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Die Zigarre ist nicht nur ein Männerspielzeug

Der Qualm kräuselt sich um ihre dunklen, ausufernden Locken, die Perlenkette ist farblich mit dem weißen Deckblatt ihrer Zigarre abgestimmt. Und ihre Zigarre wiederum hält Maria-Pia Selva eigentlich immer in der Hand, ob sie gerade einen Preis entgegennimmt, eine flammende Rede hält oder mit den Menschengruppen diskutiert, die sich stets um sie scharen.

Die Dame ist eine echte Rarität. Die Pariserin mit den honduranischen Wurzeln ist weltweit die einzige Frau, die Zigarren produziert. Und sie hat es im Alleingang geschafft, Honduras zu einem Herkunftsland feinster Zigarren zu machen.

Maria-Pia Selva ist besser bekannt als Maya Selva. Die Zigarre, die sie herstellt, heißt "Flor de Selva" ("flor" bedeutet auf Deutsch "Blüte" und "selva" "Wald"). Kenner mögen sie wegen ihres fruchtig-holzigen Geschmacks, weil sie elegant ist und zu nahezu allem passt. Sie ist die Zigarre der Wahl, wenn eine kubanische ausgeschlossen ist, weil man noch etwas von seinem Drink schmecken will, man es aber gern ein wenig würziger hätte als bei einer Zigarre aus der Dominikanischen Republik. Dann empfiehlt sich eine "Honduranerin".

Nicht nur ein Männerspielzeug

Maya Selvas Karriere als Raucherin begann zunächst mit der Pfeife. Sie mochte den Geruch von Tabak und fand, dass das Gerät an ihr schick aussah. Ihre erste Zigarre kostete sie mit sechzehn Jahren, hoch über dem Atlantik im Flugzeug - heute kaum mehr vorstellbar. Als sie ein paar Jahre später zum Studium nach Paris ging, lernte sie den vertrauten Geruch schätzen. Er erinnerte sie an ihren Großvater, der seine Zigarren aus selbst angebautem Tabak drehte.

Doch auch in Paris, einst Heimat der kettenrauchenden Existenzialisten beiderlei Geschlechts, ist die Zigarre ein Männerspielzeug. "Als Frau ist das Zigarrerauchen immer noch etwas, das man alleine nicht tun kann - weder in einem Café noch anderswo in der Öffentlichkeit", sagt Selva. "Außer natürlich, man möchte angesprochen werden und Menschen kennenlernen. Dafür ist es perfekt."

Auf das Legen und Drehen kommt es an

Die französische Hauptstadt bot der jungen, studierten Frau viel mehr Möglichkeiten als ihre Heimat Honduras. Zudem verliebte sie sich in einen Franzosen - ihren heutigen Mann. Sie beschloss, zu bleiben. Bei einem Abendessen im Jahr 1991 lernte sie einen Zigarren-Aficionado kennen, der sie mit seinem Wissen beeindruckte. Das war die Initialzündung. Selva entschied, sich auf den Weg nach Honduras zu machen, um alles über handgerollte Zigarren zu lernen. Immerhin ist das Land der weltweit zweitgrößte Hersteller. In der Tabakstadt Danlí, passenderweise gelegen in der Provinz Paraíso, lernte sie, wie die viel gepriesene Aromenvielfalt zustande kommt.

Die Herstellung einer Zigarre ist ein ungleich komplexerer Prozess als der einer Zigarette. Von der harten Ernte auf dem Feld über die Auswahl der Blätter bis hin zum Rollen sind insgesamt hundert Schritte bis zum fertigen Genussmittel nötig, die meisten davon in Handarbeit. Am anspruchsvollsten findet Maya Selva dabei die Selektion der Tabakblätter. "Das ist wie beim Kochen: Für ein exzellentes Mahl müssen deine Zutaten von bester Qualität sein." Aber auch die "Zubereitung" sei wichtig: "Blätter, die falsch gelegt oder gedreht werden, sind für die Zigarre eine regelrechte Katastrophe!"

