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Der Ton der Zukunft

Facebook, Twitter und Co. sind aus unserem Alltag und der Art, wie wir miteinander kommunizieren, nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile wird auf Social Media-Plattformen zunehmend auf Audio und Stimme gesetzt, was sich auf den Trend des Social Audios zurückführen lässt. Doch was zählt alles zu diesem Trend und wie lässt sich dessen rasante Entwicklung erklären?

Die Entstehung von Social Audio könnte man der Gaming-Szene zuschreiben: Hier spielte Audio als soziale Kommunikation schon seit Beginn eine essenzielle Rolle, ob beim Kommunizieren über Headsets oder dem Kommentieren sogenannter "Let's Plays". Allerdings haben viele verschiedene Entwicklungen zum Trend des Social Audios beigetragen. Ein wichtiger Aspekt sind die veränderten Hörgewohnheiten, meint Prof. Oliver Curdt vom Studiengang Audiovisuelle Medien: "Ich denke, es spielt eine wichtige Rolle, dass man Musik und Audio heutzutage ein bisschen anders konsumiert. Man hat häufig keinen physischen Tonträger mehr, den man sich kauft, zuhause reinlegt und in Ruhe anhört. Audio ist überall greifbar und überall verfügbar. Das führt zu einer Änderung der Hörgewohnheiten." Dazu kommen Entwicklungen wie der Podcast-Boom, die Nutzung von Bluetooth-Kopfhörern oder Sprachnotizen, die dazu geführt haben, dass Audio im digitalen und sozialen Leben immer häufiger genutzt wird.

Mit Social Audio zum auditiven Miteinander

Ganz grundlegend beschreibt der Begriff Social Audio eine weiterentwickelte Dimension von Social Media und Podcasts, bei der sich der soziale Austausch auf Audio fokussiert. Es geht um "gemeinsam erlebte Momente mit Freunden und Familie oder mit digitalen Communities über soziale Medien", wie es das Unternehmen Facit (Teil der Serviceplan-Gruppe) in seiner Studie "Age-of-Ears" im Jahr 2015 beschreibt. Inwiefern der soziale Austausch und die gemeinsamen Momente der Nutzer untereinander beim Social Audio stattfinden, kann ganz unterschiedlich sein. Bei den bekannten Social Media-Anwendungen wurden in diesem Jahr viele neue Audio-Tools integriert, wie etwa die Audio-Tweets auf Twitter oder die Live-Social-Audio-Funktion auf Facebook.

Emotionalität und Fantasie durch Audio

Ein wesentlicher Vorteil des Mediums Audio ist dessen Emotionalität, erklärt Prof. Oliver Curdt. "Bei Audio kann man schneller mehr Emotionen transportieren als bei einem geschriebenen Text. Man kann bei WhatsApp etwas tippen oder etwas aufnehmen. Das Aufnehmen fällt vielen leichter und kommt im Vergleich zum geschriebenen Wort emotionaler rüber, weil man die Stimme benutzt. Man kann also in kürzerer Zeit ein bisschen mehr vermitteln," meint er. Zudem ist für viele Nutzer Audio als Kommunikation wesentlich bequemer, einfacher und schneller. Neben dem Text konkurriert Audio in der digitalen Welt besonders auch mit Video. Eine Studie von Kantar Media aus dem Jahr 2019 zeigt, dass 26 Prozent der 14-bis 69-Jährigen täglich Videoinhalte konsumieren, bei Audioinhalten sind es hingegen 22 Prozent der Befragten. Diese Beobachtung kennt auch Curdt: "Ich stelle immer wieder fest, dass viele Menschen schon sehr bildbezogen sind und gerne auch etwas sehen möchten. Der Ton ist deshalb sehr wichtig, weil man einfach ein Bild anders wahrnimmt, wenn man den Ton noch dazu hört. Der Vorteil von Ton ist: Viele assoziieren Bilder, wenn sie Tonsignale hören. Ton ohne Bild funktioniert, Bild ohne Ton ist manchmal ein bisschen mau."

