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Der Umgang mit dem depressiven Partner

Ein schönes Haus, eine wunderbare Tochter, zwei gute Jobs - es klingt nach einem glücklichen Leben. Wenn da nicht die Depressionen ihres Mannes wären, die sie oft an ihre Grenzen bringt.


"Mein Mann und ich haben uns kennengelernt, da war er 24 und ich 26. Wir sind seit zwölf Jahren zusammen und inzwischen fast fünf verheiratet. Wir haben ein schönes Haus und unsere Tochter ist seit drei Jahren mein Glück. Ich liebe meinen Mann, obwohl ich mich oft allein fühle. Ehrlich gesagt, fast immer. Und obwohl ich manchmal alles hinschmeißen will, ihn anschreien will, wachrütteln. Manchmal fährt auch aus mir heraus: "Kannst du nicht mal damit aufhören?" Und dann umarme ich ihn wieder. Tröste ihn. Denn mein Mann hat Depressionen.


Ich mochte an ihm, dass er so sensibel war. Kein Angeber.

Ich habe mich in Christian (Name geändert) verliebt, weil er anders war als die meisten Männer. Er war ein ruhiger Typ. Sensibel, einfühlsam, kein Angeber. Ich mochte seine selbstkritische Art. Dass genau das einmal unser größtes Problem werden würde, habe ich damals noch nicht geahnt. Christian hat einen unheimlich hohen Anspruch an sich und macht sich sehr viel Druck. Wir waren drei Jahre zusammen, als ich das zum ersten Mal in der ganzen Tragweite erlebte. Damals lebten wir in einer Fernbeziehung, und er steckte in seiner Diplomarbeit. Er rief mich oft an und rang mit tiefen Selbstzweifeln. Er fürchtete, es nicht hinzubekommen, schlechter als alle anderen zu sein. Ohne Abschluss. Und dass sein Leben vorbei sei. Seine Freunde würden auf ihn herabschauen und ich würde ihn verlassen. Ganz sicher...


Ich redete gegen seine Zweifel an. Unermüdlich. Erfolglos.

Ich habe dagegen angeredet, für ihn, für uns. Am Telefon, und jedes zweite Wochenende, wenn ich die 700 Kilometer zu ihm fuhr. Er rauchte viel, nahm stark ab, oft stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn. "Du schaffst das", habe ich gesagt. "Alles wird gut." Unermüdlich. Und erfolglos. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich froh war, nur alle zwei Wochen bei ihm zu sein. Aber ich brauchte die Zeit dazwischen, um Luft zu holen. Bis heute hat mein Mann ein ganz großes Bedürfnis, seine Fassade zu schützen. Hat Angst, seine Freunde oder Kollegen könnten ihn für einen Versager halten. Doch ich musste mich schon damals jemandem anvertrauen und habe bis heute einen kleinen Kreis an Menschen, die mir in diesen Situationen Kraft geben. Dann bekam ich bei der Arbeit seinen Anruf. Er hatte Schlaftabletten genommen.


Schock führte zur Therapie

Ich rief die Polizei an und setzte mich vollkommen aufgelöst in den Zug. Die Stunden, bis ich bei ihm war, waren der Horror. Christian war wach, als ich ankam. Ich war glücklich - und wahnsinnig sauer. Wie konnte er das nur tun? Das Gute war: Er machte eine Therapie, bekam Medikamente, schloss sein Studium ab. Wir hatten es gemeinsam durchgestanden. Christian war gut drauf, wir trafen uns viel mit Freunden. Er fand einen Job, machte mir einen Heiratsantrag und ich sagte Ja. Was sollte uns jetzt noch auseinanderbringen!

Diese Sicherheit wünsche ich mir heute manchmal zurück. Es gibt Augenblicke, in denen ich mich frage: Wie weit muss ich mit ihm gehen? Als ich schwanger war, hat er sich sehr bemüht und war ganz liebevoll. Er hat Verantwortung übernommen, für mich gekocht und als ich mit unserer Tochter aus dem Krankenhaus kam, hatte er das Kinderzimmer fertig gemacht und die Tür dekoriert. Happy Family. Das unbeschwerte Glück blieb kurz.

Die eigenen Gefühle verarbeiten Druck im Job

Die Krankheit holte uns wieder ein. Er fühlte sich im Job unter Druck. Jetzt mit Familie. Es war wie zuvor. Mit einem Unterschied: Ich hatte jetzt eine Neugeborenes, um das ich mich kümmern musste. Wie immer habe ich versucht, ihm Mut zu machen. Trotzdem war ich manchmal kurz vorm Durchdrehen. Im Wohnzimmer schrie meine Tochter und oft genug stand mein Mann an der Tür und sagte: "Ich gehe jetzt. Vielleicht komme ich nicht mehr zurück." Manchmal rief ich seine Eltern an, manchmal ein Hilfetelefon für Angehörige. Und manchmal ließ ich ihn auch gehen und es darauf ankommen. Weil ich nicht mehr konnte. Ich fühlte mich im Stich gelassen, allein, konnte nicht mehr.


Die eigenen Gefühle verarbeiten

Ich habe dann selbst eine Therapie gemacht. Doch noch immer fällt es mir schwer zu entscheiden: Wann kann ich ihm auch mal etwas abverlangen? Wann kämpft es wieder in seinem Inneren, wenn er das ganze Wochenende auf dem Sofa liegt? Und wann ist er faul? Wann muss ich auf ihn Rücksicht nehmen? Und wann darf ich einfach mal sauer auf ihn sein? Mal mit ihm streiten wie ein ganz normales Paar. Ich habe auch Angst: Was passiert, wenn einmal eine echte Krise eintritt? Er den Job verliert oder unsere Eltern sterben?

Ich liebe meinen Mann.

Nur bin ich mir nicht mehr immer sicher, warum. Er will, dass es wieder schön ist mit uns, sagt er. Ich auch. Aber das kann nicht allein meine Aufgabe sein. Ich brauche es, dass er sich in den guten Phasen bemüht. Wenn er mal einen Babysitter organisierte, um mit mir essen zu gehen - das würde mir schon etwas bedeuten. Paartherapie? Ach, nicht schon wieder Therapie, sagt er. Ich sage: Wir brauchen das! Weil ich will, dass wir das hinbekommen. Ich habe mich mal so gut aufgehoben bei ihm gefühlt. Davon möchte ich wieder etwas spüren. Zumindest manchmal."


Diplompsychologin Ursula Nuber weiß: Frauen werden häufiger depressiv als Männer.

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