Als der angeklagte Steuerberater Olaf Lauenroth in seinem Rollstuhl in den Saal des Kieler Schwurgerichts fährt, richten sich alle Augen und Kameras auf ihn. Der wegen Mordes angeklagte 55-Jährige scheint die volle Aufmerksamkeit zu genießen. Die Richter betreten den Saal, rund 40 Zuschauer erheben sich und auch Lauenroth steht vorsichtig aus seinem Rollstuhl auf. Das Urteil für die Tötung des Finanzbeamten Wolfgang B. lautet lebenslängliche Freiheitsstrafe wegen Mordes. Damit folgt die Kammer dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
Eine Stunde nimmt sich der Vorsitzende Richter Jörg Brommann Zeit, um das Urteil zu begründen. Die Richter sehen es demnach als erwiesen an, dass der 55-Jährige die Tat geplant und den Finanzbeamten Wolfgang B. am 1. September 2014 zielgerichtet mit drei Schüssen in seinem Büro im Rendsburger Finanzamt ermordet hat. Der Erklärung Lauenroths, er habe die Waffe nur zufällig mit sich geführt, schenken sie keinen Glauben. „Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass es sich um eine vorsätzliche Tötung handelt", macht Brommann deutlich. Es sei „völlig unrealistisch", eine Waffe in der Hosentasche zu vergessen. „Ihm war bewusst, dass er die Beretta mit sich führte", so der Richter. Und dass die Polizisten am Tatort noch zehn weitere Patronen in seiner Hemdtasche vorfanden, komme erschwerend hinzu. „Es mutet fast an, als wenn Herr Lauenroth in den Krieg ziehen wollte."
Auch an dem Vorwurf der Heimtücke hat die Kammer keinerlei Zweifel. Lauenroth habe die Ausweglosigkeit des 57-jährigen Finanzbeamten ausgenutzt. Er lockte ihn in sein Büro und positionierte sich so in dem Raum, dass eine Flucht nicht möglich gewesen sei. „Er wollte genau das. Sein hilfloses Opfer dort überraschen. Der Finanzbeamte saß in der Falle", sagt Brommann.
Eine hohe Bedeutung messen die Richter einem Brief zu, den die Polizisten bei der Durchsuchung des Wohnhauses in Fockbek auf dem Schreibtisch fanden. In dem Schreiben an seine Ehefrau kündigte der Steuerberater die Tat an. Darin heißt es unter anderem: „Ich werde dem Drama ein Ende setzen" oder „Ich werde das Gefängnis wohl nicht mehr verlassen, bevor ich sterbe." All das zeige, dass der Mord an Wolfgang B. von Anfang an geplant gewesen sei.
Der von Unfällen und Krankheit gezeichnete Angeklagte habe sich in einer ausweglosen Situation - wirtschaftlich verzweifelt und ohne Perspektive - wiedergefunden, jahrelang kam es zu Auseinandersetzungen mit der Finanzbehörde. Er fühlte sich von den Mitarbeitern schikaniert. Die Schuld für seine missliche Lage suchte er nach Auffassung der Richter nicht bei sich selbst. Er machte jemand anderen dafür verantwortlich. Das habe Wolfgang B. das Leben gekostet.
Während der Begründung des Urteils wirkt Lauenroth gefasst. Ab und zu schüttelt er mit dem Kopf, mehr Regung zeigt er nicht. Beim Verlassen des Gerichtssaals bezeichnet er das Urteil als „absolut unangemessen" und meint, das Gericht habe „nur die belastenden Faktoren, nicht aber die begünstigenden Fakten" berücksichtigt. Zu der Frage eines Fernsehreporters, warum er sich in den Medien so inszeniere, sagt er: „Ich möchte nicht, dass man sagt, ich würde mich verstecken." Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Frank-Eckhard Brand hatte auf Totschlag plädiert. Darauf steht eine Haftstrafe von fünf bis 15 Jahren. Er kündigte gestern an, Revision einzulegen.
von Jana Walther erstellt am 08.Apr.2015 | 05:52 Uhr