Ich spreche während der Recherche mit Menschen wie Mike, die erfolglos an Seminaren teilgenommen haben, um von ihrer Homosexualität wegzukommen. Vieles laufe im Verborgenen ab, sagen sie, solche Angebote würden oft unter der Hand empfohlen. Zahlen über Teilnehmer und Patienten, über Seminare und Therapien gibt es nicht.
In Dresden erklärt mir der Arzt, welche Ursachen für Homosexualität aus seiner Sicht infrage kommen. Häufig wertschätze der Vater seinen Sohn nicht genug. Oder die Mutter überbehüte den Sohn. Er erklärt mir, Homosexualität sei eine neurotische Fehlentwicklung. Wie kann ein approbierter Arzt, der an einer Universität studiert hat, derlei behaupten?
Ich bin schwul, solange ich denken kann. Ich habe es mir nicht ausgesucht, schwul zu sein - aber ich wollte auch nie anders sein. Was machen solche angeblichen Therapien mit Menschen, die unsicher sind, deren Umfeld sie vielleicht dazu überredet, einen "Arzt" aufzusuchen?
Umpolungsversuche mit möglichen gravierenden FolgenDie Bundesärztekammer warnt vor den gravierenden Folgen solcher Umpolungsversuche. Im vergangenen Herbst hat sie nach der Generalversammlung des Weltärztebundes noch einmal in einer öffentlichen Erklärung klargestellt, dass Homosexualität keine Erkrankung ist. Sogenannte Konversionstherapien seien nicht nur unwirksam, sondern könnten sich negativ auf die Gesundheit auswirken.
Auch die Oberärztin Lieselotte Mahler hat sich mit den möglichen Folgen solcher Veränderungsversuche beschäftigt: "Das Gefühl, in der Therapie versagt zu haben, kann zu tiefen Depressionen und Angststörungen bis hin zu Selbstmorden führen", sagt sie. Mahler ist Psychiaterin an der Berliner Charité und leitet bei der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie das Referat für sexuelle Orientierung.