Sie haben bisher ein Album veröffentlicht, doch längst ist die Band Milky Chance zu einer der Lieblingsbands beim jungen Publikum avanciert. Am Mittwochabend spielte das Duo vor ausverkaufter Kulisse im Gebäude 9. Von Josephine Pabst
Der Typ auf der Bühne, der so schüchtern lächelt und an der gerissenen Saite seiner Gitarre herumfummelt, ist ein Star. Nach nur einem Album und nur ein Jahr nach seinem Abitur. Wegen ihm stehen Dutzende draußen in der Kälte und halten Schilder hoch: „Wer hat noch ein Ticket übrig?" Wegen ihm gibt es monatelang Gerangel um heiß begehrte Tickets des restlos ausverkauften Konzerts im Gebäude 9.
Dabei ist Clemens Rehbein, der Sänger des Duos Milky Chance aus Kassel, gerade einmal 20 Jahre alt - und damit vermutlich jünger als die meisten seiner Fans. Seine Haare sehen ein bisschen so aus, als hätte er irgendwann mal in die Steckdose gegriffen. Er ist nicht der Typ, der in den Pausen zwischen zwei Liedern viel redet oder kleine Anekdoten erzählt. Er ist eher der lässige Gitarrenspieler, der coole Jungstar, der sich zwischendurch immer wieder ein bisschen betreten durch die Haare fährt und auf Rufe aus dem Publikum lieber mit einem Grinsen statt mit einer schlagfertigen Antwort reagiert.
Als die Tickets für das Kölner Konzert im September bestellt werden konnten, kosteten sie rund 15 Euro. Eine Woche vor Konzertbeginn wechselten bei Ebay die günstigsten Tickets für 40 Euro, die teuersten für 87 Euro den Besitzer - ungefähr so viel kostet ein Standardticket für Madonna auch. Das Geheimnis dieses Erfolgs: Milky Chance treffen bei ihrem zumeist jungen Publikum einen Nerv, sie berühren und faszinieren. Die Stimme des 20-jährigen Sängers ist unverwechselbar, raubeinig und hat unglaublich viel Wiedererkennungswert. Die Mischung aus Folk und Pop funktioniert und sorgt bei dem zumeist jungen Publikum für ekstatische Tanzeinlagen - sie klingt einfach nicht nach einem 20-jährigen Abiturienten aus Kassel, sondern viel mehr nach einem echten Profi und nach großer Bühne.
Der Erfolg hat Clemens Rehbein und seinen Bandkollegen Philipp Dausch überrollt: Vor gerade einmal einem Jahr wurde der erste Song von Milky Chance auf Youtube veröffentlicht, bereits nach wenigen Wochen sprengten die Klickzahlen alle Erwartungen. Inzwischen wurden die Lieder von Millionen Internetusern gehört. Wenn nun auf einem seit Monaten restlos ausverkauftem Konzert die Saite der Gitarre reißt, muss die Vorband mit einem Ersatzinstrument aushelfen: „Wir sind so unprofessionell, wir haben nur die eine Gitarre dabei", sagt Rehbein entschuldigend. Er hat es geschafft, ganz ohne Castingshows und aufwendige Markt-Maschinerien. Er hat innerhalb kürzester Zeit einen Kultstatus erreicht - und plant im kommenden Jahr seine erste Europatournee.