Russland lässt sich sein Neujahrsfest Einiges kosten: Die komplette Zeit bis zum 12. Januar sind Feiertage - und die russische Wirtschaft verliert rund 12 Milliarden Euro. Kritik an diesem „Feier-Exzess" gibt es viel, gerade in der miesen wirtschaftlichen Situation, in der das Land steckt.
Das neue Jahr beginnt in Russland mit Sekt, Feuerwerk - und einem sehr ausgiebigen Winterschlaf. Die sonst dicht befahrenen Straßen der Millionenmetropole Moskau sind Anfang Januar nahezu leer, und in der Metro findet fast jeder Fahrgast spielend einen Sitzplatz. Wer im Zentrum unterwegs ist, muss einen triftigen Grund haben: Alle Ämter und viele Geschäfte und Vergnügungsstätten sind geschlossen.
Die stillen Tage nach Jahresbeginn, die sich vielerorts bis zur Monatsmitte ausdehnen, bringen dem Land eine unvergleichliche Ruhe - aber der russischen Wirtschaft schmerzhafte Milliardenverluste. Das Arbeitsgesetzbuch schreibt die Tage vom 1. bis zum 8. Januar ausdrücklich als Feiertage fest - während dieser Zeit dürfen die rund 143 Millionen Russen nur in Ausnahmefällen arbeiten.Alle Tage, die dabei nicht auf Werktage fallen, werden per Gesetz angerechnet - so verlängert sich die arbeitsfreie Zeit bis zu einer halben Woche, in diesem Jahr bis zum 12. Januar. Einige feiern gar bis zum Alt-Neujahr ("stary nowy god") am 14. Januar weiter, an dem die orthodoxe Kirche das Neujahrfest nach dem julianischen Kalender begeht.
Den winterlichen Pflichturlaub verbringen die meisten Russen mit ihrer Familie bei ausgiebigem Essen - oft mit viel Alkohol - oder vor dem Fernseher. Da Anfang Januar die Temperaturen deutlich unter dem Gefrierpunkt bleiben und viele Freizeiteinrichtungen geschlossen sind, bewegt sich kaum jemand weiter als bis zum nächsten Supermarkt.
Bis die Russen vom Festtagstisch aufstehen, ist ein Drittel des ersten Monats im Jahr schon vergangen - und die russische Wirtschaft hat riesige Summen verloren. Einen "Feier-Exzess" nannte die russische Tageszeitung "Iswestija" einst die lange Freizeit - und warnte vor "zügellosem Suff".
Im Jahr 2010 kostete jeder arbeitsfreie Tag das Land rund 140 Milliarden Rubel (damals 3,4 Milliarden Euro), berechnete die Beraterfirma FBK Grand Thorton. Für 2014 setzte die Regierungszeitung "Rossijskaja Gaseta" für die Feiertage eine Billion Rubel (12,3 Milliarden Euro) Verlust an - bei einem Bruttoinlandsprodukt von 71,4 Billionen Rubel im gleichen Jahr. Jedes Jahr fällt die Industrieproduktion im Januar um 10 bis 15 Prozent geringer aus als im Dezember.
Neujahr muss dieses Jahr günstiger ausfallen
Ohnehin hat das neue Wirtschaftsjahr für Russland schwach begonnen: Am 31. Dezember erreichte der Wechselkurs des Rubel den tiefsten Stand seit August 2015. Der für Russland wichtige Ölpreis bleibt trotz des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und Iran im Keller. Wenig verwunderlich, dass den sonst feierfreudigen Russen in diesem Jahr das Geld nicht so locker sitzt.
Einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte zufolge planten die Russen für den zurückliegenden Jahreswechsel im Durchschnitt 15.500 Rubel (200 Euro) für Festtagseinkäufe und Geschenke ein - das ist für fast 20 Prozent der Bürger immerhin die Hälfte des Monatseinkommens. Im Vorjahr hatten sie sich die Feiertage im Durchschnitt noch fast zehn Prozent mehr kosten lassen.
An Urlaubsreisen ist trotz der langen Freizeit ohnehin nur für die Oberschicht zu denken. Für die Mittelschicht erschwingliche Ziele wie die Türkei und Ägypten sind derzeit kaum erreichbar, da Russland aus politischen Gründen die Flugverbindungen dorthin eingestellt hat. Beim Reiseveranstalter OneTwoTrip etwa gingen die Buchungen für Flüge ins Ausland zwischen dem 1. und dem 10. Januar um rund 30 Prozent zurück im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Auch nach dem alljährlichen Kaufrausch, der sonst am Jahresanfang in den Einkaufszentren der Großstädte ausbricht, sieht es in diesem Jahr nicht aus: Einer Umfrage zufolge rechnen die Russen damit, dass ihre Kaufkraft im Jahr 2016 um 16 Prozent sinken wird.
Den Mitarbeitern von Lebensmittelläden, Energiekonzernen und öffentlichem Nahverkehr, die auch in den ersten Januartagen durcharbeiten, dürften ihre von der Ausnahmegenehmigung gedeckten Schichten da durchaus gelegen kommen. Denn das russische Arbeitsgesetzbuch schreibt vor, dass ihnen an Feiertagen mindestens der doppelte Lohn gezahlt werden muss.