Die Hamburger Band Deichkind ist vor allem für ihre spektakulären Liveshows bekannt. Im gigantischen Schlauchboot lassen sich die Musiker vom Publikum tragen, mit leuchtenden Pyramiden-Helmen tanzen sie eine wilde Choreografie und springen auf einer Hüpfburg herum. Hinter all diesen extravaganten Auftritten steckt ein kreativer Kopf aus Rendsburg: Henning Besser, bekannt unter dem Namen DJ Phono, ist seit Ende der 90er-Jahre für die Bühnenshows der Musikgruppe verantwortlich. Im Interview mit Landeszeitung-Redakteurin Jana Walther spricht der 36-Jährige über die Hip-Hop-Szene im Rendsburg der 90er-Jahre und erzählt, woher er seine verrückten Ideen nimmt.
Herr Besser, Sie sind seit Jahren für die Bühnenshows von Deichkind verantwortlich. Wie kam der Kontakt zur Band zustande?Das war 1999 in Kiel auf einem Hip-Hop-Jam. Ich bin dort als DJ aufgetreten und die Jungs von Deichkind standen auch auf der Bühne. Im Backstage-Bereich haben wir uns dann kennen gelernt und später in Hamburg wiedergetroffen. Ich habe mich mit den Jungs angefreundet und sie waren auf der Suche nach einem neuen DJ. Dann haben sie mich verpflichtet.
Was sind genau Ihre Aufgaben?Ich bin für die gesamte Konzeption der Liveshows verantwortlich. Ich baue selber an den Requisiten mit, bin bei den Proben dabei, studiere mit den Jungs die Choreo ein oder mache mir Gedanken, wie die Lkws auf Tour beladen werden. Mittlerweile mache ich das nicht mehr alles alleine, sondern habe ein Team. Ein Großteil der Ideen kommt aber aus meiner Feder.
Woher nehmen Sie die Ideen für die Shows?Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, sehe überall Dinge, die mich inspirieren. Viele Einfälle kommen mir auch, wenn ich einfach mal alleine bin und an Deichkind denke. Mit der Show versuche ich dann, Dinge zu verstärken oder etwas, was mir vielleicht zu peinlich ist, abzuschwächen. Das ist manchmal schon eine große Herausforderung, denn mit den Texten habe ich nichts zu tun.
Wenn Deichkind auf der Bühne steht, wirkt es meist wie eine große, verrückte Party. Steckt da ein Konzept hinter?Ja, die Shows sind ein umfassender künstlerischer Arbeitsprozess. Hinter allem stecken gezielte Ideen. Das Wichtigste ist dabei, Anonymität zu schaffen. Die einzelnen Personen sollen gar nicht so sehr im Vordergrund stehen. Kostümiert können sie in eine Rolle schlüpfen. Jeder kann so auch Anteile ausleben, die er im Alltag sicherlich nicht so zeigen würde. Das ist die Grundhaltung der Shows.
Wie ist es, mit den Jungs zu arbeiten?Sie sind sehr unterschiedlich und es ist sehr anstrengend. Aber das ist Gruppenarbeit eigentlich immer. Und wenn man es mit vielen egozentrischen Persönlichkeiten zu tun hat, dann ganz besonders. Das sind aber auch alles Menschen, mit vielen Talenten, das schätze ich an Deichkind sehr. Die Qualität der Arbeit ist besonders.
Sie sind in Rendsburg aufgewachsen, haben das Helene-Lange-Gymnasium besucht. Wann war für Sie klar, dass Sie nach Hamburg gehen wollen, um Musik zu machen?Nach meinem Abi hab ich meinen Zivildienst bei der Arbeiterwohlfahrt gemacht. Für mich war aber immer klar, dass ich irgendwas mit Musik machen will. Ich wollte Tontechnik studieren. Mein Kumpel aus der Basketballmannschaft sagte zu mir dann auf einer Party in der T-Stube: „Studieren brauchst du nicht. Lies einfach das Buch Praxis im Musikbusiness. Dann weißt du alles." Am nächsten Tag bin ich zu Reichel und habe mir das Buch bestellt. Ab dann hatte ich den festen Glauben, dass ich es schaffen kann und bin kurze Zeit später nach Hamburg gezogen. Inzwischen habe ich dort mein eigenes Tonstudio.
Haben Sie früher auch in Rendsburg aufgelegt?Die Stadt hat mir keine große Plattform geboten. Es gab Anfang der 90er nur rund 20 Leute, die sich wie ich für Hip Hop interessiert haben. Die Szene war ganz klein. In der T-Stube neben der Herderschule haben wir Partys organisiert und nebenan war ein türkischer Jugendtreff. Die Jugendlichen hatten auch ein bisschen Bock auf Hip Hop.
Sie sind nicht nur für die Deichkind-Shows verantwortlich. Sie machen auch eigene Musik.Ja genau, also Deichkind ist mein Hauptprojekt, ich habe aber immer nebenbei als DJ aufgelegt und bin weltweit als DJ unterwegs. Letztes Jahr im Sommer war ich zum Beispiel auf einem Festival in Mexiko. Wir haben dort am Strand eine Party ausgerichtet und 14 Stunden am Stück aufgelegt.
Bist du selber manchmal noch in Rendsburg?
Meine Eltern wohnen noch in der Stadt, meist besuchen die mich aber eher in Hamburg. Mehr als zwei Mal im Jahr komme ich nicht. Wenn ich mal zu Besuch bin, gehe ich in die Innenstadt, durch die Hohe Straße. Dann merkt man schon, wie sehr sich alles verändert hat.
Was machst du, um mal den Kopf frei zu bekommen?
Ich meditiere, gehe joggen und spiele Klavier. Jeden Tag spiele ich eine Stunde, dann aber nur klassische Musik. Dann ist Musik mein Hobby und nicht mein Beruf. Ich kann beim Klavierspielen entspannen und werde gleichzeitig gefordert.
von Jana Walther erstellt am 10.Jul.2015 | 17:00 Uhr