Jens Möller

Journalist // Nachrichten // Politik // Sport, Bielefeld

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Artikel

Bielefeld: Professor nach 30 Jahren vom Stasi-Verdacht befreit

Das Land NRW rehabilitiert Wissenschaftler vom Vorwurf, ein DDR-Agent gewesen zu sein

Bielefeld. 16 Jahre hat es gedauert. 1997 hatte das Land Nordrhein-Westfalen den Bielefelder Universitätsprofessor Dieter Kemper (Name geändert) aus dem Staatsdienst geworfen. Der ungewöhnliche Kündigungsgrund: Der Wissenschaftler habe sich als Stasi-Agent an der Universität eingeschlichen. Bewiesen wurden die Vorwürfe nie. Doch erst jetzt wurde Kemper vor Gericht rehabilitiert.

Die Parteien trafen sich vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster: Auf der einen Seite Dieter Kemper, inzwischen weit über 70 Jahre alt, auf der anderen das NRW-Wissenschaftsministerium. Bereits seit 2008 lag das Verfahren in Münster. Erst nach langem Ringen lenkten die Vertreter des Ministeriums ein und stimmten einem Vergleich zu: Das Land nimmt die Entlassung zurück. "Der Professor ist zum 1. März wieder in das Beamtenverhältnis aufgenommen worden", bestätigte ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums auf Anfrage der Neuen Westfälischen.   Zu den Hintergründen des Verfahrens will der Sprecher nichts sagen, "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes". Dieter Kemper selbst möchte sich öffentlich nicht äußern, auch sein Anwalt schweigt. Was der Forscher über die Jahre erlebt habe, sei "sowas von schändlich", sagt eine mit dem Fall vertraute Person, die nicht namentlich in der Zeitung genannt werden will.

"Geheimdienstliche Agententätigkeiten für die DDR": Damit hatte nach Informationen dieser Zeitung das Wissenschaftsministerium 1997 den Rauswurf des Bielefelder Professors begründet. Zu Beginn der 70er Jahre hatte Kemper einen Lehrstuhl in einem naturwissenschaftlichen Fach an der Universität Bielefeld übernommen. Damals, so urteilte das Ministerium, habe der Forscher verschwiegen, dass er Spion in Diensten der Stasi gewesen sei. So habe Kemper seine Ernennung "durch arglistige Täuschung herbeigeführt".

Das Ministerium stützte sich auf vorangegangene Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf. Bereits in den 80er Jahre hatte die Beamten dort Kemper unter dem Verdacht, ein Spion der DDR gewesen zu sein. Es fanden sich aber keine Beweise. Einige Jahre nach dem Fall der Mauer drängte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf eine Wiederaufnahme des Falls. Diesmal kamen die Ermittler zu dem Schluss, der Stasi-Vorwurf habe sich "im Kern bestätigt".

Der Wissenschaftler, der in den 50er Jahren aus der DDR in die Bundesrepublik gekommen war, sollte sich auf Reisen nach Ost-Berlin und Leipzig mit Vertretern des DDR-Regimes getroffen und ihnen "den allgemeinen Entwicklungsstand" auf seinem Forschungsgebiet mitgeteilt haben. Schaden für die Bundesrepublik habe der Professor nicht angerichtet, vermerkten die Ermittler. Auch deswegen erhielt Kemper ein Angebot: Gegen eine hohe Geldauflage würde die Strafverfolgung eingestellt. Der Professor zahlte. Gegenüber Vertrauten sagte er, er habe sich und seiner Familie die Belastung eines langwierigen Prozesses ersparen wollen. Juristisch gesehen war die Geldzahlung kein Schuldeingeständnis, die Vorwürfe vor keinem Gericht bewiesen. Aber im NRW-Wissenschaftsministerium beschloss man, den angeblichen Ex-Agenten aus dem Staatsdienst zu entfernen. Kemper klagte dagegen, scheiterte jedoch 1998 in zweiter Instanz vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster.

Das Problem des Wissenschaftlers: Die Beweispflicht war nun umgekehrt, der Professor sollte seine Unschuld belegen. Entlastende Hinweise konnten alte Stasi-Akten liefern. Doch die Recherchen waren kompliziert, erst 2007 erreichten Kemper und sein Anwalt ein sogenanntes Wiederaufgreifensverfahren. Aber vor dem Verwaltungsgericht in Minden bekam erneut das Ministerium recht, der Fall landete damit wieder in Münster.

Dort nun der Vergleich: Das Land setzt Kemper wieder als emeritierten Professor ein, der Pensionär verzichtet dafür auf eine Teil der Bezüge, die ihm aus den vergangenen Jahren zugestanden hätten. Die Gerichtskosten für das gesamte Verfahren trägt das Land.

Dokumenten Information Copyright © Neue Westfälische 2013 Dokument erstellt am 22.05.2013 um 18:11:30 Uhr Letzte Änderung am 23.05.2013 um 12:43:28 Uhr

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