"Der Inhalt ist der Hauptaufhänger, aber auch Performance und Tonqualität müssen stimmen."

Der Erfolg von Audio hängt von vielen verschiedenen Aspekten ab. So ist beispielsweise der Inhalt das wichtigste Kriterium für das Anhören eines Podcast für Nutzer in Deutschland, wie eine Studie der Unternehmensberatung Simon & Kucher im Jahr 2020 herausfand. Daher ist es naheliegend, dass sich viele der Social Audio-Apps primär um Inhalte drehen. Bei "Cappuccino" geht es um interessante Inhalte aus dem eigenen Leben, bei "TLDL" setzt man auf inhaltsstarke Podcast-Highlights. Prof. Oliver Curdt meint dazu: "Wenn mich der Inhalt nicht interessiert, bin ich wahrscheinlich irgendwann weg. Wenn der Inhalt gut ist, aber die Qualität schlecht, dann ärgere ich mich ein bisschen. Aber ich würde dranbleiben. Ich denke, dass die Tonqualität schon eine große Rolle spielt, man aber sagen muss, dass die Performance von Musikern oder von Sprache einen höheren Stellenwert hat. Die Tontechnik, in all ihrer Qualität, dient der Umsetzung und ist so etwas wie eine Veredlung. Wichtiger ist es, dass vor den Mikros möglichst alles passt. Man kann tatsächlich auch mit einer mittelmäßigen Aufnahme die Leute überzeugen, sofern die Performance gut ist."

Ist Social Audio auch in Deutschland zukunftsfähig?

Im Silicon Valley, wo digitale Trends entstehen, wird bereits seit längerem viel Kreativität und Geld in die Entwicklung von genuinen Social-Audio-Apps gesteckt. Beispielsweise investierte ein Risikokapital-Unternehmen im Mai 2020 insgesamt 10 Millionen Dollar in den Aufbau der neuen App "Clubhouse". Im Gegensatz dazu steht der Trend des Social Audio bei den Nutzern in Deutschland noch am Anfang. Zukunftsfähig ist er aber definitiv, meint Curdt. "Es ist ja so, dass es bei jedem Trend eine Entwicklung gibt, bei der irgendwann ein Höhepunkt erreicht ist, an dem es nicht weiter geht und man etwas Neues finden muss. Ich denke aber, dass wir diesen Punkt noch nicht ganz erreicht haben. Ich kann mir schon vorstellen, dass man sich mehr auf das Hören konzentriert und das ein anderes Bewusstsein schafft. Eigentlich nutzen wir vieles gar nicht. Ich bin der Meinung, dass in dieser reinen Audio-Entwicklung noch einiges an Potenzial steckt."

Weg vom Bildschirm, hin zum Kopfhörer

Eines haben alle Social-Audio-Erscheinungen gemeinsam: Sie konzentrieren sich auf die Stimme. Dadurch werden Geschichten nicht mehr audiovisuell, visuell oder schriftlich erzählt, sondern auditiv. Das kann unser Kommunikationsverhalten in vielen Situationen enorm verändern, meint Prof. Oliver Curdt. "Wenn wir den Blick von dem Bildschirm wegbekommen, dann hat das starke Auswirkungen. Ich würde mir wünschen, dass es so ist und man den positiven Nebeneffekt haben wird, dass man die eigene Umwelt besser wahrnimmt. Wir wünschen uns etwa in einem Restaurant, dass keine Smartphones als Blickfänger auf dem Tisch liegen. Man kann sich unterhalten und sich auf die realen Eindrücke konzentrieren. Wenn ich der Meinung bin, jetzt irgendetwas wegschicken oder kommunizieren zu müssen, dann mache ich es über Audio. Es muss nicht laut sein und es ist einfach höflicher, als wenn ich ständig auf den Screen meines Smartphones schaue." Ob Prof. Oliver Curdt mit seiner Einschätzung Recht behält und wie der Trend des Social Audio in den nächsten Jahren in Deutschland ankommt, bleibt abzuwarten.

Quellen:

Social-Audio-Apps und deren Hauptfunktionen

19. November 2020

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