"Dieses Krankenhaus ist ein Drecksloch," schimpft Machai Maime über das Queen II Hospital, die größte Klinik Lesothos. Der 30-Jährige weiß, wovon er spricht, sein ganzes Leben hat er in dem Land verbracht. "Einmal hatten meine Freunde und ich einen Autounfall," erzählt Maime, "zwei meiner Kumpels waren verletzt. Doch als wir in die Notaufnahme in Maseru kamen, war dort niemand, der sich um uns kümmerte. Erst nach einer Stunde fanden wir Hilfe."
Lesotho ist mit der Fläche Belgiens und zwei Millionen Einwohnern eines der kleinsten Länder Afrikas. Schon auf der Landkarte wird das winzige Königreich leicht übersehen, weil es vollkommen vom großen Nachbarn Südafrika umschlossen ist. Die parlamentarische Monarchie gilt politisch als relativ stabil, aus wirtschaftlicher Sicht jedoch ist Lesotho am Ende. Besonders das Gesundheitssystem des Landes ist in einem erbärmlichen Zustand: Noch weniger Equipment, noch weniger Hygiene und noch weniger Personal als anderswo. Wer es sich leisten kann, geht ins Nachbarland, um sich dort behandeln zu lassen. Zwar ist Malaria wegen der Höhenlage kein großes Problem, umso heftiger dagegen wütet Aids. Während zum Beispiel in Mosambik jeder Zehnte infiziert ist, lebt in Lesotho ein Drittel der Bevölkerung mit HIV. Damit erreicht das Land eine tragische Spitzenplatzierung in der Welt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt in Lesotho bei 34 Jahren.
Es gibt wenige, die große Hoffnungen auf das Land setzten, Godfrey Marange aber ist zuversichtlich. "Die Grundlagen für Wohlstand sind ein stabiles politisches Umfeld, eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung und ein funktionierendes Gesundheitssystem," sagt Marange. "Nur der letzte Punkt ist in Lesotho nicht gegeben." Der 51-jährige Simbabwer, der in Harare BWL und schließlich in Bochum Ingenieurswesen studiert hat, arbeitet als Berater beim bayrischen Unternehmen MMM (Münchner Medizin Mechanik), das gemeinsam mit der katholischen Kirche Lesothos moderne Krankenhäuser ins Land bringen will.
MMM hat sein Geld bislang vor allem als Hersteller von Desinfektionsapparaten verdient, neuerdings versteht sich das Unternehmen jedoch auch als "Systemanbieter im Krankenhausbereich". Für Lesotho hieße das System: günstige Kliniken nach dem Baukastenprinzip, ohne teure Ziegelsteine und Zement. So sollen die Todesraten sinken und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. "Durch die Modernisierung der Hospitale werden die Arbeitsbedingungen wieder so attraktiv, dass auch das Personal in Lesotho bleibt," sagt Peter Mäsgen, der das Projekt bei MMM verantwortet. Ein "positiver Dominoeffekt" soll in Gang gesetzt werden. Die katholische Kirche, die eines Tages die Trägerschaft der Krankenhäuser übernehmen soll, ist eher durch Zufall dazu gestoßen –Mäsgen ist auch beim bischöflichen Hilfswerk Misereor tätig.
Die Regierung Lesothos zeigt sich durchaus aufgeschlossen. "In der Tat könnten sanierte Krankenhäuser die Lebensverhältnisse in Lesotho deutlich verbessern", sagt Makase Nyaphisi, Lesothos Botschafter in Deutschland.
Fragt sich nur, wer das alles bezahlen soll. "Das Projekt steht momentan auf Messers Schneide," sagt Mäsgen. "Regierung und Kirche finden noch keinen gemeinsamen Nenner." Vier Krankenhäuser sollen zu Anfang gebaut werden, und wie viel der Bau dieser Kliniken letztlich kosten wird, soll eine Machbarkeitsstudie zeigen. Aber schon hier hapert es, denn die Studie schlägt mit fünf Millionen Euro zu Buche. Zwar hat sich MMM bereit erklärt, Dreiviertel der Kosten zu übernehmen, die katholische Kirche in Lesotho jedoch ist chronisch pleite. Sogar im Vatikan hat man schon um eine Finanzspritze gebettelt. Die Regierung sieht indes nicht ein, dass sie die Kosten der Studie übernehmen soll, schließlich müsste sie später bereits den Bau bezuschussen und die gesamten Aufwendungen für Personal und Instandhaltung tragen. Außerdem fürchtet der Staat, dass ihm Befangenheit vorgeworfen wird, wenn er ein ausschließlich katholisches Projekt subventioniert. Etwa neunzig Prozent der Basotho sind zwar Christen, aber davon ist nur die Hälfte katholisch. "Die Realisierungschancen würden steigen, wenn alle Kirchen in Lesotho an einem Strang zögen," sagt Botschafter Nyaphisi.
Es könnte noch lange dauern, bis die erste sanierte Klinik in Lesotho steht. Machai Maime jedenfalls ist am Ende seiner Geduld. Noch arbeitet er in Lesotho für die amerikanische Nichtregierungsorganisation PSI, die sich um HIV-Prävention bemüht, doch im Geiste ist er längst fort. "Ich liebe mein Land," sagt er, "aber wenn sich die Chance ergibt, werde ich nach Südafrika gehen."