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Die Früchte aus dem Paradies

ANBAU-PROJEKT Morgenland hat in Sri Lanka für ökologischen Anbau ein Paradies gefunden. Wir haben uns mit Besitzern von deutschen Bio-Läden vor Ort umgeschaut. // Johanna Emge

Je näher das Ziel kommt, desto holpriger wird die Fahrt. Die betonierte Straße ist längst einem mit Schlaglöchern gespickten Erdweg gewichen, der sich rostbraun durch die wenig besiedelte Landschaft schlängelt. Weite Felder, grüne Wiesen; klare Seen, über denen Vögel ihre Kreise ziehen - dass sich hier eine der Trockenzonen Sri Lankas befindet, verraten nur die Kakteen und Sukkulenten, die sich vereinzelt zwischen Bäume und blühende Sträucher am Straßenrand mischen. Fernab vom hektischen Alltagstrubel der großen Städte wie Colombo und Kandy dominieren nicht mehr hupende Tuk Tuks sondern Kühe das Straßenbild. Als unser Kleinbus in einem kleinen Dorf in der Nähe der Stadt Maho endlich anhält, stehen wir schon mitten auf dem Feld: Im Schatten von Kokospalmen ragen die ersten rosaroten Blüten aus kleinen Ananaspflanzen. Sie sind der zarte Beginn eines großen neuen Vorhabens des Herstellers Morgenland, der auf Trockenfrüchte, Nüsse und Kokosprodukte spezialisiert ist.

Hier entsteht das erste demeter-zertifizierte Ananasfeld auf Sri Lanka. Als Kees Maris, Projektleiter Einkauf, 1993 das erste Mal in Sri Lanka aus dem Flugzeug stieg, wollte er sich vor Ort ein Bild davon machen, ob die biologisch angebaute Ananas als Produkt geeignet sei. Damals gab es noch kaum Verarbeitung von Ananas - die lokale Landwirtschaft war geprägt von Tee, Kautschuk und Kokosnuss. Doch Maris blieb, „weil die Ananas so gut schmeckte". Er testete die Frucht mit dem Namen „Mauritius" ausführlich und stellte fest, dass sich diese sowohl zum Trocknen als auch für die Verarbeitung in Konserven eignet.Mit 100 Kleinbauern, die großes Interesse an Bio-Anbau zeigten und sich aufgrund ihrer chemiefreien Arbeitsweise relativ problemlos und schnell umstellen konnten, begann Morgenland 1995 mit der Zusammenarbeit. Gemeinsam mit einem Professor für Agrikultur in Sri Lanka, den er bei einer seiner früheren Tätigkeiten in Holland bei einer NGO kennengelernt hatte, schulte Kees Maris die ersten Bauern in ökologischer Landwirtschaft. „Für so ein Projekt braucht man neben dem nötigen Kleingeld auch eine Menge Geduld", sagt Kees Maris, der mittlerweile schon seit über 20 Jahren Morgenland-Projekte auf der ganzen Welt betreut. Und fügt hinzu: „Und ein gutes Gespür für Menschen."

Handarbeit: Die ganzen, geschälten Ananas werden mit einem scharfen Messer in Ringe geschnitten.

Bio-Wissen weitergeben

Dass er die richtigen Menschen für die Morgenland-Projekte auf Sri Lanka gefunden hat, ist auf dem kleinen Ananas-Feld inmitten der Trockenzone spürbar. Fast das ganze Dorf hat sich versammelt und lauscht gemeinsam mit unserer kleinen Reisegruppe aus Deutschland den Worten des Bauers. Mit Begeisterung in der Stimme erzählt er, in einer wilden Mischung aus Englisch und Sri-lankisch, von seinem biodynamischen Präparat, das er streng nach den Demeter-Richtlinien selbst hergestellt hat, greift beherzt in die Schale mit dem Gemisch und lässt es durch seine Fingern rieseln. Es soll die Fruchtbarkeit des Bodens fördern und die Humusschicht wachsen lassen. So können große Mengen an Kohlendioxid gebunden werden, was dem Treibhauseffekt entgegenwirkt.

Übersetzt wird er von Rohan Gunarathna, Agrarmanager bei Tropical Health Food, der den Bauern bei allen Fragen zu biologischen Anbaumethoden zur Seite steht. Er ist im ständigen Kontakt mit den Bauern und kümmert sich regelmäßig vor Ort um ihre Belange. Mittlerweile arbeitet Rohan Gunarathna seit acht Jahren für Tropical Health Food, vorher studierte er Landwirtschaft an der University of Peradeniya in Kandy. Im Studium sei er kaum mit biologischer Landwirtschaft in Berührung gekommen - seine erste Anstellung fand er in der chemischen Industrie. Doch genau das helfe ihm jetzt bei seiner Arbeit: „Ich habe gesehen, was der Einsatz von Chemikalien in der Umwelt anrichtet", sagt er. „Deshalb weiß ich jetzt umso besser, wenn jemand chemische Mittel eingesetzt hat und kann sie identifizieren." Er ist auch für die wöchtenlichen, landwirtschaftlichen Schulungen der Bauern zuständig. Sie sind Teil der Betreuung und Bezahlung, so lange die Ananas noch nicht zertifiziert ist. Des Weiteren trägt Morgenland die Kosten für Qualitätsprüfungen, externe Beobachtung durch die zuständige Bio-Kontrollstelle sowie Rohstoffanalysen bei unabhängigen Laboratorien.

