Jana Werner

Autorin und Moderatorin, Hamburg

1 Abo und 2 Abonnenten
Artikel

Wer folgt in Hamburg auf Olaf Scholz? Dressel? Grote? Scheele? Veit? - WELT

Neuer Erster Bürgermeister gesucht Das Rennen um die Scholz-Nachfolge hat begonnen

Für den Fall, dass Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz nach Berlin wechselt, macht sich die SPD um die Nachfolge kaum Sorgen. Die Liste der Anwärter ist lang. Doch wer kann sich durchsetzen? Hier die möglichen Kandidaten.

Geht er, geht er nicht? Was für die Berichterstatter bereits feststeht, ist offiziell noch nicht bestätigt: Und doch spricht vieles dafür, dass Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) als Finanzminister und Vizekanzler in die Große Koalition nach Berlin wechselt. Folglich dreht sich längst auch in der Hansestadt das Personalkarussell. An Bord Platz genommen haben schon jetzt sechs Kandidaten, die für die Nachfolge von Scholz im Gespräch sind. Ein Mann? Eine Frau? Die Fahrt hat begonnen.

Der Favorit

Auf dem höchsten Ross sitzt Andreas Dressel (43). Der Jurist, verheiratet und Vater dreier Kindern, ist seit 2011 SPD-Fraktionsvorsitzender in der Bürgerschaft. Er gilt zweifellos als aussichtsreichster Anwärter, genießt innerhalb der Fraktion und Partei großen Rückhalt. „Der kann das", heißt es bei den Sozialdemokraten. Dressel sei „in allen Themen drin", bestens vernetzt und pflege „ein entspanntes Verhältnis zu den Medien".

Er selbst bezeichnet sich als „Anhänger von Kompromissen". Sie zu erzielen, sei eine seiner Kernaufgaben. Symptomatisch für seinen Stil, denn sobald irgendwo Unruhe entsteht, befriedet Dressel den Konflikt. Innerhalb der Sozialdemokratie gehört er dem eher konservativen Lager an, vermeidet radikale Ansichten sowohl in die eine als auch andere Richtung.

„Im Grunde ist Andreas Dressel eine Kopie des früheren CDU-Bürgermeisters Ole von Beust", erklärt ein Genosse, „weil er ebenfalls die politische Gabe besitzt, bis ins gegnerische Lager hineinzuwirken." Dressel habe weder Berührungsängste mit der CDU noch mit der FDP. „Nicht unwichtig für einen Spitzenkandidaten, der 2020 bei der Bürgerschaftswahl auf Stimmenfang geht", heißt es weiter. Dressel sei der geborene Kandidat und wolle den Job. Seine Makel: zu brav, zu bieder, zu uncharismatisch.

Der Ambitionierte

Auf dem Karussell dicht hinter Dressel sitzt Andy Grote (49) im Peterwagen. Ebenfalls Jurist, versteht sich der verheiratete Vater eines Kindes als Generalist. Auf dem Gebiet der Stadtentwicklung machte sich Grote zunächst einen Namen, wurde Bezirksamtschef und schließlich vor zwei Jahren Innensenator.

Beobachter bescheinigen ihm das, was Dressel fehlt: Aura. Und wäre da nicht der G-20-Gipfel im Sommer über die Hansestadt gefegt, hätte Grote schon den nächst höheren Gang in der öffentlichen Charmeoffensive eingelegt. Deutlich geworden ist zuletzt aber auch, dass er infolge der Gipfelkrawalle lediglich ins Straucheln geraten ist. Ernsthaft geschadet haben sie ihm nicht.

Das spürt Grote, bringt er sich doch wieder öfter in Position. In der Senatssitzung, immer dienstags, äußert er sich seit kurzem „gerne auch über sein Ressort hinaus", heißt es . Ein Indiz dafür, dass die Innenbehörde nicht zur Endstation für ihn werden soll. Eine Genosse betont: „Grote ist ambitioniert, er will Posten erklimmen und dafür hat er sich ein Standing in der Politik erarbeitet." Sein Makel: Dressel, der in der Gunst der Genossen noch vor ihm liegt.

