Mal wieder eine Serie aus dem Hofstaat der Monarchie: Die Sky-Produktion „Catherine the Great“ ist perfekt inszeniertes Historiendrama mit einer preisverdächtigen Helen Mirren – und trotzdem stellt sich die Frage nach einem bedenklichen Geschichtsbild solcher Serien.
Sie wurde als Sexmonster bezeichnet, als Nymphomanin oder liebestolle Frau: Katharina die Große ist für ihre erotischen Abenteuer heute mindestens genauso bekannt wie für ihr politisches Kalkül.
34 Jahre regierte sie im 18. Jahrhundert als Zarin das russische Reich, war die mächtigste Frau der Welt und die einzige, die den Beiname "Die Große" erhielt. Und ja, sie hatte eben auch den ein oder anderen Liebhaber: "She eats men alive."
Die Serie "Catherine the Great" greift diesen historisch-amourösen Stoff auf. Nach dem Staatsstreich gegen ihren Mann, Peter III., den sie verabscheute, hat die Zarin mit Aufständischen zu kämpfen und tritt für liberale Reformen und Sozialprojekte ein. Das spielt in der Serie aber nur am Rande eine Rolle.
Familien- und Liebesleben statt großer Weltpolitik
Stattdessen steht Katharinas Affäre mit Fürst Potjomkin und das problematisches Verhältnis zu ihrem Sohn im Mittelpunkt. Familien- und Liebesleben statt großer Weltpolitik. Immer wieder fühlt man sich wie in einem Roman von Jane Austen.
Das ist insofern klug kalkuliert, als dass die Live-Übertragung der Hochzeit von William und Kate natürlich auch viel höhere Einschaltquoten erzielt als die wöchentlichen Folgen "ZDFhistory".
Dazu versammelt die Serie die Creme de la Creme des aufwendigen Historienkinos: Drehbuchautor Nigel Williams, der mit seiner Serie über Elizabeth I. für einen Emmy nominiert war. Regisseur Philip Martin, der mit " The Crown" über Elisabeth II. gleich für mehrere Emmys nominiert war. Sowie allen voran Schauspielerin Helen Mirren, die sowohl Elisabeth I. als auch die II. schon in diversen Verfilmungen meisterlich mimte und dafür einen Emmy und einen Oscar gewonnen hat. Was soll man zu dieser Königsfamilie noch sagen...
Mirren mehr als preisverdächtig... als: Wieder legt Williams ein hervorragendes Drehbuch mit einer Geschichte zwischen historisch-politischen Fakten, royalem Klatsch und zwischenmenschlichen Intrigen hin; wieder gelingt Martin eine so klassische wie zeitgemäße Veranschaulichung der historischen Schauplätze und höfischen Bräuche; und wieder zeigt Mirren eine schauspielerische Leistung, die für alle internationalen Awards mehr als preisverdächtig sein dürfte. Chapeau! Oder besser gesagt, Shlyapa, wir sind ja in Russland ... soviel ist dann doch neu.
Wobei das in den prunkvollen Zimmern der Schlösser und auf den wohlgepflegten Pfaden der Hofgärten keinen großen Unterschied macht. Und hier kommen wir dann doch noch zu einer interessanten Frage: Was ist zu halten von einem Geschichtsbild, das - wie in vielen Historienserien ("Borgia", "Reign", "Versailles", "Downtown Abbey") - fast ausschließlich aus der Sicht der Mächtigen, Reichen und Schönen erzählt wird.
All diese Produktionen - mal besser, mal schlechter, hier ohne Frage hervorragend gemacht - geben nur einen minimalen und zudem sehr weltfremden, privilegierten Ausschnitt der Gesellschaft wieder, der in St. Petersburg fast genauso aussieht wie in London und auch ganz ähnlich funktioniert. Ein Weltbild wie aus einem Klatsch-Magazin, in dem es nur darum geht, wer das schönste Kleid trägt, wer das meiste Geld hat oder wer mit wem im Bett war.
Eskapistische Stunden für das PublikumDas mag dem Publikum ein paar eskapistische Stunden verschaffen, indem man von der Couch ins Traumschloss entführt wird, aber das ist eben nicht repräsentativ. Und: Nach einigen Folgen doch relativ eintönig und uninteressant, zumal diese Serien ja immer das Gleiche machen. Man lernt kaum etwas Neues, man sieht kaum etwas Überraschendes und hört wenig Spezifisches - stattdessen dreht man sich immer wieder in den gleichkreisenden Tanzschritten durch die kaiserliche Maskerade mit machthungrigen Emporkömmlingen, intriganten Fürsten, wunderlichen Hofnarren und promiskuitiven Burgfräulein.
Hier ist es eben die Zarin selbst, die nach Sex giert - und, auch wenn die Serie versucht, sie als liberale, selbstbestimmte, starke Frau zu zeigen, bleibt sie letztlich doch irgendwie fremdbestimmt durch ihren Liebhaber, den kultivierten, gewitzten Fürst Potjomkin, der auch nicht davor zurückschreckt, Katharina vor der versammelten Hofelite bloßzustellen. Die feministische Fackel verglüht.
Die Serie in Machart und Cast herausragend, im Geschichtsbild bedenklich. Das Fazit also zwiespältig. Wirklich majestätisch ist, wer trotzdem lacht.
Die Serie "Catherine the Great", ab Donnerstag (24.10.) abrufbar bei "SkyGo" und ab nächster Woche Montag (28.10.) um 20.15 Uhr auf "SkyAtlantic HD".
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