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Big-Wave-Surfer Freddy Olander: "Mein Ziel ist die 30-Meter-Welle. Weltrekord"

Berliner in Nazaré Big-Wave-Surfer Freddy Olander: "Mein Ziel ist die 30-Meter-Welle. Weltrekord"

Freddy Olander sieht nicht so aus, als könne er es mit Monstern aufnehmen. Doch der drahtige Berliner mit dem schmalen Gesicht legt sich täglich mit Monstern an: Er surft die größten Wellen der Welt.

Seit zwei Jahren pendelt Olander zwischen Berlin und Nazaré. In dem 100 Kilometer nördlich von Lissabon gelegenen Fischerdorf brechen zwischen Oktober und März Wellen, die über 30 Meter hoch werden können - das ist etwa so hoch wie ein 10-stöckiges Gebäude.

Big-Wave-Surfer in Nazaré können jeden Tag sterben - auch bei guten Bedingungen

Bis vor zwei Jahren paddelte Olander ohne Hilfe 10 Meter hohe Wellen an. "Beim Free Paddel hatte ich aber das maximale Level erreicht", sagt der 37-Jährige.

Olander wollte mehr. Mehr Thrill, mehr Adrenalin, mehr Glücksgefühle. Er wollte sehen, was er alles aus sich herausholen kann. Deswegen surft er jetzt professionell. Und lässt sich mit einem Jetski hinaus in die riesigen Wasserschluchten ziehen - neben Sebastian Steudtner und Kai Lenny, den besten Big-Wave-Surfern der Welt.

Wenn die Surfer von Nazaré auf dem Peak, also dem höchsten Punkt der Welle, stürzen, können sie sterben. Denn das Wasser ist aus dieser Höhe fast so hart wie Beton. Wer unglücklich fällt, dem bringt auch die aufblasbare Rettungsweste nichts mehr, welche einen Big-Wave-Surfer auch bewusstlos an die Wasseroberfläche zieht, damit er unter den Tonnen an herumwirbelnden Wasserfluten nicht ertrinkt.

Ziel: Weltrekord

Olander ist das bewusst. In Nazaré passiere ständig etwas. " Die Wellen brechen hier völlig unkontrolliert", sagt er. Darum könne man sie schwer einschätzen. "Wenn die Welle unglücklich auf dir landet, kann sie dir alle Knochen brechen." Wie bei dem Kollegen Andrew Cotton, der sich bei einem sogenannten Wipeout (schwerer Sturz) 2017 den Rücken brach. Angst sei bei jeder Surfsession ein Begleiter.

Seit Freddy Olander 13 ist, dreht sich sein Leben nur ums Surfen

Warum Olander dieses Risiko eingeht? Weil es genau dieser Adrenalinrausch ist, der ihn glücklich macht. Weil Surfen sein Leben ist. Mit 13 stand er zum ersten Mal auf dem Surfboard, bei einem Familienurlaub in Marokko. "Da wusste ich, dass sich mein ganzes Leben nur ums Surfen drehen würde." Für verlängerte Surf-Wochenenden in Spanien hat der damalige Teenager sogar die Schule geschwänzt - und das Abi schließlich trotzdem geschafft. Das Studium (Business Administrations) hat er im Alter von 20 Jahren zwei Jahre lang unterbrochen, um eine Bungalow-Anlage in Costa Rica zu führen, "mit der besten Welle direkt vor der Haustür".

Als Olander irgendwann zurückkam, um sein Studium zu beenden, hat er bei seiner Willkommensparty in einem Berliner Club geweint. "Ich habe in Costa Rica im Paradies gelebt, Früchte von den Bäumen gegessen." Er hätte damals ausgesehen wie Mogli, erzählt Olander grinsend, braun gebrannt und mit langen Haaren. "Aber ich wollte mein Studium beenden." Nach dem Abschluss hat Olander auf Bali, in Australien und im Südpazifik gearbeitet - um an den besten Surfspots wellenreiten zu können.

"Dieses Gepose nervt. Alle wollen jetzt coole Surfer sein"

Das klingt nach einem perfekten Leben. Olander war glücklich. Doch dann kam der Hype um das Surfen. Die Folge: überfüllte Lineups, überteuerte Surfbretter, und viel Gelaber um nichts. "Viele Anfänger haben mir erzählt, sie wollen den Surfer-Lifestyle wenigstens im Urlaub leben und ausbrechen aus dem 08/15 Leben", erzählt Olander. Das fände er ok.

