Jens Möller

Journalist // Nachrichten // Politik // Sport, Bielefeld

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PADERBORN: Steuer fördert Imbiss-Müll - Neue Westfälische

Warum ein Betreiber Frikadellen auf Plastikteller anstatt Porzellan servieren soll

Paderborn. Vor wenigen Tagen gab es die "Frikadelle Spezial" in einem Paderborner Imbiss noch auf Porzellantellern. Bis ein Kontrolleur des Finanzamts Paderborn auftauchte. "Er sagte: Teller und Besteck müssen raus", berichtet der Imbiss-Betreiber. Sonst müsse er mehr Steuern zahlen. Jetzt liegt die Bulette auf Plastik. Nicht nur die Kunden wundern sich.

"Es wird auf staatliche Anordnung mehr Müll produziert", sagt Winfried Lange, der seine Frikadelle jetzt mit einem Plastikmesser schneiden muss. Ein anderer Kunde schüttelt den Kopf: "Wir sollen doch sonst immer etwas für die Umwelt tun." Der Imbiss-Betreiber, der den Stand seit 27 Jahren führt und nicht mit Namen in der Zeitung stehen möchte, urteilt knapp: "Blödsinn". Erst voriges Jahr hatte er die Porzellanteller gekauft. "Aus Umweltgründen", sagt er.

Eine gute Idee, fand er. Leider nein, sagt jetzt der Finanzbeamte. "Wenn ich Kunden mit Porzellan bediene, muss ich auf alles 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen", berichtet der Betreiber. Nur wenn er wieder auf Plastik umsteige, bleibe es beim reduzierten Satz von sieben Prozent. Schlimmstenfalls drohe eine Steuernachzahlung. Das wären "mehrere tausend Euro", sagt der Betreiber.

Bis vor das Europäische Finanzgericht Kann das sein? Fördert das Paderborner Finanzamt Plastikmüll in Imbissbuden? Zu Einzelfällen könne das Amt keine Auskunft geben, sagt Pressesprecherin Christa Steinke. Ob ein Imbiss den vollen Steuersatz zahlen müsse, richte sich "nach den Gegebenheit vor Ort". Und hier wird’s kompliziert. Entscheidend ist: Verkauft der Imbiss nur Lebensmittel? Dann reichen sieben Prozent Mehrwertsteuer, sagt die Sprecherin. Oder ist die Pommes Majo eine Dienstleistung? Das macht 19 Prozent.

Über solche Fragen streiten Gastronomen und Finanzbehörden seit Jahren - sogar bis vors Europäische Finanzgericht. Laut einem EU-Urteil ist entscheidend, ob "Dienstleistungselemente" beim Verkauf überwiegen. Woran man das zwischen Fritteuse, Theke und Stehtisch erkennt, weiß niemand so recht. "Das ist ein Tretminenfeld", berichtet der Paderborner Steuerberater Elmar Volkmann, der auch Gastronomen betreut.

Die Beamten des Finanzamtes haben seitenweisen Vorgaben. Es gebe "keine Vorschrift", sagt Sprecherin Christa Steinke. "Es ist sehr auf den Einzelfall bezogen." Und so fahnden Kontrolleure nach Stühlen, fragen nach Toiletten und gucken in die Schublade. Im besagten Imbiss, berichtet der Betreiber, hätten die Teller letztlich den Ausschlag gegeben. Das Porzellan veredelt den Frikadellen-Verkauf zur Dienstleistung.

Dokumenten Information Copyright © Neue Westfälische 2013 Dokument erstellt am 19.07.2012 um 17:05:39 Uhr Letzte Änderung am 19.07.2012 um 18:13:40 Uhr

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