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Schwarzer Montag: „Es herrscht alles andere als Normalität"

Auf den ersten Blick erinnert nichts an den schwarzen Montag, heute vor elf Wochen. Am Finanzamt hängt keine Flagge auf Halbmast, zu sehen sind keine Blumen oder Kerzen, wie man sie vom Straßenrand nach tödlichen Verkehrsunfällen kennt. Das Büro des getöteten Mitarbeiters wird wieder genutzt. Nur ein hellgrüner Zettel mit schwarzem Rand weist auf die schreckliche Tat hin. Er hängt im Eingangsbereich. „Wir trauern um unseren Kollegen Wolfgang Bartram", ist darauf zu lesen. Und weiter: „Liebe Besucher, wir danken Ihnen, dass Sie von Nachfragen zu dem unfassbaren und für uns sehr belastenden Geschehen absehen. Bitte respektieren Sie unseren Schmerz!"

Die Mitarbeiter wollen nicht vergessen, aber sie wollen auch nicht ständig an das erinnert werden, was am Vormittag des 1. September geschah. Sie wollen nicht täglich daran denken müssen, dass einer ihrer langjährigen Kollegen von einem aufgebrachten Kunden erschossen wurde. Sie versuchen, ihren Job zu machen, nach vorn zu schauen.

Deshalb redet keiner mit Außenstehenden über die furchtbaren Vorgänge - bis auf Monika Heinold. „Es herrscht alles andere als Normalität im Amt", sagt die Finanzministerin des Landes Schleswig-Holstein der Landeszeitung. Die 58-jährige Politikerin der Grünen hatte sich sofort nach Bekanntwerden der tödlichen Schüsse nach Rendsburg begeben. Noch im Auto verschickte sie per Mail erste Arbeitsanweisungen. Später rief sie eine Arbeitsgruppe ins Leben. Diese sollte sich intensiv mit den Sicherheitsvorkehrungen der Finanzämter in ihrem Verantwortungsbereich beschäftigen. „Mir ist es wichtig, dass die Sicherheitsdebatte nicht im Sande verläuft", sagt Heinold.

Die Gruppe aus Mitarbeitern des Finanzministeriums, Vertretern von Polizei und weiteren Experten hat die Situation in anderen Bundesländern analysiert und sich Rat aus dem Innen- und Justizministerium eingeholt. Ein erstes Ergebnis der Arbeit: Im Landeshaushalt 2015 werden zusätzlich 41 000 Euro für die Weiterbildung der Finanzbeamten bereitgestellt. Wie lassen sich Konflike im Amt deeskalieren? Diese Frage steht bei den Schulungen im Mittelpunkt. Hitzige Situationen sollen frühzeitig erkannt werden, konkrete Handlungsempfehlungen sollen helfen, mit aufbrausenden oder aggressiven Klienten umzugehen. Auch anhand der Akte einzuschätzen, ob es zu Reibereien kommen könnte, gehört zu dem Training.

Denn nicht nur in Rendsburg sorgen sich Beamte oder andere Behördenmitarbeiter, die immer wieder mit Beschwerdeführern in Kontakt kommen, um ihre Sicherheit. Aus vielen Ämtern im Land wurde der Wunsch nach Unterstützung laut. Sie standen nach dem Rendsburger Fall ebenfalls unter Schock und wollen künftig auf Extremsituationen besser vorbereitet sein.

Im Finanzamt an der Kieler Straße wurden die Mitarbeiter psychologisch betreut. Ein Kriseninterventionsteam kümmerte sich um die traumatisierten Kollegen des getöteten Beamten. Das Angebot bestehe nach wie vor, so die Kieler Ministerin. Einige nehmen die psychologische Betreuung noch immer in Anspruch. Andere wiederum suchen den Halt in der Familie, bei Freunden und natürlich bei den Kollegen.

Neben der Arbeitsgruppe im Heinold-Ressort ist auch die Polizei gefordert. Im Januar sollen Sicherheitsexperten dem Ministerium Vorschläge machen, wie die Ämter sicherer werden können. Panzerglas? Sicherheitsschleusen? Am Amtsgericht ist beides inzwischen Standard. Im Finanzamt jedoch will man soweit nicht gehen. Monika Heinold: „Man möchte noch immer als eine offene Behörde wahrgenommen werden."


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