Angesichts des dramatischen Kampfes ihrer Landsleute gegen die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak fordern Kurden bei Protestaktionen in ganz Europa mehr Unterstützung. In zahlreichen deutschen Städten versammeln sich seit Montagabend Kurden immer wieder zu Kundgebungen. Auch gestern in Erfurt.
von Jennifer Stange, MDR INFO
Angespannt ist die Stimmung im kurdischen Kulturverein Mesopotamien in Erfurt. Etwa 20 Menschen verfolgen hier am Dienstagmittag gebannt die Nachrichten über die umkämpfte kurdische Stadt Kobane. Meter für Meter rücken hier die IS-Kämpfer vor. Für viele ein schwer zu ertragender Anblick, nicht zuletzt aus persönlichen Gründen, beschreibt Milan Ibrahim: "Es ist sehr schwer, ich fühle mich so hilflos. Heute früh wollten wir meinen Bruder anrufen, aber sein Handy war aus. Wir machen uns sehr große Sorgen um ihn. Was macht dein Bruder dort? Der kämpft gegen die ISIS - die Terror-ISIS."
"Ein Rückschlag für freiheitsliebende Menschen"Die 18-jährige Milan kam vor sechs Jahren mit ihren Eltern aus der heute umkämpften Region Rojava nach Deutschland. Ihr Bruder war geblieben und kämpft nun in Kobane gegen die Dschihadisten. Seit Montag heißt es, die nordsyrische Stadt stehe kurz vor der Eroberung durch den "Islamischen Staat". Für Ercan Ayboga, Vorsitzender des Kulturvereins, eine menschliche, aber auch politischeTragödie: "Weil die Menschen eine demokratische Gesellschaftsform mitten im syrischen Bürgerkrieg aufgebaut haben in Kobane und in weiteren zwei Regionen. Und angesichts dessen ist eine Einnahme der Stadt Kobane besonders dramatisch. Es wäre ein Rückschlag für die freiheitsliebenden Menschen und die Demokraten im mittleren Osten."
Bundesregierung soll Druck auf die Türkei machenDennoch sind alle im Kulturverein auf das scheinbar Unvermeidliche gefasst. Bei einer Solidaritätskundgebung auf dem Erfurter Willy-Brandt-Platz stellen sie später Grablichter zu einem Schriftzug auf: Kobane. Ein trauriges Symbol - aber nicht das Ende im Kampf gegen den IS, sagen die Kurden, und der brauche immer noch Unterstützung: "Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie endlich ernsthaft Druck auf die Türkei ausübt, damit der IS nicht unterstützt wird."
"Die Türkei spielt ein falsches Spiel"Seit Monaten berichten Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und internationale Medien darüber, dass die Türkei die Dschihadisten unterstützt. Vor gut einer Woche billigte nun das türkische Parlament Militäreinsatze gegen den IS. Trotzdem glaubt Ayboga nicht an einen grundlegenden Kurswechsel: "Die Türkei spielt ein falsches Spiel. Dieses Gesetz, das dort im Parlament verabschiedet wurde, beinhaltet nicht nur den Kampf gegen den IS, sondern auch den Kampf gegen alle so genannten terroristische Organisationen im Irak und in Syrien."
Unterstützung von Linken und GrünenDamit wären eben auch kurdische Organisationen eingeschlossen, die derzeit gegen den IS kämpfen, sagt Ayboga. Mit den Kurden solidarisierten sich bei der gestrigen Kundgebung in Erfurt auch Thüringer Landtagsabgeordnete der Partei Die Linken und Bündis 90/Die Grünen. "Wir brauchen endlich ein klares Signal der Türkei an die Kurdinnen und Kurden, dass sie nämlich zu ihnen steht", so Astrid Rothe-Beinlich, Vize-Präsidentin des Thüringer Landtags und Mitglied im Bundesvorstand der Grünen.
Zuletzt aktualisiert: 08. Oktober 2014, 15:49 Uhr
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