Bielefeld. Heute wirds ernst. Das glauben jedenfalls manche Menschen, denn der Kalender der Maya endet und mit ihm angeblich auch die Welt. Alles Spinner? Nein, sagt der Theologe und Psychologe Constantin Klein von der Universität Bielefeld. Im Gespräch mit Jens Möller erklärt der Forscher, warum Endzeitängste manchen Menschen sogar beim Leben helfen.
Herr Klein, haben Sie sich ein bisschen Gedanken um den 21. Dezember gemacht? CONSTANTIN KLEIN: Ja, aber weil meine Frau Geburtstag hat und ich überlegt habe, was wir Schönes zusammen machen.Richten Sie bitte Glückwünsche aus. Kerzen für den Kuchen wären übrigens in manchen Gegenden Russlands kaum aufzutreiben. Da haben sich Menschen mit Überlebenspaketen eingebunkert. Nicht nur dort glauben manche, dass heute die Welt untergeht. Sind die verrückt geworden? KLEIN: Nein, verrückt sind diese Menschen nicht. Ich gehe davon aus, dass Menschen, die an den Weltuntergang glauben, nach Struktur in ihrem eigenen Weltbild suchen.
Das heißt? KLEIN: Sie sind unsicher. Es gibt ja reale Bedrohungen, die Angst machen können: Klimakatastrophe, Weltwirtschaftskrise oder drohende Kriege. Die Welt ist komplex, unübersichtlich, nicht immer zu verstehen. Menschen brauchen aber das Gefühl, dass alles einen Sinn ergibt. Das kann auch die Vorstellung vom Weltuntergang leisten.
Mich würde ja so eine düstere Vision erst recht aus dem seelischen Gleichgewicht bringen. KLEIN: Aber es kann auch ein Gefühl der Kontrolle entstehen. Viele dieser Menschen gehen davon aus, dass es so etwas wie ein Endgericht gibt, eine abschließende Gerechtigkeit. Und man kann etwas dafür tun, dass man bei der Endabrechnung auf der richtigen Seite steht. Oft haben die Leute auch das Gefühl, sie gehören zu einer auserwählten Gruppe, die entweder gerettet wird oder wenigstens das Ende richtig vorhersieht. Auch das erhöht das Selbstwertgefühl.
Und wie kommen da ausgerechnet die Maya ins Spiel? KLEIN: Es gibt viele spirituelle Strömungen, einige Menschen bedienen sich aus dem Fundus verschiedener religiöser Traditionen. Dass können schamanische Vorstellungen sein oder eben der Maya-Kalender.
Der heute endet. KLEIN: So wie unser Kalender jedes Jahr am 31. Dezember. Der Kalender wird nicht im Sinne der Maya verstanden. Die dachten zyklisch, also dass sich Dinge immer und immer wiederholen. Dazu passt die Vorstellung vom Weltuntergang nicht. Wie oft stand denn das Ende aller Dinge schon angeblich bevor? KLEIN: Solche Bewegungen sind in der Geschichte immer wieder aufgetaucht, vor allem in Krisenzeiten. Vor der Jahrtausendwende im Mittelalter hat es endzeitliche Ängste gegeben, genauso wie Ende 1999. In Palästina herrschte zu Zeiten Jesu auch eine solche Stimmung. Viele Propheten haben ein Ende der Welt verkündet. Jesus auch.
Das Jüngste Gericht. KLEIN: In der Bibel finden wir die Apokalypse in der Offenbarung des Johannes, die aber aus heutiger Sicht nicht im Zentrum der biblischen Botschaft steht. Es gibt in den meisten Religionen Strömungen, die das Ende der Welt nahen sehen.
Und morgen klettern einige Leute aus ihren Kellern, und alles steht noch. Was macht denn das mit der Psyche dieser Menschen? KLEIN: Innerhalb der Gruppen werden meist Gründe dafür gefunden. Etwa, dass ein Aufschub gewährt wird, vielleicht um mehr Menschen zu bekehren und damit zu retten.
Diese Menschen machen einfach im Alltag weiter? KLEIN: Es mag Einzelne geben, die sich eingestehen, dass sie sich geirrt haben. Das ist aber sehr schmerzhaft. In einem Projekt haben wir mal einen ehemaligen Zeugen Jehovas interviewt. Er bereute, dass er und seine Frau sich gegen Kinder entschieden hatten. Sie glaubten, die Welt gehe ohnehin unter.
Die Idee allein fasziniert aber fast jeden, oder? KLEIN: Das liegt an der Lust am Nervenkitzel. Das sieht man ja in Kinofilmen und Büchern, in denen Krisen ausgeschlachtet werden. Nehmen Sie harmlose Klassiker wie "Ghostbusters": Da geht es um eine klassische religiöse Apokalypse. Und in jedem James-Bond-Film bedroht irgendein Bösewicht die Welt.
Laut Wissenschaft wirds erst in 500 Millionen Jahren ernst. Dann hat die Sonne ihre Energie verbrannt. Beruhigend, was? KLEIN: (lacht) Hier und heute natürlich schon. Aber um unsere Erde mache ich mir auch keine großen Sorgen, eher um die Menschen. Ich denke da etwa an die Folgen der Klimaerwärmung.
Dokumenten Information Copyright © Neue Westfälische 2013 Dokument erstellt am 20.12.2012 um 18:21:25 Uhr Letzte Änderung am 21.12.2012 um 16:58:40 Uhr