Julia Adame y Castel

Journalistin, Redakteurin, Hamburg

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Hangry: Warum wir bei Hunger wütend werden | Wunderweib

"Du bist nicht du, wenn du hungrig bist." Mit diesem Spruch wirbt ein bekannter Schokoriegel-Hersteller. Da wird ein geschickter Ninja zum tollpatschigen Mister Bean und ein knallharter Rapper zum singenden Elton John - und das nur, weil sie nichts im Magen haben. Kommt dir das bekannt vor? Du verhältst dich auch anders, wenn du längere Zeit nichts gegessen hast? Dafür gibt es einen Begriff: Hangry! Wir erklären, was das bedeutet und was du dagegen tun kannst. Keine Sorge: Es muss nicht (immer) der Schokoriegel sein.


Was bedeutet hangry sein?

Das Wort „hangry" ist eine Mischung aus „hungry" und „angry" - also auf Deutsch: hungrig und wütend. Und das beschreibt es auch schon ganz treffend. Denn hangry nennt man das Phänomen, dass wir gereizt und genervt werden, wenn wir Hunger haben. Schon Kleinigkeiten lassen uns dann an die Decke gehen.


Was ist der Grund für die schlechte Laune bei Hunger?

Schuld an unserem unausgeglichenen Ich bei Hunger ist der Blutzuckerspiegel. Über die Nahrung nehmen wir Kohlenhydrate, Eiweiße und Fette auf. Die spaltet unser Körper in Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker auf und versorgt damit unsere Organe mit Energie.

Haben wir längere Zeit nichts gegessen, sinkt der Glukosewert im Blut. Der Körper schlägt Alarm: Es fehlt Energie! Zur Sicherheit schaltet er in eine Art Energiesparmodus. Wir können uns nicht mehr richtig konzentrieren und unwichtigere Fähigkeiten werden zurückgefahren - unter anderem das Kontrollieren von Gefühlen! Passiert jetzt etwas, das uns nicht gefällt, können wir unseren Unmut schlechter als sonst in Schach halten.

Verstärkt wird das durch Stresshormone, die unser Körper ausschüttet. Sie versetzen uns in Alarmbereitschaft, damit wir möglichst schnell neue Nahrung suchen. Nebeneffekt: Wir werden nervös und leichter reizbar.


Das Phänomen kann sogar Beziehungen schaden

In einer Studie hat die Ohio State University 107 verheirateten Paaren Voodoo-Puppen (Ja, wirklich!) mitgegeben, die ihren Partner darstellen sollten. Immer wenn sie wütend auf ihn oder sie waren, sollten sie eine Nadel in die Puppe stecken. Morgens und abends wurden ihre Blutzuckerwerte der Probanden gemessen. Das Ergebnis: Je niedriger der Blutzuckerspiegel abends war, desto mehr Nadeln steckten in der Partner-Voodoo-Puppe - umso gereizter waren die Menschen. Hangry sein kann also sogar für Zoff in der Beziehung führen.


Was tun, wenn du hangry bist?

Die am naheliegendste und zugleich sinnvollste Antwort ist: essen. Mit dem Blutzuckerspiegel steigt auch unsere Laune. Deshalb am besten regelmäßig Mahlzeiten einplanen und auch unterwegs immer kleine Snacks dabeihaben. Notfall-Helferlein gegen Hangry-Laune: Traubenzucker. Der hilft schnell und sollte in keiner Handtasche fehlen.

Der Griff zum Traubenzucker hat aber leider auch eine Schattenseite: Süßes oder Fast Food helfen zwar kurzfristig sehr gut, der Blutzuckerspiegel fällt danach aber genauso schnell wieder, wie er gestiegen ist. Langfristigen Schutz vor dem Hangry-Tief bietet nur nährstoff- und ballaststoffreiche Nahrung, wie Obst oder Vollkornprodukte. 


Hast du gerade nichts zu essen da, kann es schon helfen, dir bewusst zu machen, dass du hangry bist. Das raten zwei Wissenschaftlerinnen der University of North Carolina. Sie haben in einem Versuch getestet, wie unterschiedlich Menschen reagieren, die hangry sind. Die Teilnehmer, die sich bewusst waren, dass sie hungrig sind, waren weniger oft wütend, als die, die sich keine Gedanken über ihre Gefühle gemacht haben. Frag dich also immer: Ist der Grund für meine negativen Gefühle wirklich der zu laut redende Freund oder das zu langsam fahrende Auto vor mir? Oder bist du vielleicht einfach nur hangry? Wenn es am Essensmangel liegt, schalte einen Gang runter. Wut hilft weder dir noch den anderen.

Auch Ablenkung kann deine Laune kurzfristig wieder aufhellen, raten die Expertinnen. Also Musik an, hangry sein aus ... Und vielleicht doch schnell einen Happen essen!

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