Mit 22 kam Punkrocker Henry Rollins zum ersten Mal für ein Konzert nach Berlin. Das Konzert fand in der Nähe der Mauer statt - und jemand warf eine Flasche Bier nach ihm. Sie traf ihn mitten ins Gesicht. Das war Henry Rollins erster Eindruck von Berlin - und er liebte die Stadt. Das Echte und Ehrliche fand er inspiriend, obwohl da die beschissene Grenze war: "Everything seems more intense. There is freedom... but there is a fucking wall."
Die Mauer und wie sie die Menschen und die Stadt formte, faszinierte den jungen Rollins sehr. Sie verleiht der Stadt etwas 'itchiges', etwas kratziges, dass zuvor schon Musiker wie Bowie, Iggy Pop oder Nick Cave inspirierte. Erst wegen Berlin setzte sich der Sänger, dessen Interesse bis dahin eher Punk und Hardcore galt, mit der Musik dieser Künstler auseinander. "Seit die Mauer weg ist, kassiere ich hier keine Prügel mehr auf meinen Konzerten", erklärt Rollins, der dafür bekannt war, keiner Schlägerei aus dem Weg zu gehen. Nicht, dass ihm das fehlen würde. Doch es sei ihm schon aufgefallen: der Druck ist weg. "The compression goes with the wall" -Dafür macht man in Berlin heute das "Kaffee-Laptop"-Ding. Eine Beobachtung, mit der Henry Rollins sein mittlerweile neunzehntes Spoken Word-Programm eröffnet. Dennoch hält Henry Rollins Berlin bis heute für eine der interessantesten Städte auf der Welt.
Rollins ist Schriftsteller, Inhaber eines eigenen Buchverlags, Radio- und TV-Moderator, Reisejournalist, politischer Kommentator, Filmschauspieler, war Frontmann der Hardcore-Kult-Band Black Flag und wurde zum Idol einer ganzen Subkultur. Vermutlich gibt es nichts, was der Grammy-Gewinner nicht gut kann - und nichts, das er nicht gerne mal ausprobieren würde. Henry Rollins ist Mitte 50 und noch immer hungrig aufs Leben. Das hört man bei den mitreißenden Erzählungen seiner Alltagsgeschichten heraus. Er spricht über Musik, Liebe, Verlust. Gewährt sehr persönliche Einblicke in seine Freundschaft zum verstorbenen Gründer der Rockband Motörhead, Lemmy Kilmister. Philosophiert über die Auswirkungen des eigenen Handelns und betont die Wichtigkeit von Umweltschutz, der ihm sehr am Herzen liegt.
Die Apostel-Paulus-Kirche in Berlin-Schöneberg ist am 4.1.2016 bis auf den letzten Platz besetzt. Teilweise müssen die Zuschauer stehen. Der Ort ist gut gewählt. Vor dem Altar predigt der Punkrocker, hinter ihm ein Bild von Jesus. Seine Ausführungen sind witzig, unterhaltsam, aber vor allem: ehrlich. "The world is ours to lose", kommt Rollins nach fast dreistündigem Programm langsam zum Ende. Ob er auf seine alten Tage ein Bäume umarmender Naturjunge geworden sei? Diese Frage wird ihm immer häufiger gestellt. Er möchte das nicht bestreiten.
Do, 07.01.16: Mannheim - Alte Feuerwache Fr, 08.01.16: Frankfurt am Main - Künstlerhaus Mousonturm Di, 26.01.16: Hamburg - Hamburg K6 Mi, 27.01.16: Köln - Kulturkirche Köln
(Foto:Trinity Music)