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Wir wollen endlich mitreden!

Junge Menschen sollen schon früh in den Bereichen, die sie betreffen, mitreden können. Vier, die das schon machen, haben wir getroffen!

 

Anna Maria Fischer ist Schulsprecherin und setzt sich für ihre SchulkollegInnen ein. In welchen Bereichen sie sich noch mehr Mitsprache wünscht, hat sie uns erzählt. An der Gestaltung ihres Grätzls in Wien, Esssling nehmen Jose Salvatierrez und Thomas Cetinsky aktiv teil. Wir haben sie in einem Park getroffen und mit ihnen über ihre Projekte gesprochen. Mohab „Momo“ Finjan ist Vorsitzender des Jugendvertrauensrats in der Bank Austria, welchen Stellenwert dieser hat, hat er uns mitgeteilt.

 

Teilhabe aller

Wie sehr sich Jugendliche schon derzeit an demokratischen Prozessen beteiligen, zeigt der SORA Bericht „Junge Menschen und Demokratie in Österreich“ (siehe Grafik unten). So geben 68 Prozent der 16- bis 26-Jährigen an, dass sie an Wahl teilnehmen und 62 Prozent, dass sie sich für ein Thema in ihrer Schule, Arbeit oder Nachbarschaft einsetzen. Knapp 30 Prozent der jungen Menschen in Österreich arbeitet bei in Vereinen und Bürgerinitiativen mit. Lediglich bei der Mitarbeit in der etablierten Politik machen nur 15 Prozent mit. Das hat auch damit zu tun, dass sich Jugendliche von der Politik nicht richtig gehört fühlen.

 

Eine funktionierende demokratische Gesellschaft braucht allerdings die Teilhabe all ihrer BürgerInnen. Junge Menschen werden bei Entscheidungsprozesse jedoch häufig ausgeschlossen. Sehr zum Leid von Jugendlichen. Sie wünschen sich mehr Mitspracherechte. Im kleineren Rahmen wirken sie schon in einigen Bereichen mit, der Wunsch nach mehr ist bei vielen Jugendlichen vorhanden. Wir haben mit vier jungen Menschen gesprochen, die in drei unterschiedlichen Bereichen ihr aktives Mitspracherecht nutzen und mit ihnen darüber gesprochen, wie ihre Gestaltungsmöglichkeiten noch erweitert werden können.

 

Mehr selber entscheiden

Einsatz für ihre SchulkollegInnen

 

Die 17-Jährige Anna Maria Fischer ist Schulsprecherin der Handelsakademie im 22. Bezirk. Ihr Hauptanliegen als Schulsprecherin ist es die Kommunikation zwischen ihr und der SchülerInnenschaft zu verbessern. Es hat als persönliche Herausforderung begonnen und nun arbeitet Anna Maria tagtäglich daran, sich für die SchülerInnen einzusetzen. Angefangen von der Organisation von Events bis hin zum Bereitstellen von kostenlosen Tampons. „Die SchülerInnen wären die größte Berufsgruppe Österreichs. Natürlich brauchen sie eine Interessensvertretung. Nur so können ihre Interessen gehört werden“, sagt Anna Maria.

 

Verbesserungspotenzial sieht Anna Maria beim Prozess, wie Projekte zustande kommen. „Ich würde mir da mehr Autonomie wünschen und Projekte selber umsetzen können, ohne davor Konzepte den Lehrerinnen und Eltern vorlegen zu müssen. Das ist sehr bürokratisch und nimmt viel Zeit in Anspruch“, erklärt die Schulsprecherin.

 

Ein weiteres Problem sieht Anna Maria darin, dass das Interessensvertretungssystem der SchülerInnen in Österreich nicht sehr demokratisch ist. „Nur der/die SchulsprecherIn einer Schule wählt die LandesschülerInnenvertretung. Die LandesschulsprecherInnen wählen dann den/die BundesschulsprecherIn. Das bedeutet der/die BundesschulsprecherIn wird nur von 0,003 Prozent (bei 1.142.342 SchülerInnen insgesamt in Österreich) der SchülerInnenschaft gewählt. Aber eine Person kann nicht alle vertreten, wenn sie nicht von allen gewählt wurde“, so Anna Maria. Sie befürchtet auch, dass viele SchülerInnen nicht einmal wissen, dass sie eine gesetzliche verankerte Vertretung haben. Hier solle angesetzt werden, weil nur wenn die SchülerInnen überhaupt von ihrem Mitspracherecht wissen, können sie es nutzen.

