Im Interview spricht Marco Michael Wanda, Sänger der Rock-Band Wanda, über seinen Drang zum Exzess und seine Lehrjahre in Berlin.
Marco Michael Wanda raucht sehr viel. Der Sänger der österreichischen Rock-Band Wanda („Bologna", „Columbo") ist gerade aus Wien gekommen, hat blendende Laune. In seinen Kaffee schüttet er sehr, sehr viel Zucker. Der 31-jährige Lebemann, der vielen als Retter des deutschsprachigen Rocks gilt, spielt mit seiner Band am 30. August im IFA-Sommergarten, ihr aktuelles Album „Niente" erschien Ende 2017. In einem Kreuzberger Hinterhof wollen wir über seine Zeit in Berlin, billigen Schnaps und die Suche nach dem Platz im Leben sprechen.
Berliner Morgenpost: Ich habe gelesen, Sie wollen ruhiger werden. Wie läuft's?Marco Michael Wanda: Ich schaff's eh nicht. Ich rauch' zu viel, ich sauf' zu viel. Wenn man das macht, ist man entweder total ruhig oder total drüber. Das würde ich gern irgendwann in den Griff kriegen. Aber das ist schwer, gerade durch diese Zweiteilung: Ein Leben in Wien, mit dem man kaum was anfangen kann, weil nach dem Zurückkommen das Ankommen sehr lange dauert nach so einer Tour. Und dieses bunte Showbusinesstheater auf der anderen Seite. Das macht mich nervös.
Hatten Sie nicht genug Zeit, sich vorzubereiten? Sie haben mal gesagt, schon mit zwölf war Ihnen klar, dass Sie ein Star werden.Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich glaube, ich wollte damit mehr sagen, dass ich keine Wahl hatte. Ohne das Showbusiness wäre aus mir nichts geworden. Kein funktionierender Mensch. Ich hätte diese Gesellschaft nicht bereichert. So hatte ich mir das aber immer vorgestellt: Man wird geboren, ein Geschenk, und findet dann seinen Platz in der Gesellschaft. Die Musik ermöglicht mir das.
Warum finden wir Deutschen Ihren Wiener Schmäh eigentlich so charmant?Ich weiß gar nicht, was die Deutschen sich darunter vorstellen. Ich selbst spür' nicht, dass ich einen sonderlichen Schmäh habe. Aber ich lasse das gern auf mich projizieren - und es verkauft ja auch prächtig Platten. Es ist nur gefährlich, wenn man so zum Dorftrottel wird.
Passiert Ihnen das?Man wird schon verniedlicht in Deutschland, wenn man aus Österreich kommt und Musik macht. Zu viel Schmäh funktioniert ja auch nicht. Die Deutschen wollen im Mittelpunkt ihrer Seele getroffen werden. Sie haben wahnsinnig viel Gefühl, dass sie gar nicht zeigen dürfen.
Und Sie helfen uns Deutschen, das zu zeigen?Wir tun, was wir können (lacht).
Ihr neues Album „Niente" ist tatsächlich ruhiger als die vorherigen Alben. Sie beschäftigen sich darin intensiv mit ihrer Kindheit. Musste das raus?Ich kam sehr lange zur Welt, wenn Sie so wollen. Ich musste sehr lange in diese Welt finden. Und je älter ich werde, desto mehr verliere ich wieder den Faden. Das ist wunderschön. So habe ich mir das Leben vorgestellt. Und so wurde auch die Musik auf dem Album romantischer, träumender, nebliger irgendwie.
Ein Kritiker schrieb, all das sei nicht weit entfernt vom österreichischen „Volksrocker" Andreas Gabalier.Dieser Journalist kann mich mal. Ich weiß schon, wo das hinwill. Ich soll mich politisch äußern, aber das tue ich nicht. Ich führe zusammen.
Wie soll das gehen, Menschen zusammenzuführen?Ich würd' mich freuen, wenn sich Menschen bekannt machen durch unsere Konzerte. Es gibt so viele Gräben, die sich durch die Gesellschaft ziehen und es wäre echt schön, wenn Musik wieder Brücken bauen könnte. So wie früher. Dafür leb' ich zum Teil. Ob's gelingt, das weiß ich nicht.
Es gab ja immer die Kritik, dass Ihre Musik recht einfach ist - so zum Mitgrölen.Für mich ist das erst mal ein Kompliment, wenn Musik als einfach bezeichnet wird. Wenn man übersieht, wie kompliziert sie ist. Ein gutes Lied ist immer kompliziert, nur an der Oberfläche einfach und würdevoll und verständlich. Was nützt etwas, das niemand versteht? Dann kann ich gleich in den Wald ziehen und Lederhosen machen oder so. Und den ganzen Tag kiffen.
Was haben Sie für ein Verhältnis zu Berlin?Kaum eins. Ich habe mal in Alt-Moabit gewohnt. Ein Jahr lang. 2008 oder 2009. Damals waren die Schnäpse irrsinnig billig. So 40 Cent. Das war eine schöne Zeit. Damals habe ich mit einem Olaf zwölf Monate lang jeden Tag gesoffen. Der hat immer dieselbe Geschichte erzählt: Oh, meine Wohnung, hat er gesagt, sie haben gerade meine Wohnung ausgeräumt. Hast du noch 40 Cent für einen Schnaps (lacht)? Irgendwann ist er verschwunden. Ich habe ihn zufällig Jahre später wieder getroffen, und was glauben Sie, was erzählt er mir? Sie haben ihm gerade seine Wohnung ausgeräumt.
Was haben Sie sonst gemacht, außer mit einem Olaf Schnaps zu trinken?Gedichte habe ich geschrieben. Schlechte Gedichte, furchtbare Gedichte.
Und deshalb mussten Sie zurück in ihre Heimat - nach Wien?Wien hat einfach mehr mein Tempo, mein Lebensgefühl.
Was lieben Sie an der Stadt?Genauso viel wie ich hasse wahrscheinlich. Ein tschechischer Schriftsteller hat gesagt: Am schönsten ist Wien, wenn man zurückkommt. Bedeutet aber, dass man abhauen muss. Abhauen find' ich super. Man führt ein angenehmes Doppelleben. Dadurch fällt irrsinnig viel Verantwortung weg.
Wäsche waschen oder so ein Zeug. Dinge im Alltag, die schwer fallen.
Wie ist das, in Berlin aufzutreten? Viele Künstler sagen ja, das Publikum wäre immer ein bisschen zu cool.Hab' ich nie so empfunden. Wir haben hier so viel erlebt. Ganz am Anfang haben wir im Badehaus Szimpla gespielt. Dreimal ausverkauft, nur so hundert Leute. Und dann ging's in die Columbiahalle und du spielst vor dreieinhalbtausend.
Sie treten am 30. August zusammen mit dem Sänger Olli Schulz auf, der hat ein ähnliches Lebemann-Image wie Sie. Kennen Sie sich?Ja, wir waren aber irgendwie zu besoffen. Da ist wenig in Erinnerung geblieben, außer dass er ein sehr angenehmer Mensch ist. Wir haben uns wohl irgendwie angelallt und es sind Flaschen umgekippt.
Irgendwo hinter einer Bühne. Liam Gallagher war auch da. Alle waren erbärmlich besoffen. Und viel zu alt dafür.
Sie sind 31 - da geht's grad' noch.Grad' noch. Da sollte sich Liam Gallagher mehr Gedanken machen. Der war aber eh der Nüchternste.
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