Julian Dorn

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Lucke-Partei Alfa: „Es wird nur eine Partei überleben"

Voller Stolz hat Bernd Lucke vor etwa 70 AfD-Abtrünnigen auf dem Kasseler Gründungsparteitag am Sonntag eine neue Partei ins Leben gerufen. „Alfa ist eine Wiedergeburt der ursprünglichen AfD, so wie sie 2013 gegründet wurde", verkündete der im Machtkampf gegen seine Rivalin Frauke Petry unterlegene frühere AfD-Parteichef. Doch ist diese „Wiedergeburt" tatsächlich dauerhaft überlebensfähig, kann sie neben der bereits bestehenden AfD existieren? Oder wird eine von beiden Parteien untergehen?

Der Politologe und Parteienforscher Tim Spier von der Universität Siegen ist überzeugt, dass sich nur eine der beiden Parteien etablieren wird. Allerdings sei im Augenblick noch nicht absehbar, welche in der deutschen Parteienlandschaft dauerhaft vertreten sein werde. Die AfD habe aber augenblicklich die besseren Aussichten: „Sie kann von einem großen Wählerpotential am rechten Rand profitieren. Gerade die aktuelle Flüchtlingsdebatte treibt rechtspopulistischen Parteien wie der AfD viele Anhänger in die Arme." Rechtskonservative hätten im Augenblick in Umfragen wenig Schwierigkeiten, auf fünf Prozent zu kommen - Tendenz steigend. Dieser Zulauf könnte der AfD also durchaus nutzen und ihren Platz im Parteienspektrum festigen. „Es kommt jetzt nur darauf an, ob die Partei in der Lage ist, dieses Potential auszuschöpfen, um die rechtskonservativen Wähler zu mobilisieren und dauerhaft zu binden." Dabei dürfte ihr jedoch die noch radikalere NPD in die Quere kommen, schränkt Spier ein.

Woher die Wähler der neugegründeten Alfa stammen sollen, ist sogar Partei-Chef Lucke bislang noch nicht ganz klar. Die im Magenta-Design wiederauferstandene FDP befindet sich gerade im Aufwind und dürfte der neuen Lucke-Partei Alfa Stimmen im liberalen Lager streitig machen. In der Parteienforschung heißt es, dass sie womöglich die Lücke rechts von der CDU/CSU schließen könne, wenn sie sich gesellschaftspolitisch breit aufstelle. Gleichzeitig könne sie auch auf enttäuschte Wähler aus allen Lagern zwischen Linken und CDU hoffen.

Lucke und Petry fehlt das „Volkstribunhafte"

Welche Partei sich letztlich als zukunftsfähig erweisen wird, ist auch maßgeblich von dem Charakter ihrer Führungspersönlichkeiten abhängig, sagt Spier. „Beiden fehlt das Volkstribunhafte, das Populistische." Bernd Lucke wollte die Rolle des Agitators auch nie bewusst einnehmen, „er ist eher der hemdsärmelige Professor". Auch der frischgebackenen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry fehle noch das „populistische Profil". Erfolgreiche Frauen an der Spitze rechter Parteien seien zwar mittlerweile keine Seltenheit mehr, schaue man etwa auf die Dänische Volkspartei: Deren Mitbegründerin und ehemalige Parteivorsitzende Pia Kjaersgaard hat bereits ihr Talent zur Polarisierung eindrucksvoll offenbart. Auch in Frankreich floriert der Front National unter der Führung von Marine Le Pen. Allerdings müsse Petry diese Fähigkeit zur Agitation und Spaltung, die auch für den Fortbestand der AfD fundamental sein dürfte, noch ausbilden.

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Bei den anderen Parteien blieb die Neugründung Luckes indes nicht unbeachtet, rasch folgten erste Reaktionen: Ohne mit der Wimper zu zucken, schlossen die etablierten Parteien eine Zusammenarbeit mit Lucke und Petry kategorisch aus und positionierten sich dazu unmissverständlich. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner fand klare Worte: „Für demokratische Parteien können solche Rechtspopulisten und Wirrköpfe niemals Partner sein", sagte er dem "Handelsblatt". Der Grünen-Innenpolitiker Volker Beck warnte in der Zeitung allerdings davor, die neue Partei zu unterschätzen. Die demokratischen Parteien müssten diese „Ressentiment-Partei-Projekte ernst nehmen" und den Kampf für Demokratie, Rechtsstaat und Menschenwürde verstärken. „Sie müssen jeden Tag im Netz, am Stammtisch und auf der Straße verteidigt werden."

Der Politikwissenschaftler Spier warnt die etablierten Parteien jedoch davor, den Newcomern zu große Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und plädiert dafür, die weiteren Entwicklungen, auch mit Blick auf kommende Wahlergebnisse, erst einmal in Ruhe zu beobachten. „Es hilft wenig, wenn man beide Parteien zusätzlich ins Rampenlicht rückt, indem man Phantomdebatten über das Verhalten ihnen gegenüber führt." Prinzipiell gebe es für die Großparteien aber zwei Strategien, wie man mit AfD und ihren Abtrünnigen umgehen könne. Entweder man ignoriere und dämonisiere sie wie bisher, „oder man nimmt sie, falls sich die Situation ergeben sollte, gezielt in die Regierungsverantwortung, um sie sukzessive zu entzaubern."

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