Darum ist die "Alternativ-Wurst" teurer
München - Ob Wiesenhof oder die Rügenwalder Mühle: Langjährige Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren haben mittlerweile ein umfangreiches Veggie-Sortiment. Das Geschäft mit dem Nicht-Fleisch.
"Es sieht aus wie Salami, es schmeckt wie Salami - aber es ist keine Salami", so lautet der Werbespot für ein vegetarisches Salamiprodukt. Denn statt Fleisch sind Weizen und Eier die Basis für den Brotbelag. Die Meinungen über die Fleischersatzprodukte sind geteilt. Vielen Vegetariern oder Veganern, die sich aus moralischen Gründen für den Verzicht entscheiden, erleichtern die Produkte den Verzicht auf Fleisch. Gerade, wenn man seine Ernährung erst umstellt, sind sie eine bequeme Alternative. Andere hingegen finden es merkwürdig, dass die pflanzlichen Produkte Form und Geschmack von Fleisch nachahmen wollen und verzichten lieber ganz.
Ob die Ersatzprodukte schmecken oder nicht, variiert zum einen von Ware zu Ware stark und hängt - wie immer - vom Verbraucher ab. Immer mehr Produkte gibt es zu kaufen, vermutlich weil viele Verbraucher sich bewusster ernähren möchten. Dabei fallen die meisten Erzeugnisse in Tests qualitativ regelmäßig durch. So enthalten viele Produkte zugesetzte Aromen und Geschmacksverstärker. Zuletzt klagte Ökotest im Juni über die mangelnde Qualität von 21 aus 22 getesteten Produkten. Von einigen Waren rät das Magazin sogar gänzlich ab. Besonders problematisch: die hohe Mineralölbelastung. Auch die Stiftung Warentest empfiehlt nur sechs von 20 Produkten. Trotzdem steigt der Absatz an Fleischalternativen. 2015 wurden 152,5 Millionen Euro mit dem Nicht-Fleisch erwirtschaftet - doppelt so viel wie im Vorjahr.
Macht es Sinn, Ersatzprodukte beim Fleischproduzenten zu kaufen? Wer isst was?Dabei stellen nicht nur Bio-Marken, wie zum Beispiel Lebenswurst oder ein neuer vegetarischer Metzger in Berlin die Ersatzprodukte her, sondern auch Firmen, die eigentlich für Fleisch- und Wurstwaren bekannt sind, wie Wiesenhof oder die Rügenwalder Mühle. Aus Sicht der Unternehmer ist es nur logisch, ihr Wurstangebot um ein vegetarisches Sortiment zu erweitern. Die Alternative wären Kundenverluste und Umsatzeinbußen. "Wenn Verbraucher nun aus unterschiedlichen Gründen weniger Fleisch essen - warum sollen wir dann keine fleischfreien Produkte herstellen?" so die Rügenwalder Mühle auf ihrer Website.
Paradox erscheint dies alle Mal. Unterstützt man dann als Verbraucher durch die Kaufentscheidung nicht Unternehmen, die eigentlich genau das verkaufen, worauf man verzichten wollte? Der Vegetarierbund Deutschland e.V., der mit der Rügenwalder Mühle zusammenarbeitet, sagt unserer Onlineredaktion dazu: "Menschen, die die Produkte der Rügenwalder Mühle bereits kennen und kaufen, werden eher auch eine vegetarische Alternative von diesem Anbieter ausprobieren. Die Infrastruktur insgesamt zu verbessern, ist ein Weg, den Fleischkonsum in der Gesellschaft maßgeblich zu reduzieren." Es sollen also zunächst Fleischesser und Flexitarier mit vertrauten Marken vom Fleischverzicht überzeugt werden, damit langfristig weniger Tiere zur Schlachtbank geführt werden.
Noch sieht es danach allerdings nicht aus: Die vegetarischen Produkte verdrängen dabei nämlich bislang nicht die "richtige" Salami und den "richtigen" Schinken, sondern sind lediglich ein zusätzliches Angebot der Wurstfabrikanten. So erklärt die Rügenwalder Mühle unserer Onlineredaktion: "Wir haben auch trotz der Erweiterung um die vegetarische Linie keines unserer fleischhaltigen Produkte aus dem Sortiment genommen. Wir von der Rügenwalder Mühle möchten nämlich niemandem vorschreiben, wie er sich ernährt. Wir möchten vielmehr eine leckere Alternative anbieten." Der Umsatz durch "normale" Wurstprodukte sei weitgehend stabil geblieben, eine langfristige Abkehr von Fleischprodukten sei nicht abzusehen. Im Rügenwald beobachte man "Wünsche und Bedürfnisse der Verbraucher sehr genau" und orientiere sich daran.
Aus ökonomischer Sicht ein nachvollziehbarer Schrítt. Wer aber hofft, eine nachhaltige Kaufentscheidung zu treffen, ist hier auf der falschen Fährte. Das Konzept des vegetarischen Metzgers, der kürzlich in Berlin eröffnet hat, erscheint da eher als sinnvolle Alternative.
Wird man bei den Ersatzprodukten abgezockt?Auffällig: Das Veggie-Sortiment ist etwas teurer als die Produkte aus Fleisch. Wird der tierfreundliche Verbraucher hier etwa ausgenutzt? Nein, heißt es zumindest aus dem Rügenwald. "Die Produktionskosten für die vegetarischen Produkte sind im Vergleich zu unseren fleischhaltigen Produkten etwas höher." Grund sei die höhere Menge an Gewürzen, die verwendet wird, außerdem werde mit den kostspieligeren Eiern aus Freilandhaltung produziert und gentechnikfreies Soja wie Rapsöl verwendet. Ob das auch für die Produkte von anderen Herstellen gilt, lässt sich nicht immer nachvollziehen. Gut vorstellbar, dass der ein oder andere die höhere Zahlungsbereitschaft vieler Konsumenten für bewusste und tierfreie Ernährung ausnutzt.
Letztlich muss jeder Verbraucher selbst entscheiden, ob und wo er Fleischersatzprodukte kauft. Schließlich kommt es am Ende nur darauf an, dass man sich bewusst für weniger Fleischkonsum entscheidet. In jedem Fall empfiehlt es sich aber, sich vorher über die Qualität der Produkte informieren und ob es vegetarisch oder vegan ist. Gerade, wer aus gesundheitlichen Gründen zu fleischlosen Alternativen greift, könnte sonst ein böses Erwachen erleben.
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