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Deutschland führt im FKK-Ranking. "Wozu die nasse Klamotte?"



Laut einer Umfrage führen die Deutschen die Liste der Freikörperkultur-Fans an. In Frankreich, wo Brigitte Bardot Ende der Sechzigerjahre Oben-ohne-Sonnen praktisch erfand, ziehen sich Frauen nicht mehr gerne aus. Warum eigentlich?


Papst, Eurovision-Songcontest-Sieger, Fußballweltmeister: Seit einigen Jahren räumt Deutschland regelmäßig Spitzenplätze ab. Dass andere Nationen diese Entwicklung langsam deprimierend finden, zeigt die aktuelle Berichterstattung internationaler Medien zur folgenden Nachricht: Wir führen auch die FKK-Weltrangliste an.

"Unsere effizienten, humorlosen Freunde übertreffen den Rest der Welt nicht nur im Fußball oder bei Autos, sie sind auch am wenigsten prüde", schreibt etwa das New Yorker Online-Magazin "Slate". Schwingt da ein wenig Zynismus mit? Hey, Amerikaner, nehmt es locker. "Take it easy!"

Grund für den Unmut ist eine Umfrage des Online-Reisebüros Expedia unter 11.165 Erwachsenen aus 24 Ländern. Demnach hat Deutschland die meisten FKK-Anhänger. Rund 28 Prozent der Befragten gaben an, sich schon einmal ohne Bikini oder Badehose am Strand gesonnt zu haben. Das ist fast jeder Dritte. Damit zeigen wir uns so selbstbewusst nackig wie kaum ein anderes Land.

Nur unsere Nachbarn, die Österreicher, ziehen sich genauso gerne aus wie wir (28 Prozent). Auf Platz zwei landeten die Norweger (17 Prozent), auf Platz drei die Spanier (17 Prozent). Weit abgeschlagen war Japan. Nur zwei Prozent haben sich hier schon ohne Kleidung in der Öffentlichkeit gezeigt.

Deutschland ist und bleibt ein FKK-Land

Historikern zufolge ist die FKK-Kultur in Deutschland stärker verbreitet als in anderen Ländern. Einer der Gründe hierfür ist, dass die Hippiebewegung Ende der Sechziger hier stark ausgeprägt war. Nacktheit war damals ein Ausdruck von Freiheit, man protestierte auf diese Weise friedlich gegen die Spießigkeit der Eltern, die Heuchelei der Fünfziger, des Systems.

In der DDR galt das Nacktsein am See unter Alt und Jung zu jener Zeit als vollkommen normal, hier waren die Menschen diesbezüglich noch viel toleranter als in der Bundesrepublik. Und schließlich kam der Fitness-Boom der Achtziger- und Neunzigerjahre. Deutsche trainierten fleißig ihren Body - und wollten den auch zeigen.

Doch nicht alle Deutschen gehen so locker mit Nacktheit um. Eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstitut Emnid, welches im Auftrag von "Reader's Digest" 1011 Deutsche nach ihrer Meinung über das Nacktbaden befragt hat, ergab: Wenn sich andere ausziehen, finden das viele okay, aber bitte nicht überall. 63 Prozent der Befragten halten das Nacktbaden nur in eigens dafür ausgewiesenen Bereichen für akzeptabel. Dabei sind Frauen mit 67 Prozent deutlich strenger in ihrem Urteil als Männer (58 Prozent).

Anderen "nicht die Nacktheit ins Gesicht kloppen"

Kurt Fischer, Präsident des Deutschen Verbands für Freikörperkultur (DFK) in Hannover, findet das in Ordnung. "Sich nur in dafür vorgesehenen FKK-Gebieten auszuziehen, zeigt Respekt gegenüber den Angezogenen. Ich will denen, die es nicht sehen wollen, als 72-Jähriger nicht meine Nacktheit ins Gesicht kloppen", sagt er. "Aber ich finde es auch nicht gut, wenn sich Angezogene im FKK-Bereich aufhalten, gucken und blöde Sprüche abgeben." Respekt sei auch unter FKKlern ganz wichtig. "Man guckt sich im Gespräch in die Augen und nicht auf die Geschlechtsteile."

