Julian Weber

Freier Journalist, Heidelberg

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Ein ehrenamtlicher Shuttle-Service namens Bürgerbus

Wer auf dem Land oder in Kleinstädten auf den Nahverkehr angewiesen ist, guckt häufig in die Röhre. Damit vor allem ältere Menschen dennoch mobil sind, setzen sich mancherorts Ehrenamtliche hinters Steuer von Bussen.

Von Julian Weber, dpa

Stuttgart/Ebersbach an der Fils - Mit großen Einkaufstaschen unter dem Arm steigen Erika Gräf (73) und Rosina Hüttler (74) in den Bürgerbus ein. Für sie ist der umgebaute Kastenwagen die einzige Möglichkeit, in der Stadt Ebersbach (Kreis Göppingen) noch mobil zu sein. Arztbesuche, Einkaufen oder sich mit Freunden treffen - die beiden Seniorinnen sind sich einig: «Ohne den Bürgerbus wäre das nicht möglich.» Der Bürgerbus ist eine Art ehrenamtlicher Shuttle-Service auf dem Land - dort also, wo reguläre Busse nicht allzu häufig fahren. Vor allem alte Menschen nehmen dieses Angebot von unbezahlten Helfern mit Handkuss an.

Aber nicht nur Senioren fahren mit dem Bürgerbus - auch Schüler und Pendler nutzen das Angebot des Vereins «Eberbus», einem Wortspiel aus Ebersbach und Bürgerbus. Vereinschef Horst Wehinger ist sichtlich stolz, er schwärmt von der «besten Einrichtung in Ebersbach». Vor dem Start des Projekts 2006 gab es keinen innerstädtischen Busverkehr, mittlerweile befördert der Verein ungefähr 15 000 Fahrgäste pro Jahr. Statistisch gesehen fährt also jeder der 15 000 Einwohner von Ebersbach einmal im Jahr mit dem Bürgerbus.

Landesweit liegt die Zahl der beförderten Personen etwa bei 250 000 Menschen pro Jahr. «Die Bürgerbusse sind ein großes Erfolgsprojekt. Baden-Württemberg hat in den vergangenen Jahren massiv aufgeholt, mittlerweile gibt es 30 Vereine», sagte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Freitag in Stuttgart. Auch in Zukunft solle das alternative Verkehrskonzept weiter ausgebaut werden. Um den Vereinen eine Starthilfe zu geben, veröffentlicht sein Ministerium nun einen Leitfaden für Bürgerbus-Projekte. Das Papier soll für Bürger und Gemeinden eine Hilfestellung sein, wie ein solches Projekt am besten zu meistern ist. «Den Anspruch der Mobilitätsgarantie im ländlichen Regionen schaffen wir nur mit Bürgerbussen», sagte er.

Das Prinzip ist immer das Gleiche. Ehrenamtliche übernehmen den Posten des Busfahrers und bieten für ihre Stadt einen Fahrdienst an. Laut Sascha Binder (MdL, SPD) vom Verein pro Bürgerbus gibt es über 800 ehrenamtliche Fahrer im Ländle. Die Voraussetzung für die Bürgerbusfahrer, unter denen oft auch Rentner sind: ein Führerschein der Klasse B und ein Personenbeförderungsschein. Für Letzteres muss man seine Fitness und Belastbarkeit unter Beweis stellen.

Bürgerbusse sind keine Ruftaxis, die nur auf Nachfrage aktiv werden. Die Busse haben wie ihre großen Kollegen einen Fahrplan und eine feste Route. Der Eberbus fährt einmal pro Stunde, das Liniennetz orientiert sich an den wichtigsten Punkten in der Stadt. Neben Supermärkten liegen auch Arztpraxen oder die Post auf dem Weg. Wie bei anderen Bürgerbus-Projekten ist ein zum behindertengerechten Fahrzeug mit niedrigem Einstieg umgerüsteter Kleinbus im Einsatz, der für maximal acht Fahrgäste ausgelegt ist. Das Problem: Die sogenannten Niederflurbusse sind Sonderanfertigungen, das Fahrzeug in Ebersbach kostete ungefähr 105 000 Euro.

Seit 2014 stellt das Land Baden-Württemberg jährlich 100 000 Euro für neue Bürgerbus-Projekte bereit. Neufahrzeuge werden mit 22 500 Euro unterstützt. Vereinschef Horst Wehinger ist davon nur mäßig angetan. «Das ist viel weniger als in anderen Bundesländern», moniert er. Sascha Binder erklärt die Förderung so: «In der Regel gehen die Kommunen in Vorleistung und finanzieren den ersten Bus. Nach acht Jahren ist er durch Erlöse aus Werbung und Fahrkarten finanziert.»

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