heute.de: Was haben Sie mit "German-Police-Project-Team" (GPPT) in Afghanistan seit 2002 erreicht?
Wewers: Wir haben rund 73.000 Polizeibeamte, darunter 300 Frauen, der Afghan National Police (ANP) aus- und fortgebildet. 1.750 afghanische Trainer wurden durch das GPPT qualifiziert und sind seither für die Ausbildung der ANP verantwortlich. Dazu wurden zahlreiche Bau-, Ausstattungs- und Ausbildungsprojekte erfolgreich abgeschlossen.
Wolf Wewers ...
... Jahrgang 1958, gehört seit 1982 der Landespolizei Nordrhein-Westfalen an. Dort arbeitete er im kriminalpolizeilichen Bereich und als Fachlehrer. 1999 stieg er in den höheren Polizeivollzugsdienst auf und war in verschiedenen Führungsfunktionen und als Dozent tätig. Der Einsatz beim German Police Project Team in Kabul ist sein dritter Auslandseinsatz als Ausbilder.
Wewers: Korruptionsbekämpfung ist nicht elementare Aufgabe des GPPT. Gleichwohl machen wir gegenüber unseren afghanischen Partnern deutlich, wie wichtig eine integre Verwaltung für ein funktionierendes Staatswesen ist.
heute.de: Aber gerade in der Ausbildung könnten doch die angehenden Polizisten sensibilisiert werden, sich in erster Linien an Recht und Gesetz zu halten - und nicht an den Chef, wenn der beispielsweise verlangt, eine Drogenroute abzusichern.
Wewers: Sie haben Recht und wir versuchen natürlich, ein Wertebild zu vermitteln, das sich an Recht und Gesetz orientiert. Das ist Teil der Ausbildung und Teil dessen, was wir vermitteln wollen.
Deutsche Polizisten in Afghanistan
Das deutsch-afghanische Projekt "German-Police-Project-Team" begann 2002. Das GPPT-Team steht bei der Aus- und Fortbildung afghanischer Polizeibeamter unterstützend zur Seite und qualifiziert afghanische Polizeilehrer im Rahmen eines Train-the-Trainer-Programms. Derzeit besteht das Team aus 46 Polizisten aus Bund und Ländern.
Zugleich sind zwölf deutsche Polizisten im Rahmen der europäischen Polizeimission EUPOL in Afghanistan. Diese konzentriert sich seit 2007 auf die Beratung von Ministern und den Aufbau von Rechtsstaatlichkeit.
Wewers: Der persönliche Kontakt ist extrem wichtig. Ich hatte den Vorteil, dass mich mein Vorgänger persönlich vorgestellt hat. Außerdem darf man nie eine Tasse Tee ablehnen, auch wenn der nächste Termin drängt und man dabei über alltägliche Dinge spricht. Sich Zeit nehmen bedeutet: Du bist mir wichtig.
heute.de: Gab es auch Situationen, in denen Sie irritiert waren?
Wewers: Ja, zum Beispiel als mich der stellvertretende Innenminister an der Hand durchs Ministerium führte. Nach afghanischem Verständnis ist dies ein großes Kompliment, denn es bedeutet: Du bist mein Freund und stehst unter meinem Schutz. Man muss wissen, dass sich deutsche Gepflogenheiten nicht immer eins zu eins nach Afghanistan übertragen lassen.
heute.de: Ein Beispiel?
Wewers: Der Einsatz von Hunden zum Aufspüren von Sprengstoff ist in Deutschland gängige Polizeipraxis. In Afghanistan gelten Hunde als haram, als unrein. Deshalb darf man solche Vorgehensweisen nicht einfach ungefragt implementieren - man muss erklären und überzeugen. Verbindet man das dann noch mit einer plausiblen Geschichte, hat man gute Erfolgschancen.
Weitere Links zum Thema heute.de: Mit einer Geschichte?
Wewers: Ja, Erzählen ist in Afghanistan eine große Kunst. Es gilt: Wer sein Anliegen in eine lustige und lehrreiche Geschichte packt, kann auch in der Sache überzeugen. Ist die Geschichte aber banal, erreicht man meist das Gegenteil.
heute.de: Mit welcher Geschichte hatten Sie schon einmal Erfolg?
Wewers: Wenn ich einen Garten habe und will, dass er schön bleibt, stelle ich einen Aufpasser an. Wenn sich eine Ziege bewirbt - stelle ich Sie ein? Nein, denn in kürzester Zeit wäre der Garten verwüstet.
heute.de: Um bei dieser Metapher zu bleiben: Wenn Ende des Jahres die Gemüsegärtner, die deutschen Soldaten, aus Mazar-i-Sharif abziehen - gehen dann auch die Obstgärtner, die deutschen Polizisten, mit?
Wewers: Das kann ich noch nicht sagen. Die Entscheidung, ob sich 2016 auch die deutschen Polizeiberater aus der Provinz Balkh zurückziehen werden, ist noch nicht getroffen. Wir sind zwar wie die Soldaten im selben Camp untergebracht, arbeiten aber unabhängig voneinander. Klar ist: Wir wollen die Entwicklung der afghanischen Polizei in jedem Fall weiter unterstützen.
Das Interview führte Julia Amberger.Deutsches Engagement in Afghanistan
Der Beginn Umfang und Auswirkungen Abzug und Nachwirkungen Ausbildung und UnterstützungEs gibt keinen Kampfauftrag und keine offensiven Kriegsoperationen mehr. Der neue Kernauftrag beschränkt sich auf Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen Streitkräfte. Es können aber weiterhin Soldaten - auch Spezialkräfte - zur Evakuierung von Soldaten und Zivilisten eingesetzt werden. Damit bleibt der Einsatz gefährlich. Es ist auch damit zu rechnen, dass die USA weiterhin auf eigene Faust etwa mit Kampfdrohnen gegen die Taliban vorgehen. Der ISAF gehörten zeitweise 140.000 Soldaten an, unter ihnen bis zu 5.350 Deutsche. Jetzt bleiben nur noch 12.000 Soldaten im Land, davon stellt die Bundeswehr 850. Einsatzgebiet ist weiterhin ganz Afghanistan - aber nur für das erste Jahr. Dann will sich die Nato in den Großraum Kabul zurückziehen. Der ISAF-Einsatz dauerte 13 Jahre. "Resolute Support" ist zunächst auf zwei Jahre angelegt, könnte aber je nach Lage verlängert werden. (Quellen: afp, dpa)