innenstadt und daher nur begrenzten Platz und viele Engpässe“, sagt Stadt-Sprecher Müllenberg.

Immerhin – die Stadt hat den Handlungsbedarf erkannt und versucht gegenzusteuern. Fußgängerzonen in der Innenstadt wurden für Fahrräder geöffnet, mehr als die Hälfte der 2.000 Kölner Einbahnstraßen dürfen nun auf dem Rad in beide Richtungen befahren werden. Vor Ampeln sind Warteflächen fur Fahrradfahrer markiert, um sie aus dem toten Winkel der Autos zu holen. Auch Stadtführungen mit dem Fahrrad bewirbt die Stadt. Die Touren des Unternehmens „Colonia Aktiv“ vermitteln Touristen und Einheimischen Wissen über Koln und zeigen, wie sich mit dem Fahrrad die eigene Freizeit gestalten lasst. Die Maßnahmen sind dringend nötig, denn Infrastruktur und besondere Angebote bestimmen, ob Köln für Freizeitradler attraktiv ist. Dabei sind die Grundvoraussetzungen der Stadt eigentlich gut: Radfahrer können sich am Rhein räumlich orientieren, der Fluss bietet zudem eine gute Atmosphäre. Die Grüngürtel als zusammenhangende Parksysteme sind als Entspannungsgebiete in der Millionenstadt ebenfalls attraktiv für Radfahrer. Auch weniger ambitionierte Freizeitradler können die meisten Strecken befahren, da das gesamte Stadtgebiet relativ flach ist. Rund um Nippes beispielsweise lassen sich auf einer 23 Kilometer langen, flachen und für Kinder geeigneten Tour der Zoo und die Flora, diverse Parks im inneren Grüngürtel sowie das linke Rheinufer bei Niehl mit dem Fahrrad erkunden – auf größtenteils autofreien Wegen. Eine Garantie für eine entspannte Radtour ist das in Köln jedoch nicht: Zu oft benutzen Fußgänger die Radwege mit, und ein Teil der Strecke führt auch an viel befahrenen Straßen entlang. Dort wird es dann unangenehm und gefährlich.

Besonders bei einer Radtour durch die Innenstadt lauft es sicher nicht so entspannt wie im Film. Aber daran lasst  sich arbeiten – und die Stadt bemüht sich.