Was ihn nerve, sei der Kommerz und das Gepose. "Alle wollen jetzt coole Surfer sein, und reden ständig darüber. Schrecklich." Auch deswegen surft Olander jetzt nur noch große Wellen - denn da trifft er auf Gleichgesinnte. Was sie eint, ist die wahre Passion für das Surfen. Außerdem wollte Olander nach so vielen Jahren wieder näher an seiner Heimat sein. "Nazaré ist perfekt für mich. Hier sind große Wellen mit Power, das hab ich schon immer geliebt. Außerdem kann ich von Portugal schnell nach Berlin zu Freunden und Familie."

Olander: "Mein Ziel ist es, eine über 30 Meter hohe Welle zu surfen. Weltrekord"

Seit sieben Jahren trainiert Olander in Nazaré. Nur die besten Big-Wave-Surfer der Welt trauen sich hier ins Meer. Die letzten Jahre hat sich Olander mit eigener Körperkraft hinaus auf den Atlantik gekämpft, abwechselnd paddelnd und unter riesigen Wellen hindurchtauchend. "Da hab ich auch mal eineinhalb Stunden versucht, ins Lineup zu kommen - ohne Erfolg." Seit diesem Jahr hat er ein Team, damit er in kürzerer Zeit mehr Wellen surfen kann. Mit Ende 30 will er nochmal aufs Ganze gehen. "Mein Ziel ist es definitiv, eine über 30 Meter hohe Welle zu surfen. Das wäre dann Weltrekord."

Um das zu erreichen, trinkt er seit drei Monaten keinen Alkohol, fastet regelmäßig, ernährt sich überwiegend vegan. Dazu trainiert er das ganze Jahr über "fast zu viel, ohne richtige Ruhephasen." Stretchen, Workout, Atemtrainining, Schwimmen. Jeden Tag. Außer, es geht an diesem Tag raus aufs Meer. Denn dann braucht Olander seine ganze Kraft.

Freddy Olander musste schon öfter um sein Leben kämpfen - darum macht er trotzdem weiter

Wenn die Konditionen gut sind, fährt er heraus zu den Monsterwellen. Drei Jetskis mit Fahrern sind dabei; ein Spotter, der die richtigen Wellen raussucht; und die Fotografin Heidi Hansen. Alle wollen, dass Olander die größtmöglichen Wellen bekommt. Und passen gleichzeitig auf, dass ihm nichts Schlimmes passiert. "Du musst deinem Team bedingungslos vertrauen können", sagt Olander. Er weißt das, weil er schon öfter um sein Leben kämpfen musste.

"Ich bin einmal gefallen, und der Druck der Welle war so krass, dass ich meinen Arm nicht zur Weste bekommen habe, damit die sich aufbläst. Ich war eine Ewigkeit unter Wasser und hatte schon Panik. Irgendwann hab' ich das dann geschafft. Dann bist du oben, aber dann kommt die nächste Welle. Und die quetscht dir durch den Druck wieder die ganze Luft aus der Weste. Der Jetski-Fahrer konnte mich nicht retten, weil die Wellen so groß waren. Ich musste mich selber durchkämpfen - oder eher überleben."

Dieses Erlebnis habe ihn "total zerstört". Zwei Wochen habe er gebraucht, um wieder ins Wasser zu gehen. "Zu lange warten darf man aber nicht, sonst wird die Angst zu groß."

Lebensgefährlich - doch auch "das beste Gefühl der Welt"

Schon mehrmals habe er darüber nachgedacht, aufzuhören. Doch dann locken ihn wieder die Monsterwellen von Nazaré.

"Ich habe immer große Wellen gesucht und wollte diese bezwingen", erzählt Olander. Doch Nazaré sei nochmal ein ganz anderes Level. "Wenn du dort eine Welle mit 50 km/h runtersurfst, spürst so viele Gefühle gleichzeitig. Es ist eine Mischung aus Adrenalin, Angst und Glück. Wenn ich die Welle schaffe und alles geht gut, bin ich eine ganze Woche high von dem Rausch. Es ist das beste Gefühl der Welt."

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