Ein Polizist schlägt einem 17-Jährigen plötzlich in den Bauch. Der junge Mann sackt zusammen. Vor wenigen Tagen veröffentlichte das Internetportal "Mopo24" das Video dazu. Es zeigt, wie am Rande einer Cegida-Demonstration in Chemnitz ein junger Mensch von zwei Beamten abgeführt und geschlagen wird. Die Polizei Chemnitz hat Ermittlungen gegen den Beamten eingeleitet. Ein Einzelfall?
Körperverletzung im Amt - jährlich 200 AnzeigenJährlich werden in Sachsen um die 200 Anzeigen gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt gestellt. So geht es aus der Antwort des sächsischen Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage vom Januar hervor. Sprecher Jan Meinel: "Und so sind beispielsweise von den 182 Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt im letzten Jahr bereits 120 von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.Das ist ein gutes Zeichen? Das ist ein sehr sehr gutes Zeichen. Sie können die Statistik ja mehrere Jahre zurück verfolgen und sehen, dass nur ein ganz geringer Prozentsatz auch zur Anklage kommt - weniger als drei Prozent. Insofern haben wir kein Problem mit Gewalt."
Doch nicht jedes Verfahren wird eingestellt, weil die Unschuld des Beamten erwiesen ist. Die Zahlen des Innenministeriums zeigen auch: über 50 Prozent der Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt werden eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt, oder die Schuld nicht nachgewiesen werden kann. Beamte dürfen Gewalt anwenden - sie machen sich aber strafbar, wenn sie dies ohne nachweisbaren Grund tun.
Schlag in die NierenDas Bündnis "Dresden Nazifrei" hatte am 15. Februar zu Protesten gegen einen Naziaufmarsch aufgerufen und kritisiert das unnötig harte Vorgehen gegen Demonstranten. Über 30 Personen haben sich laut Sprecher Silvio Lang über tätliche Übergriffe durch Polizeibeamte beschwert: "Ganz konkret hat es einen Menschen erwischt, der einen Schlagstock in die Nierengegend bekommen hat. Dadurch hat sich ein Nierenhematom gebildet. Er lag 50 Stunden auf der Intensivstation. Die zweite schwere Verletzung ist, dass ein Polizist eine junge Frau umgeschubst hat. Sie ist mit dem Kopf aufgeschlagen und hatte eine Schädelhirntrauma."
Obwohl das Bündnis dazu rät, will wohl keiner der Betroffenen Anzeige erstatten. Aus Angst und weil viele glauben, dass eine Anzeige zu nichts führt, so Lang. Das Misstrauen ist offenbar groß. Sprecher Meinel vom Innenministerium versichert, dass jeder Einzelfall sehr ernst genommen und geprüft wird: " Grundsätzlich ist es immer erschreckend, wenn Gewalt von Polizisten ausgeht. Wir sind da auch sehr streng in der Verfolgung und in der Aufklärung solcher Taten. Da gilt bei uns im Freistaat die Null-Toleranz-Regel."
Anonym und folgenlosUm das Vertrauen der Bürger in Polizei und Rechtsstaat zu stärken, müsse mehr getan werden, fordert Amnesty International Deutschland seit Jahren. Zu oft blieben falsches staatliches Handeln anonym und Verstöße folgenlos, meint der Polizei-Experte der Menschenrechtsorganisation Alexander Bosch: "Ein Lösungsansatz wäre, dass auch Sachsen die individuelle Kennzeichnungspflicht für die Polizei einführt. Darüber hinaus wäre eine unabhängige Ermittlungsinstanz wichtig. Denn sehr häufig ist das Problem, dass zwar die Staatsanwaltschaft die Herrin des Verfahrens ist, aber die Konkreten Ermittlungstätigkeiten übernehmen immer Polizisten und Polizistinnen und das ist natürlich keine unabhängige Ermittlung."
Keine Mehrheit für Kennzeichnung von PolizistenDie Einrichtung einer unabhängige Kommission, wie es sie beispielsweise in Skandinavien und einzelnen Bundesländern gibt, lehnte der sächsische Landtag 2013 ab. Auch für die Kennzeichnung von Polizeibeamten gibt es noch keine Mehrheiten.
In Berlin und Brandenburg gilt die Kennzeichnungspflicht bereits. In Hessen und Baden-Württemberg soll sie noch in diesem Jahr eingeführt werden. In Rheinland-Pfalz tragen Polizisten seit vergangenem Jahr ein eigenes Nummernkennzeichen und in Niedersachsen ist dieses Ansinnen Teil des Koalitionsvertrags.
Zuletzt aktualisiert: 09. März 2015, 10:36 Uhr
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