Wer einen vollen Terminkalender hat, ist gefragt. Wer von einem Termin zum anderen fliegt, erfolgreich. Mal wieder runterzukommen wird immer schwerer. Wir wollten von Prominenten wissen, was hinter der Sehnsucht steckt, stets noch besser werden zu wollen. Kluge Antworten von klugen Menschen
„Wir wollen uns selbstverwirklichen und die begrenzte Zeit, die uns gegeben ist, optimal nutzen. Daher kommt unsere Sehnsucht, besser zu werden, beruflich voran zu kommen und die größtmögliche Leistung zu bringen. Ich empfinde diesen Ehrgeiz und Antrieb als etwas sehr Positives. Er ist ein Ausdruck von intensivem Lebenswillen im Kampf gegen die eigene Vergänglichkeit. Es ist allerdings erschreckend, dass heute so viele Fälle von Burnout existieren. Das hat meiner Ansicht nach aber nicht nur mit den modernen Anforderungen der Berufswelt zu tun. Um sich Träume zu erfüllen, setzt man sich manchmal unter Druck. Ich glaube vielmehr, das Problem unserer Zeit ist, dass wir nicht mehr abschalten können - vor allem nicht unser Handy. Wir sind Opfer unserer Smartphones, checken ständig unsere Emails, befeuern uns auch nach Feierabend mit Informationen, Ablenkungen, Impulsen. Dadurch entsteht ein Gefühl derUnruhe, eine Rastlosigkeit. Daher kommt aus meiner Sicht der wahre Stress. Ich bewundere Menschen, die es in der heutigen Zeit schaffen, sich unabhängig von der ganzen digitalen Informationsflut zu machen und gelasse damit umgehen. Ich schaffe das leider nicht immer."
„Die Menschen sind heute extrem leistungsorientiert, die Latte wird immer höher gelegt: reicher, schöner, sportlicher. Klar sollten wir uns fragen, warum überhaupt wir immer besser werden wollen. Aber die wichtigere Frage ist doch: Wie lernt man, zufrieden zu sein - und zwar mit dem, was man hat? Wer sich an unerreichbaren Überwesen misst, ist verflucht, nie diesen Glückszustand zu erreichen. Es geht im Leben nicht darum, dass wir uns optimieren. Es geht darum, dass man freundlich zu anderen ist und Mitgefühl enwickelt. Wer das erkennt und essich abgewöhnt, sich mit anderen zu vergleichen, der stellt sich solche Fragen nach Perfektion gar nicht mehr.
Ich persönlich kann mich davon frei machen. Ich vergleiche mich nicht mit anderen. Da hatte ich eine tolle Mutter, die mir von klein auf eingetrichtert hat: „Kümmere dich nicht darum, was die anderen von dir denken." Dafür bin ich ihr sehr dankbar, denn es hat vieles leichter für mich gemacht. Diese Haltung macht einen frei. Heute gebe auch ich solche Sätze auch an meine Tochter weiter. In der Arbeit wie in der Beziehung gilt: „Man ist nur so angreifbar wie man sich macht." Und: „Nimm nicht alles persönlich!" In der Anwendung funktioniert für mich beides gut. Auch beim Thema Schönheit setze ich mich nicht unter Druck. Ich bin ziemlich uneitel. Ich rauche, ich trinke, ich mache keinen Sport - so bin ich eben. Natürlich habe ich trotzdem meine persönlichen Ansprüche an mich selbst. Ich wäre zum Beispiel gern ordentlicher. Aber ich muss doch auch sehen, was ich neben meinem Beruf als Schauspielerin und dem Muttersein wirklich von mir verlangen kann. Je älter ich werde, desto entspannter bin ich. Meine Tochter ist gerade 18 geworden. Wenn ich so mitbekomme, um was sie sich gerade Gedanken macht, bin ich sehr dankbar, dass ich in einer entspannteren Altersgruppe bin. Ich habe keine Angst vor dem Alter. Ich will 90 werden. Und ganz schrumpelig, bitteschön!"
„Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr leistungsorientiert ist, und stehen im permanenten Wettbewerb miteinander. Früher dachte ich, das beginnt in der Schule mit der Einführung der Zensuren. Als junge Mutter weiß ich: Es beginnt schon bei den Babys. ,Wieso kann dein Baby schon krabbeln und meines nicht?' Verrückt. Wenn mehr Menschen den Mut hätten, auch mal zu ihren Fehlern zu stehen, wäre manches einfacher. Das würde diesen überirdischen Leistungswahn ein wenig entkräften. Ich für meinen Teil habe festgestellt: Sobald ich etwas mit Druck angehe und es unbedingt haben möchte, scheitere ich. Deshalb versuche ich, so entspannt wie möglich an neue Aufgaben heranzugehen."
Heute heißt es: Entweder du machst den Job, oder es macht eben ein anderer. Der Leistungsdruck hat deshalb weniger mit der inneren Haltung zu tun, da läuft etwas in unserer Gesellschaft falsch. Arbeitgeber sollten sich die Mühe machen, herauszufinden, worin jemand wirklich gut ist. Denn nur wer aus seiner Arbeit Befriedigung zieht, kann funktionieren. Ich habe das große Glück, etwas tun zu können, das mir gefällt. Doch auch ich kenne Druck. Im Studio bin ich häufig unzufrieden mit mir. Das Tolle an meinem Job als Musiker ist, dass ich in diesen Momenten einfach Texte über mein Hadern und Zweifeln schreibe. So mache ich den Druck zu meinem Ausdruck - ein gutes Ventil."
Antworten von Moritz Bleibtreu, Sabine Postel und Lisa Maria Potthoff „Im Vergleich zu anderen geht es uns gut. Darüber sollten wir uns freuen"Moritz Bleibtreu, 41, Schauspieler #image10053left „Ich bin oft in arme Länder gereist. Die Menschen dort haben gar keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, ob sie unzufrieden sind. Uns geht es wahnsinnig gut. Darüber sollten wir uns freuen. Ich kann mich gut freuen und bin überhaupt nicht gut im Nörgeln. Dafür ist mir mein Leben zu kurz. Natürlich mache ich mir trotzdem Druck in manchen Dingen. Allgemein bin ich dafür aber nicht anfällig. Ich hatte immer ein gewisses Urvertrauen, dass alles irgendwie werden wird. So ist das bis heute geblieben."
„Die Welt um uns herum wird immer hektischer. Gerade beim Film arbeiten wir unter der Vorgabe: Time is Money. Entziehen kann man sich diesem Stress nicht, nur versuchen, ihn durch Professionalität und gute Laune abzumildern. Ganz wichtig ist mir, private Inseln zu schaffen: Durch das Zusammensein mit meinen Lieben, Spaziergänge mit meinen Hund oder schöne Wochenenden. So kann ich abschalten und Kraft tanken. Meine Maxime ist, zu versuchen, jeder Situation eine schöne Seite abzugewinnen. Und das gelingt öfter, als man glaubt!"
„Unsere Eltern wollten es besser machen als die Generationen vor ihnen. Statt uns in vorgefertigte Rollenmuster - Hausfrau, Ernährer - zu drängen, oder die Berufswahl vorzugeben, klopften sie uns liebevoll auf die Schulter und sagten: Finde heraus, was du wirklich im Leben willst. Klingt erstmal gut. Doch bald steht man als junger Mensch da und fragt sich ratlos: Ja, was will ich denn eigentlich? Die meisten wünschen sich eine erfolgreiche Karriere kombiniert mit der Erfüllung als Mutter oder Vater in einem gepflegten Eigenheim. Das Ziel, in vielen Dingen gleichzeitig gut sein zu wollen, führt oft zu Überforderung. Das nutzen die Medien, und so gibt es für alles den perfekten Ratgeber: „Wie optimiere ich meine Karriere", „Das glücklichste Kleinkind der Welt", oder einfach und schlicht: „Sorge dich nicht, lebe!" Bringen diese Ratgeber etwas? Eher nicht. Denn trotzdem hetzen viele wie ich oft durchs Leben und haben keine Antwort auf die entscheidenden Fragen. Mein Ausweg? Öfter das machen, was mir in jedem Entschleunigungsseminar für teues Geld geraten werden würde: Ich nehme das Leben einfach mit Humor. Und mache dann und wann das Handy aus. Oder ich halte mich an Jean-Jaques Rousseau, den französischen Schriftsteller und Philosophen, der sagte: „Glück besteht aus einem soliden Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung."