Agnes Felker mustert den Bildschirm und runzelt die Stirn. „Er spinnt doch schon wieder", sagt die Fünfundsiebzigjährige. „Warum ist das Wort plötzlich verschwunden?" Mit „er" meint sie den Laptop, der vor ihr auf dem Tisch steht. Lia Heine schaut auf den matt leuchtenden Bildschirm, lächelt und sagt: „Sie haben das Wort ausgeschnitten, Frau Felker, ist schon alles richtig. Das war die Aufgabe." Agnes Felker atmet tief durch und nickt. An die Technik gewöhnt sich die Dame mit den kurzen roten Haaren und dem lilafarbenen Strickpullover nur allmählich. Aber deshalb ist sie ja hier.
Mit sechs anderen, alle zwischen 60 und 80 Jahre alt, ist Agnes Felker an diesem Tag ins Mehrgenerationenhaus „Pusteblume" in Halle an der Saale gekommen. Der Aushang an der Tür kündigt einen wöchentlich stattfindenden Handarbeitskurs und ein Seminar an, in dem man, so heißt es, in die Kunst der Glasbläserei eingeführt werde.
Doch an diesem Nachmittag werden in dem Raum weder Decken gehäkelt noch Glasdekoration geformt. Statt Nadeln und Garn haben die sieben Senioren, die an dem Quadrat aus niedrigen Holztischen sitzen, Laptops und Notizblöcke vor sich ausgebreitet und lassen sich von Lia Heine zeigen, wie man mit digitaler Technik umgeht und sich im Internet sicher bewegt. Die Achtzehnjährige ist eine von 30 Freiwilligen in Sachsen-Anhalt, die gerade ihr „Freiwilliges Soziales Jahr digital" absolvieren. In dem Pilotprojekt des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) bringen sie älteren Menschen zweimal pro Monat eine fremde Welt näher, die des Computers und des Internets.
Nicht den Anschluss verlierenThema heute: das Schreibprogramm Word. Agnes Felker lächelt. Das kennt sie schon. Neuland ist der Computer für sie nicht. Wörter wie „Smartphone" und „Browser" kommen ihr leicht über die Lippen, auch mit Suchmaschinen kann sie umgehen: „Das ist ganz praktisch, wenn ich bei Kreuzworträtseln nicht weiterkomme." Aber ausruhen will sich Felker auf ihrem Wissen nicht: „Das meiste funktioniert doch heute - wie sagt man?" Die Seniorin hält kurz inne, überlegt und hebt dann ihre Laptopmaus hoch: „Ja, digital eben, also per Mausklick. Wir Alten dürfen doch da nicht den Anschluss verlieren und müssen Schritt halten - es zumindest versuchen."
Medienkompetenz werde auch für Senioren wichtiger, sagt Katja Hartge-Kanning, die das „FSJ digital" beim DRK Landesverband Sachsen-Anhalt koordiniert. Damit meint sie mehr als Freizeit- und Kochtipps, die sich online abrufen lassen, und Lebensmittel und Medikamente, die im Internet bestellen kann, wer nicht mehr gut zu Fuß ist: „Wenn in vielen Altenheimen das Mittagessen nicht mehr bei der Pflegerin, sondern via Tablet bestellt wird, dann wird deutlich, dass für Senioren gesellschaftliche Teilhabe mittlerweile an digitale Kenntnisse gekoppelt ist."
Doch viele ältere Menschen meiden die digitale Welt. Sie trauten es sich oft nicht zu, im hohen Alter noch etwas Neues zu lernen, sagt Kursleiterin Lia Heine. Manche fürchteten sich auch davor, mit einem Klick etwas kaputt zu machen oder sich einen Virus herunterzuladen. Auch im Kurs werde das oftmals deutlich. „Da sorgt teilweise schon eine sich plötzlich öffnende Update-Meldung für Panikreaktionen." Groß ist auch die Sorge, Online-Betrügern aufzusitzen oder versehentlich persönliche Daten preiszugeben. „Wie schnell man da über den Tisch gezogen wird, sieht man ja immer in den Medien," sagt Agnes Felker. Online-Einkäufe kämen für sie deshalb nicht infrage. „Was da alles passieren könnte, darüber will ich lieber nicht nachdenken."
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