Das Demeter-Ananas-Feld hat bisher nur das EU-Bio-Siegel, weil der spezialisierte Demeter-Berater, der von Tropical Health Food eingestellt wurde, für die Zertifizierung nicht ausreicht. Zusätzlich muss neben einem externen Berater vor Ort auch noch ein externer Experte Kontrollen durchführen. Bis die Früchte dann demeter-zertifiziert sind und für die weitere Verarbeitung aufgekauft werden, können die Bauern ihre Ernte anderweitig verkaufen.

Im Verarbeitungsbetrieb in Kurunegala sind 90 Mitarbeiter beschäftigt. Die politische Wetterlage bessert sich

Auch Morgenland versucht immer weiter zu planen: „Es ist wichtig, immer ein zweites Projekt an einem völlig anderen Ort mit den gleichen Produkten zu haben", sagt Kees Maris. Zur Vorsorge etwa bei unvorhersehbaren Naturkatastrophen, wie dem Tsunami 2004, der neben Thailand, Indonesien und Indien auch Sri Lanka hart traf, oder vor einem erneuten Kriegsausbruch. Die momentanen Bedingungen sind auch nach dem Ende des Bürgerkrieges 2009 nicht günstig: Da der Krieg von der UNO in Genf nicht offiziell als beendet anerkannt wurde, muss für jedes Produkt, das von Sri Lanka nach Europa importiert wird, eine Importsteuer bezahlt werden. Das macht einzelne Produkte zwischen sieben und fünfzehn Prozent teurer. Daran seien einige Unternehmen zerbrochen. Aber Kees Maris ist zuversichtlich: „Durch den Regierungswechsel im Januar ist nach sechs Jahren erstmals keine korrupte Regierung mehr an der Macht. Wir erwarten, dass die Steuern im Spätsommer entfallen und wieder richtig exportiert werden kann."

15 bis 18 Monate nach der Pflanzung ist eine Ananas reif zum Ernten.

Weiter verbessern

Deshalb will Morgenland die Produktionsmenge an getrockneter Ananas in den nächsten zwei bis drei Jahren auch verdoppeln: Derzeit stellen zusätzlich etwa 50 Bauern auf Bio um, das entspricht einer Steigerung von 60 bis 70 Prozent. Um Kommunikationsschwierigkeiten zu vermeiden und die Qualität zu sichern, arbeitet Morgenland nur mit Farmern zusammen, die auch Landbesitzer sind. Kees Maris ist regelmäßig vor Ort und besucht die Bauern und die eigene Fabrik in Kurunegala. Diese, etwa 100 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt, ist das Zentrum der Geschäfte von Morgenland auf Sri Lanka. Dort hat das Unternehmen vor neun Jahren noch einmal kräftig in die Produktion investiert, unter anderem in eine automatische Abfüllanlage. Mittlerweile sind in Kurunegala in der Tochterfirma Tropical Health Food 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angestellt, die größtenteils aus der Region kommen. Hier werden die Produkte auch so weit wie möglich ladenfertig gemacht - was teilweise mit einigen Umständen verbunden ist. So ist es zum Beispiel derzeit noch nicht möglich, die Dosen für die Kokosmilch aus Sri Lanka zu beziehen. Um den geringen BPA-Anteil (Bisphenol A) für die komplette Dose zu gewährleisten, muss diese eigens aus Deutschland nach Sri Lanka verschifft werden.

Die Kokosnüsse werden in der Fabrik zu Kokos-wasser, Kokosöl und Kokosmilch verarbeitet.

Auf einem weiteren Ziel unserer Reise, dem Kokosnuss-Feld in Rideegama, werden wir von einem lauten „Kikeriki" zweier weißer Hähne mit leuchtend rotem Kamm begrüßt. Hier ist die Arten- und Pflanzenvielfalt auch für Laien gut sichtbar: Kühe grasen im Schatten der Palmen, gestreifte Palmenhörnchen springen auf den Ästen umher, Eidechsen klettern zwischen den Steinen, Vögel zwitschern. Als Kontrast dazu steht ein kleiner Tempel mit goldener Buddha-Statue an einem einladenden Baum, von dem Hunderte weißer Stoffbänder mit Wünschen von den Zweigen wehen. Sie sollen den Bauern und ihrer Ernte Glück bringen.

Im Inneren steckt die Kokosnuss mit, dem weißen Fleisch, wie wir sie kennen.

