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Aktuelle Stern-Reportage: Eine Hassliebe: Sylt und die Medien | shz.de

Sylt | „Urlauber-Invasion. Deutschlands berühmteste Insel - zerrissen zwischen Traum und Albtraum". So titelt der Stern seine aktuelle Ausgabe. Ganze 14 Seiten widmet das Magazin der Insel, bestückt mit reichlich bunten Bildern. Die Autorin Frauke Hunfeld war zum ersten Mal auf Sylt und berichtet von ihren ersten Eindrücken. Ihr Fazit: „Sylt ist jedenfalls ziemlich Borderline. Bei Menschen ist das ja eine Krankheit. Aber eine Insel darf so sein." Die Meinungen der hiesigen Touristiker über den Artikel gehen allerdings auseinander. Im Gespräch mit der Sylter Rundschau verraten sie, was sie von dem Text halten und bewerten die hohe mediale Aufmerksamkeit der Insel.

Birgit Friese vom Tourismus-Service in Kampen war bereits vorgewarnt, dass der Stern groß über die Insel berichten wird. „Ich war wirklich sehr gespannt auf den Text", sagt sie und befindet: „Die Titelunterschrift sollte gewaltig provozieren, aber der Bericht ist herrlich treffend und ironisch formuliert und zeigt Sylt in allen seinen wunderbaren und spannenden Facetten." Genauso wie von Hunfeld beschrieben, nehme auch Friese die Insel wahr.

Auch Henning Sieverts, Tourismusdirektor in Wenningstedt-Braderup, hält den Artikel für gelungen. „Er zeigt die Vielfältigkeit der Insel, die Sylt natürlich ausmacht, auch wenn der Schwerpunkt des Berichts eindeutig auf Kampen liegt." Aber es werden auch Themen angesprochen, die meist weniger Beachtung finden, wie zum Beispiel die Wohnraumproblematik - besonders im Zusammenhang mit der Erbfolge, so Sieverts. Für Sylt sei es grundsätzlich gut, viel und oft in den Medien aufzutauchen. Allerdings nur, wenn man sich auch differenziert mit den Themen auseinander setze, so wie es auch im Stern der Fall gewesen sei. Dass Wenningstedt nur am Rande in dem Text auftaucht, darüber sei er nicht enttäuscht. „Man sollte da nicht eitel sein. Hier liegt der Schwerpunkt nun mal auf Kampen. In einem anderen Bericht ist es dann wieder ein anderer Ort."

Etwas schade findet es dagegen Boris Ziegler, Kurverwalter in List, schon, dass der Norden der Insel mit seinen Kreuzfahrtschiffen kaum Beachtung findet. „Klar, wir zelebrieren die Promis hier oben nicht so sehr, mit Ausnahme vielleicht mal bei Gosch. Aber mit den Kreuzfahrern haben wir schon fast ein Alleinstellungsmerkmal auf der Insel. Das hätte man schon erwähnen können." Den Text fand Ziegler allerdings trotzdem ganz nett und amüsant zu lesen. „Etwas wirklich Neues oder große Aufregerthemen standen da aber nicht drin." Über die Beschreibung der endlosen Strände Kampens schmunzelt er ein wenig und sagt lachend: „Wir haben hier noch ein paar Kilometer mehr."

Stephan Beck vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga findet es aber überhaupt nicht witzig, das die Insel es ständig in die Negativschlagzeilen schafft. „Das tut uns nicht gut, dieses Reißerische", sagt er. „Es sind in diesem aktuellen Text Wahrheiten und Unwahrheiten drin. Dass man schnell 21 Millionen für ein Haus zahlt, wie es dort heißt, das ist doch unsinnig." Ob diese Summe stimmt oder nicht, das sei zwar dahingestellt, aber Sylt ist nicht nur das Kampen. „Hier leben eben auch ganz viele ganz normale Menschen. Das schreibt aber keiner."

Der amtierende Bürgermeister der Gemeinde Sylt Carsten Kerkamm sieht den Artikel dagegen als humoristisch an: „Er ist nett geschrieben, die Redakteurin hat Witz und man sollte den Text etwas ironisch betrachten", sagt er. Kerkamm selbst habe mit viel Schlimmerem gerechnet, nachdem er die Titelzeile gelesen hatte. Gegen die oft reißerische Berichterstattung in anderen Medien sei dieser Text harmlos. Dass Sylt-Themen häufig deutschlandweit in den Medien auftauchen, wundere ihn nicht. Medial habe Sylt denselben Stand wie Hamburg oder Düsseldorf. „Das ist nur verständlich, wenn man sich mit einem der schönsten Flecke der Welt beschäftigt." Dass aber oftmals mit unrichtigen Darstellungen nur die „Sensationslust der Boulevardblätter befriedigt wird", ärgert ihn.

Auch Moritz Luft, Geschäftsführer von Sylt-Marketing, hatte unter der Überschrift etwas ganz anderes erwartet. „Sie passt nicht zum Text. Der Artikel ist eine Liebeserklärung an die Insel. Er zeigt die launenhaften Seiten Sylts mit einer großen Portion Sympathie." Mit der Titelzeile wolle der Stern nur schockieren, so lasse sich das Magazin nun mal besser verkaufen. Dass aber viele andere Medien mit Sylt-Berichten polarisieren wollen, empfindet er als ärgerlich. „Das ist oft Schwarz-Weiß-Malerei."

von Jana Walther erstellt am 27.Jul.2014 | 09:40 Uhr


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