Die Freie Waldorfschule in Rendsburg gerät nach der Entlassung eines umstrittenen Verwaltungsmitarbeiters weiter in Schieflage: Sinkende Schülerzahlen, Streit im Kollegium und das Misstrauen einiger Eltern und Lehrer gegenüber dem Vorstand sorgen für reichlich Zündstoff. Das geht aus einem internen Statusbericht der Schule hervor, der unserer Zeitung vorliegt.
Jetzt schaltet sich sogar der Bund der Freien Waldorfschulen (Bund) ein. Die Vereinigung, in der deutschlandweit 234 Waldorfschulen organisiert sind, schickt drei externe Mitarbeiter nach Rendsburg, um den Schulvorstand abzulösen und einen Neuanfang an der Nobiskrüger Allee möglich zu machen.
Mitte Mai wird der alte Vorstand - derzeit bestehend aus sechs Eltern und zwei Lehrern - in der Mitgliederversammlung abgelöst, kündigte Albrecht Hüttig vom Vorstand des Bundes an. Zwei Waldorf-Geschäftsführer aus Hamburg und Hannover sowie ein unabhängiger Unternehmensberater sollen die wichtigen Aufgaben der Finanz- und Personalverwaltung übernehmen sowie einen geeigneten Geschäftsführer finden. Mit dem Einschalten des Bundes wurde auch ein umfassendes Papier in Auftrag gegeben, das auf 44 Seiten die Situation der Schule beleuchtet. Darin heißt es: „Der Verein befindet sich in einer akuten Krisensituation." Grund dafür sei neben der Entlassung eines Mitarbeiters wegen Kontakte zur rechten Gruppierung „Reichsbürger" auch die sinkenden Schülerzahlen und die damit verbundenen fehlenden Elternbeiträge und Zuschüsse vom Land. Zum Vergleich: Im Jahr 2006/2007 besuchten noch 429 Kinder und Jugendliche die Schule. Inzwischen ist die Zahl um 20 Prozent auf 344 Schüler gesunken. Seit 2006 verliert die Bildungsstätte durchschnittlich zehn Schüler pro Jahr.
Als weitere Gründe für die „Waldorf-Krise" werden zahlreiche Konflikte unter Kollegen genannt sowie Kündigungen, Abmahnungen und einstweilige Verfügungen, die vor Gericht ausgefochten werden. All das habe die Schule „organisatorisch akut und wirtschaftlich absehbar in eine existenzbedrohende Krise" geführt.
Was sich in dem Bericht allerdings kaum wiederfindet, ist das wachsende Misstrauen der Eltern. Diese beklagen, dass sie durch die externe Besetzung an Einfluss verlieren. Schließlich sei der Vorstand das mächtigste Gremium, in dem Eltern und Lehrer gemeinsam wichtige Entscheidungen treffen sollen. Doch der Bund will keinesfalls von einer Entmachtung sprechen. Hüttig: „Es geht darum, dass die Schule handlungsfähig bleibt. Ziel ist es, dass die Schule nach zwei Jahren wieder selber einen Vorstand bildet." Dieser soll auch wieder aus Eltern und Lehrern bestehen - ohne Nachhilfe von außen. Es sei ein grundlegender Waldorf-Gedanke, dass Eltern und Lehrer gemeinsam Schule machen, so Hüttig.
Genau das sei aber schon in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen, berichtet ein Vater, der anonym bleiben möchte. Über die Köpfe hinweg wurden Entscheidungen getroffen, die Einsicht in Unterlagen verwehrt, das Wort in der Öffentlichkeit verboten. „Hier herrschen hierarchische Strukturen und alles andere als Demokratie", sagt er. All das entspräche nicht dem Sinn einer Waldorfschule. Viele Eltern überlegten bereits, ihre Kinder von der Schule zu nehmen, so auch der besorgte Familienvater. „Das ist nicht mehr die Schule, in die ich mein Kind gegeben habe." Mit der Einmischung des Bundes sieht er keine Chance, die Schule wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Ganz im Gegenteil: „Dadurch wird die hierarchische Struktur noch mehr unterstützt."
Ob die drei vom Bund vorgeschlagenen Mitarbeiter tatsächlich den neuen Vorstand bilden, ist noch nicht klar. Denn die Mitgliederversammlung muss die drei Fachmänner noch wählen. An der Versammlung können alle Eltern teilnehmen, denn jeder, der sein Kind in die Waldorfschule schickt, muss gleichzeitig Vereinsmitglied werden und ist somit auch stimmberechtigt.
Die aktuellen Vorstandsmitglieder waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.