1 Abo und 1 Abonnent
Artikel

Sie ist ein Model und er sieht gut aus

Langes, blondes Haar, eine schlanke Silhouette und ein verführerischer Blick: Jahrelang ist Elliott Sailors aus Arizona ein erfolgreiches Model. Doch als sie auf die 30 zugeht, bröckeln langsam die Aufträge weg. Die Amerikanerin hat eine so mutige wie außergewöhnliche Idee, die nach ein paar Monaten immer konkreter wird: Sie will als Männermodel arbeiten, weil das Alter dabei keine so wichtige Rolle spielt. Der erste einschneidende Schritt zur Veränderung: ein Friseurbesuch.

"Wir machen hier keine Frauenhaarschnitte", sagt ein Mitarbeiter des Herrensalons, in dem Sailors ihre lange Mähne in eine burschikose Kurzhaarfrisur umstylen lassen will. Das Model klärt den Friseur auf, der kurz darauf mit dem Rasierapparat vor ihr steht. "Falls ich zu weinen beginne, machen Sie bitte weiter. Ich will das wirklich", sagt Sailors, ehe die ersten Strähnen fallen.

Als Model der renommierten Agentur Ford war Elliott Sailors unter anderem auf Werbeplakaten für Bacardi zu sehen. Damals war sie Mitte zwanzig. Heute ist sie 31 und damit zu alt für das weibliche Modelbusiness. "Die Branche zwingt dich, länger jünger auszusehen. Das ist bei Männermodels anders", erklärt Sailors im Interview mit der "Huffington Post". Die Auffrischung ihrer Karriere war aber nicht der einzige Grund für ihre Hosenrolle als männliches Model.

"Be you, be true"

"Niemand muss immer das bleiben, was er zu einem bestimmten Zeitpunkt war", sagt Sailors. Sie wolle damit auch den Modebegriff neu definieren und zeigen, was möglich ist. Mit dem Slogan "Be you, be true", den sie auf Twitter und Facebook verbreitet, gibt sie ihrer Verwandlung einen knackigen Titel.

Abgesehen von ihrer hippen Frisur ändert Elliott Sailors ihren Kleidungsstil und verzichtet auf Make-up, um ihre männliche Seite hervorzuheben. "Ich habe mich nie als Mann gefühlt, aber mich dennoch als maskulin wahrgenommen." Tatsächlich wurde ihr früher oft nachgesagt, dass sie für manche Jobs zu harte Gesichtszüge habe. Der "New York Post" sagte sie dazu: "Ich habe einen kräftigen Kiefer, eine hohe Stirn und buschige Augenbrauen. Manchmal dachte ich, ich sehe aus wie ein Mann mit Make-up."

Der Start in ihre neue Karriere verlief schleppend. Nicht nur ihre Haare waren plötzlich kürzer, sondern auch die Liste ihrer Auftraggeber. Zudem musste sie mit geringeren Gagen rechnen, weil Männermodels deutlich weniger verdienen als ihre Kolleginnen. Doch Sailors kannte das Business, konnte sich auf die Veränderungen einstellen und hat mittlerweile auch als Mann Erfolg. Manche Unternehmen buchen Sailors dabei nicht nur wegen ihres Aussehens, sondern auch wegen ihres Mottos.

"Wow, der sieht gut aus"

Privat veränderte sich für Elliott Sailors nicht viel. Ihre Familie unterstützt sie heute genauso wie in den Zeiten ihrer ersten Modelkarriere. Ihr Bruder twitterte: "Ich wünsche meiner Schwester nur das Allerbeste." Ihr Ehemann war nach anfänglicher Skepsis begeistert. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sich auch seine Wirkung auf andere Menschen verändern würde. Oft würden sie und ihr Mann für ein schwules Paar gehalten, so die 31-Jährige.

Auch die Netzgemeinde ist von Elliott Sailors begeistert. "Es ist eine aufregende Zeit im Modebusiness. Jeder Tag bringt ein neues Model hervor, das die gesellschaftliche Vorstellung von Schönheit und Geschlecht verändert", schreibt Modeblogger Glenn Garner. Eine andere Bloggerin zeigt sich fasziniert: "Frauen wie sie, die sich nicht davor scheuen, anders zu sein, inspirieren mich. Ich mag den Gedanken, dass heterosexuelle Frauen Sailors ansehen und denken werden: 'Wow, der sieht gut aus.' Obwohl er eigentlich eine Sie ist."

Die Frage, ob ihr Mann-Dasein nur eine Phase sei, verneint Elliot Sailors ganz klar: "Es gibt kein Ablaufdatum. Ich will das nicht für eine bestimmte Zeit ausprobieren und gucken, ob die Taktik aufgeht." Sie will mit ihrem Job nicht nur ihre Karriere, sondern auch gesellschaftliche Ansichten erneuern. In ihrer Twitter-Kurzbiografie beschreibt sie ihren Beruf mit "Model - mehr als nur ein Mädchen".

Zum Original