 

Grätzl für Jugendliche

Schulprojekt verändert Essling

 

In Zusammenarbeit mit Treffpunkt Eßling, einer Initiative des technischen Büros für Landschaftsplanung inspirin, haben die SchülerInnen der 4C des Gymnasiums Simonsgasse in Wien Donaustadt die Möglichkeit verschiedene Projekte und Events in Kleingruppen zu organisieren. Die SchülerInnen gestalten so aktiv die Freizeitgestaltung für junge Menschen in ihrem Grätzl mit. Jose Salvatierrez (15) und Thomas Cetinsky (14) sind Teil dieses Projekts.

 

Jose und seine Gruppe waren für Yogastunden in der Raphael Donner Allee zuständig. Die Vorbereitungen gingen von der Beschaffung von Spendengeldern für den Kauf von Yogamatten, bis hin zur Kontaktherstellung zu YogalehrerInnen. „Ich finde das Projekt sehr cool, weil wir schon als Jugendliche einen Einfluss auf unsere Umgebung haben und als Gruppe ein Projekt verwirklichen können. Unser Beispiel zeigt, dass es wir Jugendliche mitgestalten können und wir hoffen andere ermutigen zu können, es uns nachzumachen“, betont Jose.

 

Thomas und seine Gruppe organisieren einen Silent Disco Abend für 13 bis 16-Jährige in der Pfarre Eßling. Dafür waren sie bereits im Austausch mit dem Pfarrer bezüglich organisatorischer Fragen, bewarben das Event auf Social Media und erstellen Playlists, auf die die Gäste mittels QR-Code zugreifen können. „Ich finde es immer noch sehr beeindruckend, dass wir in unserem Alter sowas überhaupt organisieren dürfen und uns das zugetraut wird“, sagt Thomas.

 

Während des Unterrichts arbeiten sie an diesen Projekten. Thomas und Jose hätten sich aber beide gewünscht mehr Zeit für die Umsetzung der Projekte zu haben und noch mehr Events solcher Art organisieren zu können. Diese Beispiele zeigen, dass junge Menschen definitiv von ihrem Mitspracherecht Gebrauch machen, wenn sie es dürfen.

 

Ohr Für Lehrlinge

Momo verlangt mehr Jugendvertrauensräte

 

Zum Betriebsrat von Unternehmen sollte in der Regel auch ein Jugendvertrauensrat – eine Interessenvertretung der jugendlichen ArbeitnehmerInnen - gehören. Leider ist das nicht überall so. Mohab „Momo“ Finjan ist Jugendvertrauensrat bei der Bank Austria. Der 19-jährige schloss seine Ausbildung letztes Jahr ab und ist seit April 2021 Vorsitzender des Jugendvertrauensrates.

 

„Es ist wichtig, dass ein Gremium existiert, das mitentscheidet und die Auszubildenden wissen, dass es jemanden im etwa gleichen Alter gibt, der für sie da ist und ihnen zuhört“, erklärt Momo. In einer Jugendversammlung oder Teiljugendversammlung pro Lehrjahr, die jedes halbe Jahr stattfinden, werden allgemeine Anliegen angesprochen, aber auch außerhalb davon hat Momo immer ein offenes Ohr für die Lehrlinge.

 

Zu den Hauptanliegen gehören beispielweise der Filialwechsel der Lehrlinge. Da arbeitet der Jugendvertrauensrat eng zusammen mit den Chefs und dem Betriebsrat. Aber auch jede Neuaufnahme oder wenn ein Lehrling gehen muss, wird gemeinsam besprochen. Momo schätzt es sehr, dass der Jugendvertrauensrat einen so hohen Stellenwert hat und gehört wird. Besonders stolz ist er darauf, dass auf Initiative des Jugendvertrauensrats ein Bekleidungszuschuss durchgebracht wurde. Die Lehrlinge erhalten einmal im Jahr Gutscheine im Wert von 150 Euro.

 

„Durch meine Tätigkeit bei der Gewerkschaft weiß ich, dass Jugendvertrauensräte eher eine Seltenheit sind. Ich würde mir wünschen, dass mehr Unternehmen Auszubildenden eine Stimme und Entscheidungsmacht geben, die ihnen auch zusteht. Damit die Lehre auch endlich ihr Stigma wegbekommt. Wir sind die Führungskräfte von morgen“, betont Momo.

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