Tim Bendzko (32) ist zur Zeit mit seinem Album "Immer noch Mensch" auf Tour. Am 29. Mai spielt der Sänger ("Muss nur noch kurz die Welt retten") in der Mercedes-Benz Arena. Bevor der Berliner jedoch Musiker wurde, spielte er in der B-Jugend des 1. FC Union - bis er sich mit 16 Jahren gegen den Fußball und für die Musik entschied. Doch noch immer ist er dem Köpenicker Verein eng verbunden. Ein Gespräch über den verpassten Aufstieg, wie man am besten gewinnt und sein Verhältnis zu RB Leipzig.
Am 29. Mai spielen Sie in Berlin. Was bedeutet das für Sie vor heimischem Publikum zu spielen?Tim Bendzko: Das ist aufregend (lacht). Zuhause ist ja eigentlich ein Konzert, wie jedes andere, aber man ist irgendwie ein bisschen angespannter und bildet sich ein, dass es was besonderes ist, weil es ja in der Heimat ist. Und dann ist in Berlin ja auch immer das größte Konzert.
Also flattern die Nerven?Nervös bin ich nicht, aber auch nicht so entspannt, wie wenn ich irgendwo in Zürich ein Konzert gebe. Umso näher ich an Zuhause dran ist, desto höher ist die Anspannung.
Dieses Jahr spielen Sie eine Arenen-Tour. Hat das Gefühl dort zu spielen, Parallelen zu Ihrer Zeit als Fußballer?Überhaupt nicht. Ich hab ja Fußball nur als Kind gespielt. Da waren dann so ungefähr 10 bis 20 Personen am Spielrand. Das hat da mit dem, was wir jetzt machen, überhaupt nichts zu tun.
Wann haben Sie denn mit Fußball und Musik angefangen?Fußball habe ich recht spät, so mit acht Jahren, angefangen und mit elf Jahren habe ich dann beschlossen, dass die Musik irgendwann mal mein Beruf werden wird. Deswegen habe ich mit 16 aufgehört Fußball zu spielen und begonnen Gitarre zu lernen und aktiv Musik zu machen.
Und damit haben Sie sich dann gegen den Fußball entschieden?Ich hatte nie vor, Fußballer zu werden. Mit 16 hatte ich keine Zeit mehr irgendwas anderes zu machen, außer Fußball und Schule. Ich war einfach die ganze Zeit nur fertig. Und dann habe ich gedacht, wenn man Sänger werden will, sollte man vielleicht mal ein wenig Musik machen. Da ich außerdem ständig verletzt war, fiel mir die Entscheidung relativ leicht aufzuhören.
Vor den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi schrieben Sie für Maria Höfl-Riesch den Song "Gewinnen". Ein Gefühl, das sie gut kennen?Ich habe quasi 15 Jahre lang mir eingeredet, dass es nur diese eine Möglichkeit gibt. Ich habe mir nicht gewünscht, dass der Erfolg passiert, sondern vorgestellt, dass er schon da ist. Und das ist genau die Message des Songs. Dass es manchmal schlauer ist, mich in die Lage zu versetzen, in der man das gerade gewinnt und sich nicht die ganze Zeit wünscht zu gewinnen. Als ich beispielsweise den Bundesvision-Songcontest gewann, habe ich gesungen, als würde ich es gerade gewinnen, und nicht, um es zu gewinnen. Das klingt komisch, aber es ist ein himmelweiter Unterschied. Genau das wollte ich in den Song packen. Ich habe mir vorgestellt, wie sie sich die Kopfhörer ins Ohr packt, jemand ihr ins Ohr flüstert, dass sie gewinnt. Dass man gar nicht darüber nachdenkt, was alles schief gehen kann.
Glauben Sie, dass ein Song die Macht hat über Sieg und Niederlage zu entscheiden?Es kommt glaube ich darauf an, wie sensibel man darauf reagiert. Aber genau das ist einer der Gründe für mich Musik zu machen, weil sie mit mir enorm viel anrichten kann. Mich beeinflusst Musik. Also ich glaube, dass es eine positive Wirkung haben kann.
Hätte das vielleicht Union zum Aufstieg helfen können?(lacht) Da hätte man glaube ich viele Songs schreiben müssen und sie hätten sie lange, lange anhören müssen. Ich finde das total okay, dass sie nicht aufgestiegen sind. Sie haben bewiesen, dass sie das Zeug dazu hätten, jetzt können sie nochmal ein Jahr lang ein bisschen mehr an der Basis arbeiten und nächstes Jahr steigen sie dann auf.
Für Sie ist das also kein Drama.Meistens ist das ja für so kleine Vereine, die es schaffen, aus der letzten Rille aufzusteigen, eher der Untergang. Das ist dann ein Jahr total toll, und dann stellen sie fest, dass sie weder die finanziellen Mittel haben noch einen Kader, der irgendwie breit genug aufgestellt ist. Und dann steigen sie ab, steigen noch eins weiter ab und so weiter. Ich glaube, nächstes Jahr schafft Union es aufzusteigen.
