Julian Budjan

Freier Journalist, Düsseldorf

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Artikel

In "barbarischer Umgebung"

Drei ehemalige Jugendspieler des FC Chelsea werfen ihren früheren Trainern Rassismus vor, abscheuliche Beleidigungen und Gewalt. Nun erhalten sie öffentlich Unterstützung.

Sie klingen ungeheuerlich, die Anschuldigungen dreier ehemaliger Jugendspieler des FC Chelsea gegenüber ihrem ehemaligen Arbeitgeber, die zwei frühere Jugendtrainer betreffen und die der englische Guardian dieser Tage veröffentlicht hat. Man könnte meinen, sie stammen aus einer längst vergangenen Zeit. Dabei sollen sich die beschriebenen Vorfälle erst vor rund 20 Jahren ereignet haben. Bei einem der namhaftesten englischen Spitzenklubs.

Die drei Spieler bekannten, dass während ihrer Zeit in der Akademie der Blues dunkelhäutige Spieler über Jahre hinweg Opfer rassistischer Beschimpfungen und Erniedrigungen, bis hin zu körperlichen Angriffen durch die Trainer Graham Rix, 60, und Gwyn Williams, 68, geworden sein sollen. Die Spieler haben vor mehreren Monaten Rechtsansprüche geltend gemacht, wie nun bekannt wurde. Die Polizei nahm sich zwischenzeitlich des Falls an, stellte die Ermittlungen wegen "unzureichender Beweise" aber wieder ein. Auch der FC Chelsea und die englische Football Association (FA) ermitteln derzeit. In einer Aussage der Spieler gegenüber dem englischen Verband, die auch dem Guardian vorliegt, ist von einer "barbarischen Umgebung" für dunkelhäutige Spieler die Rede. Sie seien "wie eine Hunderasse" behandelt worden.

Es bleibt nicht bei bloßen Anfeindungen

Weiter nennen sie im Detail sämtliche erdenkliche herabwürdigende Begriffe für Menschen dunkler Hautfarbe, die im angelsächsischen Sprachgebrauch existieren und durch Rix und Williams gegenüber ihren Spielern tagtäglich gefallen sein sollen. Auch bedienten sich die beiden angeblich regelmäßig rassistischer Ressentiments. "Verpiss dich zurück nach Afrika und verkaufe Drogen oder raube alte Omas aus", soll Williams zu einem der Spieler gesagt haben, "heb deine Lippe auf, sie schleift auf dem Boden." Nach einem Jugendspiel in Spanien, als Rix mit der Leistung eines Spielers nicht zufrieden war, soll er gesagt haben: "Wenn sein Herz so groß wäre wie sein Gemächt, wäre er ein großer Spieler, der mehr rennen würde." Schließlich würden Dunkelhäutige regelmäßig bei Olympia die Langstreckenrennen gewinnen, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt seien, Speere zu werfen.

Doch es blieb wohl nicht bei bloßen Anfeindungen. So soll Rix einem der Spieler heißen Kaffee ins Gesicht geschüttet haben, als dieser sich verbal gegen eine Beleidigung zur Wehr gesetzt hatte. Ein anderes Mal soll Rix dem gleichen Spieler zwischen die Beine geschlagen haben mit den Worten "ich mache, was ich will", als er sich wegen anzüglicher Bemerkungen des Trainers gegenüber seiner Schwester beschwert hatte. Während eines Trainingsspiels soll Rix ihn zudem einmal aus kurzer Distanz den Ball ins Gesicht geworfen und mit blutiger Nase zurückgelassen haben. Über Williams wird gesagt, er habe Spieler immer wieder in die Genitalien geschnipst oder auf den Hintern geklapst.

Einer der gemobbten Spieler wechselte später nach Newcastle, sein damaliger Trainer beschrieb ihn im Rahmen der Ermittlungen als jemanden, der immer ein breites Lächeln auf den Lippen hatte, "aber ich hatte das Gefühl, dass hinter diesem Lächeln eine Person stand, deren Selbstvertrauen ihm bei Chelsea gänzlich genommen wurde."

Eine besondere Rolle soll auch die Machtposition eingenommen haben, in der sich die beiden Trainer befanden. Die jungen Spieler befürchteten, sich bei Widerworten um die Chance zu bringen, Profifußballer zu werden. Insbesondere Williams galt als eine Legende an der Stamford Bridge. Er war bereits seit 1979 im Verein tätig, hatte John Terry entdeckt und war sehr gut mit dem damaligen Besitzer Ken Bates befreundet, dem er später auch als Technischer Direktor zu Leeds United folgte. Dort wurde er 2013 wegen des Verschickens von pornografischen Videos an Arbeitskollegen entlassen. Auch Rix ist kein unbeschriebenes Blatt. So wurde er 1999 wegen mehrmaligen Geschlechtsverkehrs mit einer 15-Jährigen zu 12 Monaten Gefängnis verurteilt, von denen er aber nur die Hälfte absitzen musste. Danach arbeitete er ­- als wäre nichts gewesen - wieder beim FC Chelsea als Co-Trainer, unter anderem an der Seite des Niederländers Ruud Gullit, der von den Vorgängen im Jugendbereich aber nichts gewusst haben soll.

Die Beschuldigten leugnen alle Vorwürfe

"Wir nehmen diese Anschuldigungen sehr ernst und unterstützen die Behörden bei ihren Ermittlungen", bekannte der FC Chelsea nun in einer Stellungnahme. Die beiden Beschuldigten äußerten sich nicht persönlich, ließen aber über einen Anwalt mitteilen, sie "leugnen jegliche Beschuldigungen zu rassistischen und sonstigen Übergriffen".

Das von den drei Jugendspielern beschriebene rassistische Klima beim FC Chelsea soll es schon länger gegeben haben. Der ehemalige walisische Nationalspieler Nathan Blake, 45, spielte auch in der Chelsea-Jugend, verließ den Verein mit 17 Jahren wieder. Nach den neuesten Enthüllungen meldete er sich zu Wort und bestätigte die Schilderungen: "Ständig musste ich mir rassistische Kommentare anhören, es war die schlimmste Zeit meines Lebens", sagte er der Daily Mail. Und Rix war damals noch nicht mal an der Stamford Bridge tätig. Chelsea hat seit Gründung der Premier League übrigens die meisten ausländischen Spieler aller englischen Vereine unter Vertrag genommen.

Der ebenfalls in den Neunzigern aktive englische Nationalspieler Emile Heskey sagte nun in einem Radiointerview mit BBC Radio 5, ohne Namen oder konkrete Vorfälle zu nennen: "Rassismus wurde als normal angesehen. Man musste vieles als Witz verstehen, was man sich heute nicht mehr gefallen lassen würde." Es geht bei der Aufklärung also längst nicht mehr nur um den FC Chelsea - sondern um die ganze Premier League. Eine Liga, in der Fußballer aus über 60 Nationen spielen.

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