Kiel | „In dem Gebäude des Schleswig-Holsteinischen Landtags war früher eine Militärakademie", verrät die Reiseleiterin mit spanischem Akzent den 25 Gästen an Bord des neuen Kieler Sightseeing-Busses. „Das war noch zu Kaiser Wilhelms Zeiten. Bunt gekleidete Wachleute schützten damals das Areal." Das wusste selbst Maren Müller noch nicht, die seit fünf Jahren im Kieler Umland lebt und den freien Tag nutzt, um die Stadtrundfahrt zu testen.
Seit Mai dieses Jahres fährt der knallrote Doppeldeckerbus durch die Landeshauptstadt. Was zunächst als Testphase begann, ist inzwischen zu einem festen Angebot für Touristen geworden. Stündlich startet der Bus am Schwedenkai von 9.20 bis 15.20 Uhr. An einigen Stationen können die Besucher nach dem bekannten „Hop-On-Hop-Off-Prinzip" aus- oder einsteigen.
Die Fahrt führt zunächst entlang der Kiellinie, vorbei am Marinehafen in Richtung Stadtteil Wik, entlang des alten Wasserturms weiter zur Holtenauer Schleuse, wo eine 15-minütige Pause geplant ist. Die Passanten blicken etwas erstaunt auf das neue Gefährt. Vielleicht mag es am Aufdruck des Brandenburger Tors und dem Berliner Bären liegen, dass der Bus noch nicht so recht ins Stadtbild passen will. Auf dem zweiten Tourbus steht sogar noch „City Sightseeing Berlin", er hat noch kein passendes lokales Design erhalten. Möglicherweise liegt es aber auch daran, dass die Kieler einen solchen Doppeldeckerbus nur aus Großstädten wie Hamburg, Paris oder London kennen.
Doch auch wenn die Landeshauptstadt mit Eiffelturm und Tower Bridge nicht ganz mithalten kann, gibt es auf der Tour einiges zu entdecken. Selbst Alteingesessene bekommen ein paar neue Fakten geliefert. Zum Beispiel, dass die Forstbaumschule ihren Namen der geradlinigen Anpflanzung der Bäume im Waldstück nebenan verdankt, dass die Holtenauer Hochbrücke eigentlich Prinz-Heinrich-Brücke heißt, oder dass der Rathausturm ganze acht Meter höher ist, als sein Vorbild in Venedig. Für Maren Müller alles neue Erkenntnisse, die sie sogar ein bisschen ins Staunen bringen.
Zum Großteil sind es aber Urlauber, die an der 90-minütigen Stadtrundfahrt teilnehmen. „Viele sind Tagesgäste und Passagiere der skandinavischen Fähren", erzählt die Reiseleiterin. Und die bekommen von der gebürtigen Peruanerin vor allem die Geschichte der Stadt und die des Nord-Ostsee-Kanals präsentiert. Vom Bau bis hin zur Namensgebung erfahren die Gäste alles über die größte künstliche Wasserstraße der Welt.
Weil 80 Prozent von Kiel im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, seien nicht mehr viele schöne alte Gebäude übriggeblieben, erklärt die Reiseleiterin, die vorher 20 Jahre lang Touristen durch Lima begleitet hat. Dass es in Kiel deutlich weniger historische Bauten zu bestaunen gibt, sei für sie aber gar kein Problem. Schließlich habe die Stadt noch mehr zu bieten. So schwärmt sie von der Flaniermeile Holtenauer Straße, während der Bus an den Cafés und kleinen Läden vorbeirauscht, und erzählt ihren Gästen, wie die Kieler auf dem selbst ernannten Jürgen-Klinsmann-Platz an der Kreuzung Knooper Weg/Olshausenstraße vor Kurzem die gewonnenen Spiele der deutschen Fußballnationalmannschaft feierten.
Kurz-Infos zur Busfahrt:Sprachen: Live in Deutsch und Englisch, Audio-Kommentar (in Planung) auf Spanisch, Französisch, Italienisch, Dänisch, Norwegisch und Schwedisch Haltestellen: Hauptbahnhof, Schwedenkai, Reventloubrücke, Diederichsenpark, Herthastr. (Wik), Nord-Ostsee-Kanal (Schleusenplattform), Nord-Ostsee-Kanal (Adler I), Holtenau (Schleuse), Universität (Rankestraße), Holtenauer Straße (Waitzstraße) Preise: Erwachsene: 20 Euro, Studenten/Senioren: 17 Euro, Kinder (4-15 Jahre): 10 Euro Weitere Infos gibt es hier, Tickets gibt es an den Tourist-Informationen Kiel und Heikendorf.
von Jana Walther erstellt am 27.Jul.2016 | 10:07 Uhr