Dass die Mitgliederzahlen des DFK in den vergangenen Jahren durchschnittlich um zwei Prozent pro Jahr gesunken sind, widerspreche nicht den Statistiken, dass die Deutschen sich gerne nackt sonnen, sagt Fischer. "Die Leute möchten heute allgemein nicht mehr gern in Vereinen sein, weil sie ihre knapp bemessene Freizeit frei gestalten wollen." Wer sich am Sonntag spontan nackt an die Ostsee legen will, macht das - ohne Vereinsmitglied zu sein.

FKK-Skeptikern empfiehlt Fischer, es einfach auszuprobieren. Er selbst liebe am Nacktsein vor allem das Gefühl, ohne Kleidung schwimmen zu gehen. Man fühle sich "frei wie ein Fisch", sagt er. "Wenn ich dann aus dem Wasser steige und das Licht, die Sonne und den Wind direkt auf der Haut spüre, ist das so ein schönes Gefühl. Was will ich da mit einer nassen Klamotte?"

Die Französinnen sind schüchtern wie nie

So etwas Ähnliches wird sich in den Sechzigern auch Kult-Schauspielerin Brigitte Bardot gedacht haben. Die attraktive Französin zog am Strand von St. Tropez blank, und das Oben-ohne-Sonnen kam auch bei unseren Nachbarn schwer in Mode.

Heute legen sich junge Frauen an der Côte d'Azur nicht mehr gerne ohne Bikinioberteil auf ihr Handtuch. "Damals galt das als Ausdruck von Emanzipation und Gleichberechtigung", schreibt die französische "Elle" in ihrer aktuellen Ausgabe. Heute scheint das nicht mehr nötig: Eine Umfrage ergab, dass sich nur noch 2 Prozent der Französinnen regelmäßig ohne Oberteil sonnen. "Deprimierend", schreibt die Elle, und fragt auf dem Cover: "La Fin Du Topless Sur La Plage?" Das Ende von oben ohne am Strand?

Als Begründung für die neue Scham nennt die Frauenzeitschrift einige Gründe, die zweifelhaft erscheinen. Gesundheitskonzerne würden heute vermehrt auf die Gefahren von Hautkrebs hinweisen, weshalb man sich lieber bedeckter halte: Na, ob ein knappes Höschen da viel ausmacht? Außerdem würden nackte Frauen heute als "leichte Mädchen" angesehen, als Frauen, die leicht zu haben sind. Und dann hätte sich durch die Aktionen der Femen-Aktivistinnen, welche sich blankbusig für mehr Frauenrechte einsetzen und gegen politische Unterdrückung protestieren, der Konsens verschoben. Nicht jede Frau, die sich sonnt, möchte ein politisches Statement abgeben, so "Elle". Allerdings muss man sagen, dass auch nicht jede Frau, die sich oben ohne sonnt, mit Filzstift eine Parole auf die Brust geschrieben hat.

Am wahrscheinlichsten treffen zwei Begründungen der Autorin zu: In Zeiten von Google Maps, Twitter, Facebook und kleinen unauffälligen Handy-Kameras zeigen sich Frauen nicht mehr so gerne nackt in der Öffentlichkeit. Nicht, dass der Chef bald ein Foto vom blanken Po im Netz findet. Außerdem fühlten sich die Mädchen von der Werbeindustrie und den schlanken Models unter Druck gesetzt und würden daher nicht gerne ihre Brüste zeigen.

Dann stellt sich allerdings die Frage, warum Deutsche mit Nacktheit ein weniger großes Problem haben. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht das locker: Ihr wird nachgesagt, FKK nicht abgeneigt zu sein.



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