Julia Becker

Freie Journalistin und Texterin, Südbaden

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Allzeit gut ausbalanciert: So arbeitet das Umspannwerk Schwörstadt (Visual Story)

Umgebaut: Das Umspannwerk in Schwörstadt wird aktuell im Laufenden Betrieb modernisiert und wandert darum ein wenig nach Osten. Dieser Abschnitt mit einem der beiden Trafos ist bereits fast fertiggestellt. | Bild: Julia Becker

Weithin sind die Säulen des Umspannwerks bei Schwörstadt zu sehen, die riesigen Strommasten wandern markant über den Dinkelberg Richtung Kühmoos, zu einem der größten Umspannwerke Deutschlands. Doch was passiert eigentlich in einem Umspannwerk? Und wie funktioniert es? Wir bieten einen Blick hinter die Kulissen


Bei einem Spaziergang durch die Umspannanlage am Rhein scheint man in einem seltsamen Wald aus Stahlbäumen mit Betonwurzeln gelandet zu sein. Es surrt und brummt, man wandert über Kies und Gras unter einem luftigen Dach aus Leitungen, Schaltern und Isolatoren. Und allgegenwärtig warnen gelbe Schilder vor der Gefahr – einen solchen Spaziergang sollte man nur in kundiger Begleitung unternehmen.


Doch was wird hier eigentlich gemacht? „Der Strom wird transformiert und zurück ins Netz geleitet“, fasst es Projektleiter Henning Meier zusammen. Transformieren bedeutet hier, dass der Strom auf unterschiedliche Spannungsebenen gewandelt wird. Auf diese Weise kann man den Strom mit wenig Verlusten über weite, mittlere und kurze Strecken durchs Netz leiten und so Stromspitzen gegen hohe Stromnachfrage ausbalancieren.


Warum unterschiedliche Stromspannung?
Um Strom über weite Strecken effizient zu transportieren braucht es eine Spannung von 220 oder 380 Kilovolt (kV). Für regionale Netze reichen 110 kV, für die überörtliche Verteilung 30 bis 60 kV und für die örtliche Verteilung schließlich nur noch 6 bis 20 kV. Ganz einfach gesagt: "Die Spannung drückt den Strom durch die Leitung, wie bei einem Wasserschlauch", erklärt Michael Metzger, Teamleiter für das Umspannwerk Schwörstadt.  


Dieses Umspannen erfolgt in mehreren Schritten in den beiden eisenbahnwaggongroßen Trafos. Darin befinden sich Eisenkerne, welche mit Draht umwickelt sind. Der Strom fließt in eine solche Spule und erzeugt ein Magnetfeld. In einer zweiten Spule erzeugt dieses Magnetfeld einen Stromfluss mit geringer Spannung. Dadurch pulsiert der Eisenkern und sorgt so für das markante Trafobrummen.


Um den Stromfluss zu leiten gibt es eine Vielzahl von Schaltern und Isolatoren. Der Pantograf ist eine Art Scherenschalter, der bei Bedarf relativ hoch hinaus gefahren werden kann. Andere Schalter sind verkapselt, man sieht von außen also nicht, wie gerade geschaltet wurde. Die großen Abstände sind ein wichtiger Sicherheitsaspekt: Luft wirkt isolierend und bei einem zu kurzen Abstand könnte der Strom in Form eines Lichtbogen trotzdem überspringen. Darum befinden sich Hoch- und Höchstumspannungsanlagen auch überwiegend unter freiem Himmel.


Vieles läuft ganz automatisch oder wird von der Zentrale in Wendlingen aus gesteuert. Bei Wartungsarbeiten oder im Störungsfall sind Teamleiter Michael Metzger und seine Mitarbeiter zur Stelle. Vor Ort gelten hohe Sicherheitsstandards. Jeder Mast ist mit einer eigenen Kennung ausgestattet, damit dieser gezielt abgeschaltet werden kann. Die langen roten Stangen werden als Erdung eingeklappt. Ein wichtiges Zeichen für den Arbeiter, erklärt Metzger. Jungen Kollegen empfiehlt der Teamleiter des Schwörstädter Umspannwerks, mit allen Sinnen dabei zu sein: „Respekt ist lebenswichtig!“


Wo wird der Strom hingeleitet?

Über die Höchstspannungsleitungen kann Strom von den Windkraftanlagen an der Küste ins Inland transportiert werden oder von Kraftwerken in die Städte. Das Netz geht über die Landesgrenzen hinaus und ermögliche damit auch internationalen Stromhandel. 65 Umspannwerke in Höchstspannungsnetzen gibt es in Baden-Württemberg, nur in Nordrhein-Westfalen gibt es mit 71 Analgen noch mehr. Insgesamt gibt es in Deutschland knapp 370 Schaltanalgen im Höchstspannungsnetz, welche von den vier Netzbetreiber 50Hertz Transmission, Amprion, Tennet TSO und TransnetBW betrieben werden.


Seit 2019 wird das knapp 50 Jahre alte Umspannwerk im laufenden Betrieb umgebaut und modernisiert. Ein Teil der Freiluftleitungen wurde in diesem Jahr auf den östlichen, bereits erneuerten Bereich umgelegt. Dafür wurden extra provisorische Strommasten mit kranähnlichen Füßen aufgestellt, erklärt Alex Wasem vom Freileitungsbau.

Auch die Isolatoren aus Porzellan wurden teilweise durch Kunststoff ersetzt. Neben technischen Vorzügen sei dieser auch wetterbeständiger, erklärt Henning Meier. Die wohl wichtigste Änderung: Bislang sind in der Anlage als höchste Spannungsebene 220 Kilovolt (kV) möglich, moderne Höchstspannungsnetze und ab 2023 auch das Umspannwerk Schwörstadt arbeiten aber mit 388 kV.

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