Was glauben Sie, hat Union dieses Jahr gefehlt?Die Abgebrühtheit. Meines Erachtens ist es eine Erfahrungssache. Entweder hat ein Kader einfach unendlich viel Qualität oder er hat genug Erfahrung - beides ist, glaube ich, bei Union nicht in dem Maße vorhanden, wie es nötig gewesen wäre. Gerade im Vergleich zu Stuttgart, Hannover und Braunschweig. Das sind alles erfahrene Mannschaften, die schon einige Ab- und Aufstiege hinter sich haben. Die sind dann halt im Endspurt ein bisschen abgebrühter.
Es heißt, Sie sind Fan von Hoffenheim.Ich bin kein Hoffenheim-Fan. Ein Freund von mir, Andi Beck, war lange Kapitän und deshalb war ich natürlich Sympathisant. Mein Herz schlägt für Union, weil ich dort gespielt habe. Und ich bin Bayern-Fan. Das sind beides Traditionsvereine. Der eine hat nur ein bisschen mehr Geld als der andere. Als ich noch für Union gespielt habe, kam der FC Bayern zu Benefiz-Spielen, um Union am Leben zu halten. Ich könnte auch zusätzlich noch RB Leipzig Fan sein.
Tatsächlich?Das ist für mich der größte Schwachsinn, so zu tun, als ob der eine Verein total der Traditionsverein ist, und der andere nicht, weil da ein bisschen mehr Geld im Spiel ist. Am Ende des Tages ist bei allen Vereinen sehr viel Geld im Spiel.
Also haben Sie sich für das Schweigen der Unioner beim Spiel gegen Leipzig geschämt?Ich war da im Stadion. Das war ziemlich unterhaltsam, aber ich empfinde das als eine scheinheilige Diskussion. Union macht genau wie jeder andere Verein Marketingmaßnahmen, um Kohle zu verdienen. Es wird immer so getan, als wäre das nur Freundschaft zwischen dem Verein und den Fans. Nein. Der Verein versucht da genauso Geld zu verdienen, wie jeder andere - das ist bei Dortmund, Bayern und RB Leipzig genauso.
Und wenn man zum RB Leipzig schaut: Da ist das Stadion voll. Und das liegt nicht an der Kohle, sondern, dass sie ein geiles Konzept haben und guten Fußball spielen. Die haben keinen einzigen Spieler, der älter als 24 Jahre ist. Die kaufen sich eben keine Superstars ein, sondern versuchen, sich die Jugend selber heranzuziehen. Und was soll daran schlecht sein, mit Geld junge Leute zu fördern.
Ist Union für Sie immer noch ein Ost-Verein?Nein. Das ist die nächste Diskussion, die ich total schwierig finde. Die Mauer ist weg und das darf man auch mal begreifen. Wenn man immer wieder sich selbst in Schubladen steckt und sich als Ostverein-Fan bezeichnet, finde ich das überholt. Für mich ist das mein Heimatverein - Mit Ost und West hat das nichts zu tun.
Mittlerweile wohnen Sie ja auch gar nicht mehr in Berlin.Vor zwei, drei Jahren wollte ich ein Studio Zuhause haben, um dort Songs zu schreiben - Dabei wollte ich niemanden stören. In einer Mietwohnung besteht die Gefahr, dass die Nachbarn klingeln, und fragen, warum ihre Küche wackelt, wenn ich anfange Musik zu machen. Deswegen bin ich so weit rausgezogen, dass ich einfach gar keine Nachbarn habe. Jetzt wohne ich bei Berlin.
2013 waren Sie Teil der Initiative "Liadl fürs Leiberl" des FC Bayern München und Adidas. Könnten Sie sich vorstellen für die Union eine Hymne zu schreiben?In der Theorie ja, in der Praxis eher nicht. Am Anfang fand ich es eine lustige Sache, für jemanden Songs zu schreiben. Weil ich den kreativen Vorgang mag, sich in eine bestimmte Situation hineinzuversetzen und darüber zu schreiben. Aber mein Kunstverständnis hat sich verändert. Ich glaube, dass muss von alleine kommen.
Also schreiben Sie nur noch für sich selbst?Ja, genau. Und Union hat ja eine Hymne. Bei einem Fußballverein funktioniert das nicht, die einfach zu ersetzen. Man kann nicht einfach ein Lied schreiben, weil der Verein gerne eine neue Hymne hätte. Tausende Fans haben eine Beziehung zu der Traditions-Hymne - neue Hymnen würden nicht angenommen werden.
Mögen Sie denn die Hymne?Die betont auch wieder so dieses Ost-Ding, was ich nicht so mag. Ich glaube, dass ein Großteil der Fans aber nicht auf den Text achtet, sondern es genießt, den Song gemeinsam zu singen.
Hertha vs. Union. Ihr Traum?Noch vor wenigen Jahren wurde ja festgestellt, dass die Hauptstadt keinen Verein in der ersten Bundesliga hat. Es wäre abgefahren, wenn es übernächstes Jahr das Hauptstadtduell geben würde. Das hat es lange nicht gegeben.
Union in der Bundesliga.... wäre eine Sensation.
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