Der passende Wein zur Zigarre

Was sie in ihrer Lehrzeit nicht bewältigen musste, waren Vorurteile und Geschlechterklischees, denn in Lateinamerika sind rauchende Frauen Standard. Nicht umsonst zählt die zahnlose Alte im farbenfrohen Kleid am Stumpen saugend zu den beliebtesten Fotomotiven aus Havanna. Auch in anderen Ländern greifen die Damen nicht etwa zu Kleinformaten, sondern zu Sorten wie Robusto oder Churchill. Je größer, desto weiblicher. Aus welchem Grund also sollte das Rauchen auch in Europa Männern vorbehalten sein? Da klingt sie wie einer Politikerin auf einer Mission: "Ich bin absolut gegen einen exklusiven Zugang zu irgendeinem Genussmittel."

Foto: Maya Selva Cigars

Besonders interessiert sie die Paarung der Genüsse. Sie experimentiert mit frischen Nahrungsmitteln, mit Wein und Spirituosen. Was beim Essen Standard ist, will Selva für ihr Feld etablieren: der passende Wein zur Zigarre, um ein gutes Abendessen ausklingen zulassen. Mitunter wählt sie auch einen Single Malt oder Bas-Armagnac. Oder die Zigarre zum Sorbet. "Alles ist erlaubt! Die naheliegendste Kombination aber ist dunkler Rum und Zigarre."

Neben den Produkten von Maya Selva gibt es genau eine andere namhafte, von Frauen konzipierte Zigarre: die "Tres Reynas". Hinter den "Drei Königinnen" stehen Janny García Don Pepin und die Schwestern Patricia und Raquel Quesada. Sie entstammen zwei großen Zigarren-Dynastien. Aber sie produzieren nicht selbst, ihre nicaraguanische Tabakmischung lassen sie in den folgerichtig "My Father" benannten Manufakturen herstellen.

320 Tage im Jahr unterwegs

Auch wenn Maya Selvas Liebe zum Tabak durch ihren Großvater geweckt wurde, ihr Weg zur eigenen Zigarren-Firma war nicht familiär vorgezeichnet. Dafür hatte sie eine Reihe von Helfern. Nestor Plasencia, der wohl größte Zigarrenhersteller Mittelamerikas, den sie ihren Mentor nennt, den Plantagenbesitzer Andrés Diaz, der sie den Prozess der Fermentation lehrte, und schließlich den Tabakmeister Máximo Trujillo, der ihr die unendlichen Möglichkeiten des Verschneidens verschiedener Tabaksorten beibrachte. Mit ihm arbeitet Maya bis heute. Nach der Gründung ihres Unternehmens im Jahr 1995 ließen die ersten Auszeichnungen nicht lange auf sich warten. Während der Streit anhält, ob nun Kuba oder die Dominikanische Republik Weltmarktführer in der Zigarrenindustrie sei, erreicht sie in den Blindverkostungen des "Cigar Journal", für ihre Kollektionen nicht selten 95 von 100 möglichen Punkten. "Schöne Zartbitter- und Röstaromen, süße Creme und geröstetes Holz", heißt es in den Bewertungen.

Nach nur wenigen Jahren wurde die "Flor de Selva" zur wichtigsten aus Honduras stammenden "Puro" in Frankreich. Puros, das sind Zigarren, deren Tabak aus nur einem Herkunftsland stammt. Von Frankreich aus eroberte Selva mit ihrem hondurianischen Tabak den europäischen Markt - und von dort aus den amerikanischen. Jedes Jahr produziert sie mehr als zwei Millionen Puros, ihr Unternehmen wird mit rund 60 Millionen Dollar bewertet. Dafür ist sie 320 Tage im Jahr unterwegs, auf Plantagen, in der Fabrik, auf Tabakmessen. Maya Selva delegiert so wenig wie möglich. Und sie ist die beste Werbung für ihr eigenes Produkt. Über den Geschmack von Zigarren kann man nächtelang streiten, aber keiner raucht schöner als sie.

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