Was die 14-jährige Alisar (Name von der Redaktion geändert) aus Syrien alles erlebt hat, mag sich die Leiterin der Schule Altstadt, Kirsten Koppelmann, gar nicht ausmalen. Das Mädchen ist mit seinen Brüdern aus dem Bürgerkriegsland geflohen, tausende von Kilometern haben sie zu Fuß zurücklegen müssen, ihre Eltern sind bereits verstorben. Jetzt besucht Alisar die Schule Altstadt in Rendsburg, schließlich ist sie mit ihren 14 Jahren schulpflichtig. Doch sie spricht kein Wort Deutsch, auch kein Englisch. Die Lehrer sollen das traumatisierte Mädchen trotzdem unterrichten, irgendwie. Alisar und 64 andere Kinder bekommen eine besondere Förderung und besuchen deshalb die Klassen „Deutsch als Zweitsprache" (Daz) an der Schule Altstadt.
Für die Lehrer ist die Arbeit mit den Flüchtlingskindern eine große Herausforderung und eine enorme Belastung, berichtet Schulleiterin Koppelmann. Viele der Kinder kommen aus Krisengebieten, sie haben Schlimmes erlebt und benötigen psychologische Betreuung. Doch diese können die Lehrer nicht zusätzlich leisten. Es fehle außerdem an geeignetem Unterrichtsmaterial und Dolmetschern. Für einige Sprachen gebe es nicht einmal Wörterbücher und die Stundenzahl der Lehrkräfte reiche für die große Gruppe schon lange nicht mehr aus.
Stadt und Schulen fühlen sich mit der Betreuung der Kinder vom Land alleine gelassen. Deshalb haben sie jetzt gemeinsam die Initiative ergriffen und Unterstützung aus Kiel gefordert. Vor knapp zwei Wochen war Bürgermeister Pierre Gilgenast mit Vertretern der Schulen im Bildungsministerium, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Und heute ist er im Innenministerium. „Es ist eine ausgesprochen unbefriedigende Situation" beschreibt er das Problem. Dass sich Rendsburg für die Flüchtlinge öffnen möchte, sei keine Frage. „Wir wollen helfen. Doch die Flüchtlingspolitik gerät in eine Schieflage, wenn sie nicht zu Ende gedacht wird." Die Schule Altstadt ist in Rendsburg das Zentrum für Deutsch als Zweitsprache. Migranten sowie Asylbewerber werden dort unterrichtet. Doch einige Flüchtlingskinder besuchen bereits die Christian-Timm-Regionalschule, da die Schule Altstadt nicht alle Kinder aufnehmen kann. Das liege nicht am Platz oder zu wenig Lehrern mit Daz-Qualifikation: „Es fehlt vor allem an Lehrerstunden", so Schulleiterin Koppelmann.
Besonders schwierig sei die Arbeit mit Kindern, die noch nicht einmal alphabetisiert sind, berichtet sie. Derzeit gehören zehn Kinder dazu: „Sie sind noch nie zur Schule gegangen, sie kennen das System Schule gar nicht und haben schon Probleme damit, 45 Minuten still zu sitzen", beschreibt sie die Lage.
Deshalb fordern sie und die Stadt vor allem eines vom Land: Zusätzliche Lehrerstunden. Erste Zugeständnisse haben sie bereits erhalten. Es soll Unterrichtsmaterialien geben und für die Deutschkurse wurden Honorarkräfte in Aussicht gestellt. Bildungsministerin Britta Ernst kündigte am Freitag zusätzliche 7,7 Millionen für 2015 an, von denen 125 neue Stellen an landesweit 84 Daz-Zentren geschaffen werden sollen.
Bis einschließlich April sei der Unterricht in Rendsburg zunächst sichergestellt, so Gilgenast. Dafür haben die Rendsburger Serviceclubs mit Spenden gesorgt, durch die auch die Kursleiter der VHS an den Schulen bezahlt werden. Insgesamt gibt es in Rendsburg derzeit 278 Asylbewerber, 86 von ihnen sind unter 14 Jahre alt.
von Jana Walther erstellt am 08.Dez.2014 | 05:24 Uhr