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Flüchtlinge in Rendsburg : Neustart in Contaier Nummer 5 | shz.de

Rendsburg | Mehr als 25 Grad - im Rendsburger Flüchtlingscamp steht die Luft, die offenen Müllsäcke vor den Containern tun ihr Übriges. Omar und Intesar Awad sitzen trotz der Hitze in dickem Pullover und Mantel vor dem großen Zelt, in dem die zahlreichen Bürgerspenden gelagert werden. Der 50-jährige Syrer trägt eine viel zu große Jogginghose, dazu ein paar abgenutzte Flip Flops. Beides habe er vor ein paar Tagen bei der Spendenausgabe bekommen, erzählt er. „Die Deutschen kümmern sich sehr gut um uns,", sagt seine Frau. Hier in der Erstaufnahmeeinrichtung geben sich der gelernte Elektriker und die Grundschullehrerin mit dem zufrieden, was sie haben - ihrem Leben. Denn das war durch den Bürgerkrieg in Syrien in Gefahr.

Container Nummer 5 ist das neue Zuhause der fünfköpfigen Familie. Jedenfalls solange bis klar ist, welchem Kreis sie zugewiesen werden. Sie warten, wissen nicht, wie es weiter geht, hoffen jeden Tag, dass sie in Deutschland bleiben dürfen. Auf zehn Quadratmetern lebt das Ehepaar mit seinen drei Söhnen (13, 17 und 23 Jahre alt). Tür an Tür mit 237 weiteren Flüchtlingen. Am Wochenende sollen noch einmal bis zu 250 dazu kommen.

Die vier Betten nehmen den Großteil des Containers ein. Ein kleiner Tisch und zwei Stühle stehen vor dem Fenster - mehr Platz gibt es nicht. Was wie eine sehr dürftige Notunterkunft daher kommt, sei im Vergleich zu anderen Flüchtlingscamps viel wert: „In Neumünster haben wir in einem Zelt mit vielen anderen geschlafen", erzählt Intesar Awad. Am schlimmsten sei es in Ungarn gewesen, berichtet das Ehepaar. Dort gab es nichts zu essen.

„Ich wollte meine Kinder vor dem Krieg retten", nennt die Mutter den Grund für die Flucht aus ihrer Heimat. Die syrische Regierung wollte die beiden ältesten Söhne für die Armee verpflichten. Nachdem ihr Haus komplett zerstört wurde, haben sich die Awads auf den Weg nach Deutschland gemacht. Nur mit der Kleidung, die sie am Körper trugen, und ihren Ersparnissen in der Tasche begannen sie sich auf die lange Reise.

Eineinhalb Monate waren sie unterwegs. Auf einem siebentägigen Fußmarsch ging es in die Türkei, von dort mit dem Boot nach Griechenland. 1000 Euro haben sie pro Person zahlen müssen, damit sie einen der 25 Plätze für das kleine Plastikboot, das eigentlich für nur acht Menschen ausgelegt war, bekommen konnten. In Griechenland schliefen sie auf Steintreppen, dann weiter nach Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Deutschland - alles zu Fuß. Doch die Familie hat die Strapazen der langen Reise durchgestanden. Immer mit dem einen Ziel vor Augen: Deutschland. Denn hier sehen die Awads eine Zukunft für sich und ihre Söhne. „Wir wollten in dieses Land kommen, weil es sicher ist und eine Demokratie herrscht. Wir wollen, dass unsere Söhne einmal studieren können."

Seit vergangenen Sonnabend ist die Familie in Rendsburg. Sie gehören zu den ersten Flüchtlingen, die vor einer Woche in die Erstaufnahme in die St.-Peter-Ording-Straße gebracht wurden. „Wir fühlen uns hier gut, die Menschen sind alle sehr nett und hilfsbereit - das ist sehr schön", sagt Intesar Awad. Doch sie und ihr Mann wollen so schnell wie möglich wieder eine Aufgabe bekommen, sie möchten die Sprache lernen und arbeiten. „Wir wollen nicht nur schlafen und essen. Wir wollen etwas tun", so Omar Awad, und er fügt strahlend hinzu: „Das wird unsere neue Heimat. Ich fühle mich schon als deutscher Mann."

von Jana Walther erstellt am 22.Aug.2015 | 04:04 Uhr

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