Der Verwalter

Keinen festen, aber entscheidenden Platz auf dem Personalkarussell nimmt Peter Tschentscher (52) ein. Auf den ersten Blick geht er als Finanzsenator nur von Platz zu Platz, sammelt die Wertmünzen ein, wirkt unscheinbar. Auch wissen die Fahrgäste beim Kassierer nie so wirklich , ob er mitfährt oder kurz nach dem Start noch vom Karussell abspringt.

Doch es ist kein Geheimnis, dass es Tschentscher ist, der bei allen wichtigen Entscheidungen der Vergangenheit neben Bürgermeister Scholz am Tisch gesessen hat. Denn das Finanzressort gilt im Land wie im Bund als Königsdisziplin. „Tschentscher ist klug, akribisch, zugewandt, kann alles - auch mit Menschen umgehen", sagt ein Sozialdemokrat über den verheirateten Vater eines Kindes. Nicht zuletzt steht Tschentscher, der „Herr der Zahlen", mit Hamburg-Nord einem mächtigen Kreisverband vor. Sein Makel: Der fulminante Auftritt liegt dem promovierten Facharzt für Laboratoriumsmedizin überhaupt nicht.

Die Ehrgeizige

An das Blitzlicht gewöhnt indes ist Carola Veit (44). Sie sucht es förmlich, seit sie 2011 als Bürgerschaftspräsidentin das entsprechende Amt dafür hat. So residiert die Juristin auf dem Karussell ganz selbstverständlich im weißen Schwan.

Vielleicht möchte sie diesen prominenten Platz nicht räumen. Vielleicht wird sie aber auch zur Schachfigur in einem Spiel, in dem sich Kreisverbände verbünden und die Mutter dreier Kinder als Kandidatin gegen Dressel zum Beispiel inthronisieren. „Sie macht einen hervorragenden Job als Präsidentin und wäre auch als Bürgermeisterin vorstellbar", sagt ein Genosse. Ein anderer kontert: „Keine Frage, sie ist ehrgeizig, hat viel gelernt, aber der Bürgermeisterposten ist eine Nummer zu groß für sie." Daraus folgt ihr Makel, den ein Sozialdemokrat so ausdrückt: „Sie besitzt nicht die nötige Kompetenz, um etwa um die HSH Nordbank zu feilschen."

Die Außenseiterin

Direkt hinter dem Schwan sitzt Melanie Leonhard (40) in einem Großraumgelenkbus, der Sozialstation. Denn die verheiratete Mutter eines Kindes bietet all jenen einen Platz an, die sich kein Auto leisten können. Zuständig für die Ressorts Arbeit, Soziales, Familie und Integration ist sie die Senatorin, die den Bürgern am nächsten ist.

„Sie ist hochkompetent, diszipliniert und einfühlsam, besitzt die richtige Mischung aus Karriere und Menschlichkeit." Eine solche Mammutbehörde zu leiten, sei bereits ein Beleg dafür, dass sie mehr könne. Doch der Sprung in das Bürgermeisteramt kommt für Leonhard aus Sicht mancher noch zu früh, ihr fehle die Themenbreite und der machtpolitische Biss. Auch ist ihre politische Heimat, der Kreisverband Harburg, vergleichsweise unbedeutend. Ein weiterer Makel: Die Scheu vor der großen Aufgabe, denn bereits zur Sozialsenatorin musste sie von Scholz getragen werden.

Der Geheimfavorit

Es gilt als ausgeschlossen, dass Detlef Scheele (61) im Personalkarussell in den Sportwagen steigt. Und doch taucht sein Name in den vergangenen Tagen immer öfter auf. Einst Hamburger Sozialsenator und nun Chef der Bundesagentur für Arbeit, wäre er ein Bürgermeister ganz nach dem Geschmack von Scholz: Durchsetzungsstark, kompetent, mit einer natürlichen Autorität gesegnet und unbequem, wenn es sein muss.

Dass er das Augenmerk auf die Politik seiner Heimatstadt gänzlich verloren hat, ist unwahrscheinlich. Denn Scheele pendelt, wohnt nach wie vor mit seiner Frau und seinen drei Kindern in der Elbmetropole. „Doch es gehört wohl nicht zu seinem Plan, erst nach Nürnberg zu gehen, um dann Bürgermeister zu werden", sagt ein Genosse. Mit dem Sportwagen jedoch ist die Strecke von 650 Kilometern schnell zurückgelegt.

Zum Original