Buddha und Würmer

Mr. Dmmio, der Farmer, brennt für den Bio-Anbau: Neben dem Glauben an Buddha vertraut der Farmer hier aber vor allem auf sein Wissen und die „Vermiwash", einer Art pflanzlichem Dünger, das zehn Mal stärker als Kompost wirkt. In einer selbstgebauten Anlage entsteht die Vermiwash durch ein Gemisch aus Kompost und Würmern. Die „Wäsche" soll die Pflanzen stärken, da sie durch das gut durchlüftete und bewässerte Kompostgemisch mit Spurenelementen, Stickstoff, Phosphat und Kalium versorgt werden.

Kokosnusspalmen werden 20 bis 30 Meter hoch.

Der Baum des Lebens

Hier, im sogenannten Kokosnuss-Dreieck zwischen den Städten Kurunegala, Kalutera und Negombo, liegt auch die Fabrik, mit der Morgenland bei der Verarbeitung der Kokosnüsse zusammenarbeitet. Diese sind neben der Ananas das wichtigste Standbein von Morgenland in Sri Lanka: Kokoschips- und Kokosraspeln, Kokosmilch, Kokoswasser und Kokosöl gehören zur Produktpalette. Dafür hat Sri Lanka die besten Voraussetzungen: Kokosnüsse, Kautschuk und Tee sind seit 300 Jahren vom Gesetz geschützt - so ist es zum Beispiel verboten, eine Plantage abzuholzen. Die Kokosnusspalme wird auch „Tree of Life" (Baum des Lebens) genannt, weil fast alles aus der Kokosnuss verarbeitet wird. So gibt es kaum einen Haushalt in Sri Lanka, in dessen Dach keine Teile der Kokospalme verwendet wurden. Seit drei Jahren steigen auch die Preise für Kokosnüsse wieder, was laut Kees Maris zum einen an den Wirbelstürmen auf den Philippinen liegt, die weltweit das Angebot an Kokosnüssen um 20 bis 30 Prozent reduzierten, und zum anderen an der verstärkten Nachfrage nach Kokosöl.

„Alles was man in so einem Land wie Sri Lanka macht, hängt stark von den Menschen ab", sagt Kees Maris. Deshalb lägen ihm und Morgenland die Bedürfnisse der Einheimischen auch besonders am Herzen. Dennoch verzichteten sie bisher bewusst auf das Fair-Trade-Siegel. Stattdessen strebt der Bio-Hersteller jetzt für Tropical Health Food die sogenannte FairTSA-Zertifizierung (Fair Trade Sustainability Alliance) an. Kees Maris ist sicher, dass dieser Standard aus den USA in den nächsten Jahren in der Bio-Branche eine große Rolle spielen wird. Die Zertifizierung betrifft sowohl die bestehende Gebäude- und Infrastruktur als auch Gehalt, Rentengeld, Gesundheitsvorsorge und -versorgung sowie den Schutz und die Erhaltung der Umwelt. Und auch ohne dieses Siegel bestimmt Fairness die Arbeit von Morgenland auf Sri Lanka: Die Bauern erhalten für die Rohwaren einen Ankaufspreis, der 15 bis 20 Prozent über dem üblichen Marktpreis liegt.

In den Kinderschuhen

Im kleinen Dorf in der Trockenzone Sri Lankas, das wir zu Beginn besuchten, wächst derweil die nächste Generation von Bio-Farmern heran. Auf Anregung der Projektverantwortlichen fianzierte Tropical Health Food den Farmer-Kindern dringend benötigte Lehrbücher, als Nächstes erhalten sie Schuhe für den Schulbesuch. Die grünen Betelblätter, die uns die Kinder als Symbol für Glück bei unserer Ankunft feierlich überreicht haben, nehmen wir mit in den Bus, der unsere Reisegruppe zum nächsten Ziel bringt - einem neuen Papaya-Feld. Auch das steckt noch in den Kinderschuhen.

(Fotos: Johanna Emge; Karin Heinze) Firmen-Steckbrief: Morgenland / EgeSun GmbH

Firmengeschichte:

Firmengründer Orhan Yilmaz kam 1978 im Alter von 18 Jahren aus der Türkei nach Deutschland, um ein Chemiestudium in Bremen zu beginnen. Gemeinsam mit einem Partner eröffnete er ein Jahr später den kleinen Bio-Laden „Sonnenblume", in dem es hauptsächlich Tee, Gewürze und Trockenfrüchte zu kaufen gab. Daraus entstand 1985 die Firma Morgenland mit Sitz in Oyten, für die heute 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Weltweit arbeiten in Morgenland-Projekten rund 650 Menschen. Spezialisiert ist das Unternehmen auf Trockenfrüchte, Nüsse und Kokosprodukte. Neben den Projekten in Sri Lanka ist Morgenland in Burkina Faso, der Türkei und der inneren Mongolei aktiv. 2015 sind kleine Projekte in Pakistan, Kanada und Syrien geplant. Am 8. März 2014 wurde das Partner-Unternehmen „Tropical Health Food" aus Sri Lanka für die Verarbeitung von Kokosnüssen mit dem „Best Enterprise Award" ausgezeichnet.

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