Julia Adame y Castel

Journalistin, Redakteurin, Hamburg

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Harburg tanzt den

Wer in letzter Zeit einmal an der Goethe-Schule-Harburg vorbei auf Höhe der Eißendorfer Straße 39 entlanggegangen ist, mag sich gewundert haben, rhythmisches Klackern und feurige spanische Musik inmitten der grauen Winterlandschaft zu hören.

Wer seiner Neugier nachgibt und durch die Toreinfahrt hindurch auf den kleinen Hinterhof tritt, stößt unweigerlich auf das Tanzstudio La Resaca. Seit einem Jahr bietet Iris Lange hier mehrmals wöchentlich Flamenco-Unterricht und Workshops des spanischen Tanzstils für jedes Niveau an.


An diesem Vormittag sind es nur Frauen, die es der 47-Jährigen gleich tun und so auf der Tanzfläche der knapp 90 Quadratmeter großen ehemaligen Lagerhalle Schritt für Schritt Flamenco lernen. Schwarz-rote Röcke schwingen im Takt der Musik. An den Wänden hängen zahlreiche Poster von großen Flamenco-Tänzern.


Zurufe auf Spanisch erinnern an die nächsten Schritte der Choreografie. Die Schülerinnen lernen die „Alegría" - zu Deutsch „Freude", einen der zahlreichen Tänze des Flamencos. Denn entgegen der allgemeinen Annahme gibt es nicht nur die dramatischen weinerliche Form des spanischen Tanzes. „Das ist das Schöne am Flamenco. Man kann mit ihm alle Gefühle ausdrücken. Jeder Tanz steht für eine eigene Emotion", erklärt Iris Lange.

Tritt sie selbst auf die Tanzfläche des „La Resaca" ändert sich ihre Körperhaltung, ihr Blick wird ernst und ihre Füße fliegen rhythmisch zu spanischen Klängen über das Parkett. Fast hypnotisch wirken das Klackern ihrer Absätze und das Wehen ihres langen Rockes und katapultieren den Zuschauer gefühlt direkt auf eine spanische Fiesta.


Ihre Liebe zu dem spanischen Tanzstil entdeckte die gebürtige Berlinerin Ende der 90er-Jahre eher zufällig. „Getanzt habe ich schon seit Kindertagen - mal Jazz, mal Bauchtanz. Doch ich merkte immer, dass ich noch auf der Suche nach meinem Tanz war", erzählt sie, und ihre dunkel geschminkten Augen beginnen zu leuchten.


Im Fernsehen sah sie dann einen Bericht über Flamenco-Kurse, die eine Mitarbeiterin des UKE im Waschkeller des Krankenhauses anbot. Ein Jahr lang lernte Iris Lange dort die Grundlagen des spanischen Tanzes. „Das war wirklich urig". Doch es zog sie weiter nach Sevilla, Cádiz und Jerez - in das Heimatland des Flamencos. „Von morgens bis abends habe ich dort getanzt. Und danach ging es, teilweise noch in Trainingsklamotten, zu Auftritten anderer Tänzer."


Das Erlernte und jede Menge Inspiration für eigene Choreografien brachte die heute 47-Jährige mit nach Deutschland und eröffnete 2010 ihre eigene Tanzschule La Resaca in Eimsbüttel. „La Resaca" bedeutet so viel wie Brandung oder auch der Kater nach einer durchfeierten Nacht - beides passt zu dem ausdrucksstarken Tanz.


Anfang vergangenen Jahres verlegte Iris Lange die Tanzschule nach Harburg - mitsamt vielen ihrer Tanzschüler. „Der Umgang hier ist so herzlich. Iris hat eine Engelsgeduld und ermutigt uns, uns im Tanz auszuprobieren", berichtet die Tanzschülerin Claudia Lingens. Dafür nimmt sie auch die Fahrt von Alsterdorf nach Harburg zum wöchentlichen Training auf sich. „Es macht großen Spaß. Flamenco ist ein so schöner, energiereicher und selbstbewusster Tanz."


Seit zwei Jahren besucht sie bereits die Kurse von Iris Lange, nachdem sie sich im Spanien-Urlaub in den Flamenco verliebt hatte. Auch Michaela Wieland ist bereits seit mehreren Jahren dabei. „Für mich als eher ruhigere Person bringt der Flamenco viel, weil er so ausdrucksstark ist", berichtet die junge Frau mit dem roten Lippenstift zwischen zwei Tanz-Einheiten.


Doch einfach ist der Tanz nicht immer. „Besonders die Koordination der verschiedenen Körperteile ist schwierig", findet Claudia Lingens. „Gerade wenn man das Gefühl hat, man kann die Bewegung der Füße, kommen die Handbewegungen dran und die Füße sind wieder vergessen..." So kann es schon mal mehrere Monate dauern bis ein langer Tanz richtig sitzt. „Aber wenn es am Ende klappt, ist das schon wirklich ein Erfolgserlebnis", erwidert Michaela Wieland schmunzelnd.


Um das Gelernte zu präsentieren, tritt Iris Lange mit ihren Tanzschülern regelmäßig auf Veranstaltungen, wie dem Harburger Außenmühlenfest auf.


Dass jemand so gar nicht Flamenco tanzen konnte, hat Iris Lange bisher nicht erlebt. „Jeder kann es lernen. Aber jeder braucht auch seine eigene Zeit dafür."

Wie zum Beweis werden in der letzten Viertelstunde des Workshops die gelernten Einzelteile zusammengesetzt und am Stück durchgetanzt. Das fühlt sich schon fast ein bisschen wie im Spanien-Urlaub an.

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